Märchen sind nicht nur etwas für Kinder, auch Erwachsene lassen sich mitunter gerne verzaubern. Eine Reise in die Fantasiewelt bedeutet nicht nur Flucht aus der Realität für einen begrenzten Zeitraum, sondern auch Offenheit für neue Erfahrungen. „Der Mond“ von Carl Orff basiert auf dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Der Komponist zeichnete für das Libretto und die Musik seines Stückes verantwortlich, wodurch beide Ebenen zu einer untrennbaren Einheit miteinander verschmelzen. Dadurch entstand eine Oper, Orff nannte seinen „Mond“ „Ein kleines Welttheater“. Uraufgeführt wurde das Werk 1939, doch hat seine Botschaft überzeitliche Aktualität, die bis heute andauert.
Bach-Chor und Bach-Orchester Fürstenfeldbruck brachten unter der Leitung von Gerd Guglhör Carl Orffs „Mond“ jetzt auf die Bühne des Stadtsaals. Genauer gesagt war die Bühne nicht nur der Platz für das riesig besetzte Orchester und dahinter für den Chor. Zugleich war sie auf einer in der Mitte angesiedelten, länglichen und fast bis zur ersten Zuschauerreihe reichenden Fläche auch Spielort für das Geschehen. Auch hier hatte die Durchdringung der Ebenen programmatischen Charakter (Ausstattung von Peter Sommerer).
Eine große runde Lichtscheibe beherrschte als Mond das Bühnenbild in dieser halbszenischen Aufführung. Zugleich war darauf auch ein Zifferblatt zu sehen, das fünf vor zwölf zeigte. Der Lebenszyklus von vier jungen Männern, den Burschen, bis an ihr diesseitiges Lebensende und ihre Ankunft in der Unterwelt sind zeitliche Phänomene, die den Rahmen für die Handlung bilden. Gabriel Rupp, Johannes Domke, Tobias Völklein und Manuel Adt mimten stimmlich und darstellerisch ganz wunderbar diese Aufgabe: Sie setzten mit Punktgenauigkeit Text und Rhythmus um und harmonierten in der Verschiedenheit. Der Schalk im Nacken kam dabei nie zu kurz, so dass die Szenen von Vitalität und Kurzweiligkeit geprägt waren.
Eric Price blieb als Erzähler treffsicher im Format seiner Rolle und kontrastierte mit seiner emotionalen Abstinenz die Handlung. Dadurch entstand eine klar herausgearbeitete szenische Spannung. Würdevoll in Stimme und Körpersprache setzte Petrus (alias Gerrit Illenberger) eigene Akzente in der Inszenierung (Nina Kühner). Der Chor nimmt hier auch die Rolle der Toten in der Unterwelt wahr, die durch das ungewohnte Mondlicht zu kurzzeitigem Leben erwachen. Die sparsamen Bewegungen auf engem Raum korrespondierten gut mit den Vorgaben der Musik und beeindruckten allein schon durch die Vielzahl der Personen. Musikalisch gelang dem Chor der Spagat zwischen von klarem Parlando getragenem Textvortrag und den sanglichen Passagen ausgezeichnet. Gut fügte sich auch der Kinderchor des Gesangvereins Maisach (Einstudierung: Christian Meister) ins Geschehen ein. Das Orchester musizierte äußerst präsent und mit einer großen Breite an musikalischen Ausdrucksebenen. Dass es in der Koordination der verschiedenen Akteure auf der Bühne manchmal zu kleinen Wacklern kam, war angesichts der Komplexität des Zusammenspiels ein zu vernachlässigender Faktor.
Das Ende von Orffs „Mond“ klingt wie Himmelsmusik, wenn die Zither die Führung übernimmt und das Orchester quasi Wolken darunter zaubert. So viel Harmonie überrascht zunächst, wurde hier aber eindrucksvoll kontextualisiert mit Plakaten und Transparenten, die zum Beispiel auf den Naturschutz hinweisen. Die Problematik, wie der Mensch mit der Welt umgeht, ist hier quasi die Moral der Geschichte. Vor Beginn der Aufführung hatte Andreas Puhani auf Hörenswertes in Orffs „Mond“ hingewiesen und dabei geschickt übergeordnete Zusammenhänge erlebbar werden lassen.