Süddeutsche Zeitung

Ausbildung im Landkreis Fürstenfeldbruck:Weniger Banker und Bäcker

Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen hat im Landkreis nachgelassen. Am meisten Image eingebüßt hat die Lehre in Kreditinstituten, noch schlechter schneiden klassische Handwerksberufe ab

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Für diejenigen, die in Zukunft einen Handwerker brauchen, ihr Auto reparieren lassen oder auch nur ein Restaurant besuchen wollen, ist das keine gute Nachricht: Die Zahl der Lehrlinge im Landkreis ist in diesem Jahr weiter spürbar gesunken. Hatten im Herbst 2020 laut Angaben einer Sprecherin der für Fürstenfeldbruck zuständigen Agentur für Arbeit in Weilheim noch 721 Heranwachsende oder junge Erwachsene eine Ausbildung begonnen, so sind es bis zum 30. September dieses Jahres nur noch 637 gewesen. Das ist ein Rückgang um 11,7 Prozent.

In den beiden Corona-Jahren blieben im Landkreis jeweils etwa 150 Lehrstellen unbesetzt. Am größten ist zurzeit die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage bei Bankkaufleuten. In der Branche, in der lange ein Ausbildungsplatz bei Schulabsolventen mit zu den begehrtesten zählte, konnten allein in diesem Herbst im Landkreis 23 Lehrstellen nicht besetzt werden.

Im Landkreis-Ranking der meisten offenen Lehrstellen folgen auf den Bankensektor als Spitzenreiter der Sport- und Fitnessbereich, Kaufleute, der Lebensmittelhandel und Restaurant-Fachpersonal. Die Erfahrung, dass nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden können, treibt Handwerksbetriebe und Gewerbetreibende schon lange um.

Für die meisten Schulabsolventen ist ein Studium nach wie vor viel attraktiver als eine Lehre. Daran hat sich auch nichts geändert, seit die Meisterprüfung dem Bachelorabschluss einer Universität gleichgestellt wurde und damit wie das Abitur der Türöffner für eine weitere akademische Ausbildung ist. Immerhin verfügte in diesem Herbst fast jeder Sechste, der im Landkreis einen Lehrvertrag unterschrieb, über die Fachhochschul- oder Hochschulreife.

Wer im Alter von 16 oder 17 Jahren eine Lehre beginnt, wahrt sich inzwischen die gleichen Aufstiegschancen, die sich einem Abiturienten bieten. Sofern der Azubi zielstrebig genug ist, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihm das Handwerk bietet. Darauf weist Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer hin. Nur würden diese Möglichkeiten leider immer noch zu oft verkannt. Ebenso wichtig ist ihm zu sagen, dass die Ausbildungsbereitschaft der Arbeitgeber auch in der Corona-Pandemie ungebrochen hoch sei. Wüssten doch die Firmenchefs nur zu gut, dass ihr Azubi von heute ihr Facharbeiter von morgen sei. Zudem habe das Handwerk Zukunft und biete sichere Arbeitsplätze.

Wie stark dieser Wirtschaftsfaktor ist, belegt Höfelsauer mit aktuellen Zahlen. Insgesamt 3722 Handwerksbetriebe im Landkreis bieten derzeit 12 349 Personen einen Arbeitsplatz. Im Jahr 2020 summierte sich der Umsatz der Handwerksbetriebe auf 1,52 Milliarden Euro.

Bis Anfang November stellten die Handwerksbetriebe etwa 300 Auszubildende ein, was in etwa der Vorjahreszahl entspricht. Hier zählten diesmal Schreiner und Friseure zu den begehrtesten Berufen, Metzger und Bäcker finden dagegen kaum mehr Nachwuchs. Wegen der Erschwernisse infolge von Corona gilt es im Handwerk als Erfolg, im Ausbildungsbereich den Vorjahresstand einigermaßen gehalten zu haben. Da keine Betriebspraktika angeboten werden konnten, die bewährten Berufsinformationsmessen abgesagt werden mussten, Schulabsolventen infolge von Corona verunsichert waren und damit Bewerbungen nur unter erschwerten Bedingungen möglich waren, sprechen Arbeitsvermittler von einem "Corona-Dämpfer". Ausbilder hoffen, dass sich die Situation für Lehrstellen-Suchende im kommenden Jahr wieder normalisiert.

Zur Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt tragen inzwischen auch Flüchtlinge und deren Kinder bei. Laut der IHK ließen sich in Bayern insgesamt etwa fünf Prozent der Auszubildenden diesem Personenkreis zuordnen. Flüchtlinge einzustellen und auszubilden, gehöre damit für viele Betriebe inzwischen zur üblichen Praxis.

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SZ vom 09.12.2021
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