Ausstellung:Unklare Rolle im Widerstand

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Der Chef der Brucker Polizeischule, Fritz Schade, präsentierte sich im Entnazifizierungsverfahren 1948 als Nazigegner. Eine Einschätzung, über die sich streiten lasse, sagt der Gröbenzeller Historiker Sven Deppisch

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Widerstand gegen den Nationalsozialismus haben Anarchisten, Kommunisten und Sozialisten geleistet, nebst ein paar versprengten Christen und Gewerkschaftern. Dazu gehört herausragend ein Held wie Georg Elser, ein Arbeiter, der begriff, was zu tun wäre und handelte, lange vor jenen Konservativen, ohne deren Unterstützung Hitler nicht an die Macht gekommen wäre, denen die Methoden aber im Lauf der Zeit zu ruppig wurden, oder die den Faschisten die absehbare militärische Niederlage ankreideten. Wie man diese Kreise einstufen soll, darüber lässt sich trefflich diskutieren.

Einem aus diesem Spektrum, Carl Friedrich Goerdeler, widmet die Volkshochschule Fürstenfeldbruck eine kleine Ausstellung. Der erzkonservative Jurist und Politiker Goerdeler zählt zum Kreis der Männern des 20. Juli 1944 und wurde dafür hingerichtet. Bei der Eröffnung am Mittwochabend wird Sven Deppisch über Fritz Schade sprechen, zeitweise Kommandeur der Polizeischule in Fürstenfeld.

Der Gröbenzeller Historiker hat eine monumentale Studie über diese Einrichtung vorgelegt, die er aufgrund seiner Recherchen als "Kaderschmiede" der Shoah einstuft. An zahlreichen Beispielen hat Deppisch ausgeführt, in welchem Ausmaß Polizeioffiziere, Lehrer und Schüler aus Fürstenfeld, an barbarischen Verbrechen beteiligt waren. Von den fünf Kommandeuren, die während der NS-Zeit Dienst taten, billigt Deppisch allein Schade das Prädikat des Widerstands zu.

Der hatte sich als 18 Jahre alter Medizinstudent 1914 freiwillig für den Krieg gemeldet. 1920 trat er in die bayerische Polizei ein und promovierte zwei Jahre später in Jura. 1936 wurde Schade zum Major der Schutzpolizei befördert, zum Jahresende übernahm er die Leitung der Brucker Schule. Politisch hatte sich Schade während der Weimarer Republik nach rechts entwickelt. Erst gehört er der nationalliberalen DVP an, später wechselte er in die rechtsextreme DNVP, die Hitler 1933 als Koalitionspartner die Mehrheit verschaffte.

Der Kommandeur der Polizeischule zeigt Präsenz. Fritz Schade bei der Sammlung des Winterhilfswerk. (Foto: Stadtarchiv Fürstenfeldbruck)

In den knapp zweieinhalb Jahren in Bruck beteiligte sich Schade an Aktivitäten wie der Sammlung für das Winterhilfswerk und ihm war die "Pflege der Kameradschaft" wichtig. Seit 1937 war er NSDAP-Mitglied. Mehrfach beklagte Schade die mangelhafte Qualifikation von Offiziersanwärtern, geringes geistiges Niveau und Faulheit. Während seiner Amtszeit kam es zu etlichen Fällen von Vandalismus, insbesondere gegen die Kirche, und Übergriffen von Polizeischülern, an deren Folgen ein Brucker starb, aber Kommandeur Schade reagierte "erstaunlich" zurückhaltend und verzichtete auf schärfere Sanktionen, schreibt Deppisch in seinem Buch.

Als Beleg für eine antifaschistische Haltung lässt sich das kaum deuten. Deppisch meint, Schade habe möglicherweise aus "naiver Loyalität" versucht, die Vorgänge unter den Teppich zu kehren oder aber, weil er seine eigene Position als gefährdet ansah. Irgendwelche konkreten Hinweise auf widerständiges Verhalten und Agieren hat Deppisch bei seinen jahrelangen Recherchen nicht gefunden. Sein positives Urteil stützt der Historiker auf Unterlagen aus dem Entnazifizierungsverfahren.

Dort präsentierte sich Schade in bestem Licht. Zu seinen Gunsten sagte nach Angaben Deppischs die Witwe von Franz Sperr aus, einem bayerischen monarchistischen Politiker, der als Mitwisser des 20. Juli hingerichtet wurde. Sperr soll Schade am 6. Juni 1944 sogar in die Umsturzpläne eingeweiht haben. Schade selbst berichtete, er habe als Kommandeur der Schutzpolizei in Nürnberg drei Juden gerettet, in dem er sie mit dem Auto wegbrachte. Zwei Männer schilderten allerdings, dass der Polizeioffizier die Aktion zwar geplant habe, es aber nicht mehr dazu gekommen sei.

Fritz Schade bei einem "Gemeinschaftsessen" (Zweiter von links) am "Tag der deutschen Polizei". (Foto: Stadtarchiv Fürstenfeldbruck)

Die Brucker Spruchkammer stufte Schade 1948 jedenfalls als entlastet ein. "Er hat unter Einsatz seines Lebens aktiv gegen die Diktatur Hitlers gekämpft", hieß es im Urteil. Deppisch ist sich bewusst, dass Material aus diesen Verfahren von zweifelhaftem Wert ist, weil viele Beschuldigte sich als Widerstandkämpfer präsentierten und dafür Persilscheine aus ihrem Umfeld sammelten. "Whitewashing" nannten die Amerikaner dieses Vorgehen. "Die Quellenlage ist leider sehr dünn", räumt der Historiker im Gespräch mit der SZ ein. Auch Manuel Limbach führt in seiner Studie "Bürger gegen Hitler" (2019) keine neuen Funde an, berichtet aber, dass Schade ab 1955 für den Verfassungsschutz arbeitete. Anscheinend war Schade jedenfalls nicht an Massenverbrechen in besetzten Gebieten beteiligt, im Unterschied zu seinen Nachfolgern an der Polizeischule, Gerret Korsemann und Martin Diez. "Man kann darüber streiten, wie man ihn einordnet", sagt Deppisch.

Ausstellung über Carl-Friedrich Goerdeler, Einführung von Bertold Goerdeler und Vortrag von Sven Deppisch, Volkshochschule Fürstenfeldbruck, Mittwoch, 8. Mai, 19 Uhr

© SZ vom 08.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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