Das Wort „Kunst“ assoziieren die allermeisten Menschen zuerst mit dem Gestalteten von Bildern, Gemälden und Skulpturen. Das Verfassen von Schriftstücken wird häufig nicht direkt mit dem Begriff in Verbindung gebracht und eher in dessen erweiterten Bereich einsortiert. Offensichtlich führen bildliche und literarische Auseinandersetzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen, jedoch haben die beiden Kunstformen viele Gemeinsamkeiten: Die Entstehung von Bild und Text erfolgt durch die intensive Beschäftigung mit einem oder mehreren Themen. Außerdem verursachen beide Darstellungen bei ihren Bewunderern ähnliche Emotionen und kognitive Prozesse.

Menschen identifizieren sich mit den Darstellungsformen und lassen sich von deren Ästhetik inspirieren. Dass sich die Kunstformen nicht nur stark ähneln, sondern gemeinsam eine völlig neue Art der Darstellung bilden können, hat die Ausstellung „Back to the roots“ gezeigt. Der Kulturverein Eichenau verband die beiden Medien, indem sich jeweils ein bildlicher und ein literarischer Künstler zu einer Partnerschaft zusammenfanden. Schriftsteller verfassten Texte zu bildlichen Kunstwerken und andersherum. Die entstandenen Kooperationen wurden am vergangenen Wochenende im großen Saal der katholischen Kirche in Eichenau ausgestellt. Bei der Text-Bild-Ausstellung drehte sich alles um die Themen Heimat und Wurzeln.

„Wir wollten den Austausch zweier Kunstformen anregen und als Schriftsteller sichtbarer in Eichenau und im Kunstverein werden“, sagt Fiona Rachel Fischer. Die 24-jährige Studentin übernahm die neu eingerichtete Literaturabteilung im vergangenen Jahr. Gemeinsam mit anderen Literatinnen kam ihr die Idee der „Kooperationen“. Das Projekt besteht aus zwei Runden. In der ersten wurde je ein bildlicher mit einem literarischen Künstler zusammengelost. Anschließend gestalteten sie unabhängig voneinander jeweils ein Werk zu den Themen Wurzeln und Heimat. In der zweiten Runde schrieben die Literaten Texte zu den Kunstwerken ihrer Partner, die bildlichen Künstler gestalteten solche zu den Texten der Schriftsteller. Somit entstand zu jedem Text ein Bild und andersherum. „Es geht dabei nicht darum zu beschreiben, was man in dem Kunstwerk sieht oder zu visualisieren, was man gelesen hat“, sagt Fischer, „es ist vielmehr eine Antwort, bei der man sich emotional vom Werk des anderen inspirieren lässt.“ Den Gestaltungsformen waren keine Grenzen gesetzt. Kurzgeschichten, Gedichte und experimentelle Prosatexte wurden mit Gemälden, Fotografien und Skulpturen kombiniert.

Einige Kunstwerke können von den Betrachtern direkt mit Heimat und Wurzeln in Verbindung gebracht werden. Die meisten tragen ihre Botschaft jedoch im Verborgenen. So auch das Werk von Hermine Schmid. Sie erstellte ein zweidimensionales Kleid. Das Oberteil ist aus festem Papier in den natürlichen Farben Blau, Grün und Gelb gestaltet, der Rock besteht aus einem Naturmaterial. Die Künstlerin verwendete die Fasern eines afrikanischen Baumes für die Gestaltung ihrer Skulptur „Afrika Kleid“. Weil natürliche Materialen für sie mit Heimat in Verbindung stehen, habe sie sich dafür entschieden. Im Laufe ihrer Arbeit sei Schmidt zufällig einem Mann begegnet, der den Stoff erkannte. „Er hat mir total euphorisch erzählt, dass man diesen wertvollen Ritualstoff in seinem Land zur Beerdigung der Toten verwendet“, so die Künstlerin. Diese Begegnung habe sie darin bestärkt, dass das Kleid Heimat symbolisiert. Schmids Partnerin Fiona Rachel Fischer antwortete auf die Installation mit einem experimentellen Prosatext. Ihr Stück „du kleidest dich in Heimat“ besteht aus Worten und Satzteilen, die sich mit dem Verkleiden und Verwurzeltsein beschäftigen. Die Literatin verwendete dafür auch Elemente, die mit „Afrika Kleid“ in Verbindung stehen: „Dass die Rockschöße dich kitzeln“ oder „eine Rinde um dich“. Je nachdem wie der Leser die Wortspielerei betrachtet und die Bestandteile kombiniert, entstehen unterschiedliche Bedeutungen. Ein möglicher Satz ist: „du kleidest dich in Heimat, als wäre es eine Rüstung“. Wechselt man eine Komponente aus, entsteht eine ganz andere Variante: „du kleidest dich in Heimat, als wäre es eine Rinde um dich, die unzerbrechlich macht“.

Das Ölgemälde „Deine Hände, die mich nicht mehr berühren“ zeigt eine junge Frau und einen Mann. Sie sitzt auf einer Blumenwiese, er liegt mit geschlossenen Augen daneben. Die Frau umschließt den Oberkörper des Mannes mit ihren Armen, ihr Gesicht sieht traurig aus, ihre Augen leer. Auch die Blumen und der Schmetterling im Hintergrund lenken nicht von der tragischen und gedrückten Stimmung ab, die das Gemälde vermittelt. Vielmehr fallen die kahlen Bäume und der in kalten Farben leuchtende Himmel auf. Ilona Krüger hat das Bild als Antwort auf das Gedicht „Heimat“ von Eva Bader gemalt. Es beginnt mit den Worten: „Herangewachsen in Mutters Schoß, umgeben von Wärme und viel Liebe, geboren um zu leben. Heimat“, und endet mit „Die liebste Frau geheiratet, zwei Kindern das Leben geschenkt. Im Schützengraben liegend, mich sehnend nach meinen Liebsten. Heimat“.