Auszeichnung:Publikum und Jury sind uneins

Beim Kabarett-Nachwuchspreis "Paulaner Solo" entscheiden sich die Preisrichter für Jakob Heymann. Den Besuchern gefiel der Auftritt des Gewinners nicht besonders, sie hatten ganz andere Favoriten

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Paulaner solo

Kabarettisten im Finale: Auf der Bühne im Veranstaltungsforum präsentieren sich (von links) Paul Weigl, Stefan Kröll, Moderator Heinrich Del Core, Archie Clapp und Jakob Heymann.

(Foto: Günther Reger)

Der Geschmack einer Fachjury und der des Publikums gehen häufig auseinander. "Bei zehn Veranstaltungen stimmten Publikum und Jury identisch ab", teilte Harry Stadlmayer von der Brauerei Paulaner mit. Doch diesmal gingen beim Kabarett-Nachwuchspreis im Veranstaltungsforum, dem "Paulaner Solo", die Geschmäcker weiter auseinander denn je. Vier Kandidaten mussten sich jeweils 20 Minuten vor vollbesetzten Biertischen im Stadtsaal einen Wettstreit um Ehre und Geld liefern. Das Publikum hatte Jakob Heymann bei seiner Abstimmung gar nicht auf dem Zettel. Dafür setzte ihn die fünfköpfige Jury um Kabarettist Michael Altinger auf Platz eins.

Heymann kommt aus Bremen und tourt seit zwei Jahren als "Songpoet und Liedermacher", so die Veranstaltungsankündigung, durch die Republik. Er präsentierte sich als bewusst musikalischer Amokläufer mit provokanten Texten. "Helene Fischer, Falco und Konstantin Wecker werden beleidigt", kündigte Heymann ganz bescheiden vor seinem Lied "Schnulzensänger" an. Besonders das Veräppeln von Wecker und dessen Einordnung in die Kategorie "Schnulze" kam beim Publikum gar nicht gut an. Heymann ist sicherlich ein stimmliches und musikalisches Talent. Unüberhörbar ist, dass er auch mit gezielten Provokationen seinen Bekanntheitsgrad steigern möchte. Am Klavier dozierte der junge Künstler über den D-Moll-Akkord. "Der ist AfD", teilte er mit und ergänzte: "Das war der politische Teil des Abends." Heymann verstieg sich dann auch noch zu einer direkten Publikumsbeschimpfung: "Ihr seid so richtig auf Lachen getrimmt. Da muss eine Pointe nach der anderen kommen." Mit gezielten Nichtpointen will er offenbar konterkarieren, was Menschen sich üblicherweise vom Kabarett versprechen: geistreiche Unterhaltung, bei der es viel zu lachen gibt. Der Bremer zeigte sich wenig geistreich, eher lustlos. Die Besucher im Saal entließen Heymann mit mäßigem Applaus von der Bühne.

Der erste Wettstreiter, Stefan Kröll, erfüllte alle Kabarettkriterien. Altersmäßig kam Kröll, dessen Karte mit vielen Auftrittsterminen auf den Tischen lag, mit 47 Jahren nicht unbedingt für einen Nachwuchspreis in Frage. Doch Talent ist nicht altersabhängig. Kröll unterhielt die Zuschauer ganz prächtig und zeigte auch seine musikalischen Fähigkeiten am Klavier. Riesenapplaus prasselte am Ende auf ihn nieder. Die Jury sah das ganz anders. "Er kann noch an seiner Kontur arbeiten", übermittelte Altinger als Ergebnis der Jurysitzung. Das wirkte unangebracht schulmeisterlich; jedenfalls setzte er Pröll auf den vierten und letzten Platz. Immerhin gab es noch tausend Euro dafür. Die etwa 500 Besucher waren bei Pröll ganz anderer Meinung. Sie gaben ihm 208 Stimmen und setzten ihn nur zwei Stimmen hinter dem Sieger auf Platz zwei.

Nach der Pause folgten zwei weitere Männer, die um die Gunst von Jury und Publikum buhlten. "Wo sind eigentlich die Frauen heute Abend?", fragte sich nicht nur die Sitznachbarin. Schwer zu glauben, dass es keine junge Kabarettistin gibt. In den beiden Vorrunden war wohl eine dabei gewesen, hatte es aber nicht in die Endrunde geschafft. Dafür war Paul Weigl da. Der war schon mal Vizemeister in einem Poetry-Slam-Wettbewerb. Der gebürtige Oberpfälzer und heutige Wahlberliner Weigl machte kein Kabarett, sondern offerierte Texte aus seinem Poetry-Slam-Repertoire. Stimmlich fulminant, in wilden rhythmischen Variationen, raste er wütend gegen die allgemeine Verblödung an. Dabei klagte er mit Wir-Sätzen alle an: "Wir hören nicht mehr zu", oder: "Wir konsumieren zu viel." Jury-Sprecher Altinger bemängelte dann auch zurecht, dass mehr Satire dem Vortrag gut getan hätte. Trotzdem gab es für Weigl Platz drei.

Auch Archie Clapp offerierte kein klassisches Kabarett. "Anarcho Clown" ist eine Etikette, die den schrägen Berliner aus Neukölln gut beschreibt. Clapp bediente eher die Varieté-Branche mit Zauberkunststückchen. Die waren so banal, dass sie schon wieder lustig waren. Als Höhepunkt bot Clapp eine Nacktnummer, als er sich zunächst bis auf die Unterhose auszog, um sich dieser dann auch noch zu entledigen. Mit zusammengekniffenen Beinen, die den Penis verbargen, lief er dann über die Bühne. Einige Besucher nahmen es kopfschüttelnd zur Kenntnis, dass ihnen so wenig attraktive korpulente Nacktheit zugemutet wurde. Doch es gab auch Frauen, die zustimmend kreischten. Archie Clapp, 32, siegte mit 210 Stimmen beim Publikum. Die Jury setzte die "Rampensau", so Altinger, auf den zweiten Platz und Stadlmayer übergab ihm einen Scheck über 2000 Euro. 3000 Euro konnte Gewinner Heymann mitnehmen. "Heymann spielt mit seinem Können und bedient niemanden mit seinem kompromisslosen Programm", begründete Altinger die Jury-Entscheidung.

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