Süddeutsche Zeitung

Aufklärung:Vom Konto bis zur Kundenkarte

Bei einem Spaziergang durch Germering machen die Grünen darauf aufmerksam, wo überall im Alltag persönliche Daten hinterlassen, gespeichert, gesammelt und verarbeitet werden. Sie appellieren an die Teilnehmer, sich dessen besser bewusst zu werden

Von Luca Thiel, Germering

Die Kameras sind überall. In Bussen, S- und U-Bahnen, in Banken, Geschäften und vielerorts in der Öffentlichkeit. Verena Osgyan, Sprecherin für Datenschutz und Netzpolitik der Landtagsgrünen, spricht ein Thema an, das jeden betrifft, der einkauft, Transaktionen abschließt, öffentliche Verkehrsmittel nutzt und sich schlicht und einfach in der Öffentlichkeit aufhält. Wo überall Daten gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden und welche Probleme und Risiken dabei auftauchen, das will die Sprecherin für Datenschutz zusammen mit dem Landtagsabgeordneten Sepp Dürr und Interessierten an diesem Vormittag in Germering verdeutlichen. Die erste Anlaufstation des "Datenschutzspazierganges" ist die Sparkasse. Der Sprecher des Vorstandes, Klaus Knörr, und Datenschutzbeauftragter Ralf Biniek bitten die Gruppe in einen Versammlungsraum der Bank.

Bei der Datenverarbeitung von Kundeninformationen handle es sich um eine sensible Angelegenheit, so Osgyan. Dass die Sparkasse Finanzdaten sammle und somit ein hohes Datenschutzniveau vorzuweisen habe, erklärt Biniek. Aufgrund der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stehe aber noch viel Arbeit bevor, da ein komplexes, aufwendiges System überarbeitet werden müsse. Die wichtigste Vertrauensgrundlage war das Bankgeheimnis, das abermals durch die Einführung der neuen DSGVO geschwächt wurde. Knöll erwähnt, dass es seitdem grundlose Abfragen und Zugriffe durch staatliche Behörden gegeben habe. Die "Datenkrake" habe zugeschlagen. Am Beispiel der Sparkasse erfahren die Anwesenden, dass die Daten, die man einer Bank gibt, nur für kundeninterne Angelegenheiten benutzt werden. Das Weitergeben an Dritte sei nicht der Fall. Es werde darauf geachtet, dass alle Mitarbeiter den Umgang mit Daten im Geschäftsbetrieb lernten. Außerdem habe jeder Kunde ein Auskunftsrecht, das er bei der Bank einfordern könne. Die Kritik liegt laut Osgyan beim Staat, der für zu wenig Aufklärung sorge. Dürr unterstützt diese Aussage: "Die bayerische Regierung hat die Aufklärung verpennt."

Nach einer halben Stunde geht es weiter zu dem Unternehmen "Docuware". Osgyan und Dürr erklären, dass sie vor dem Firmengebäude von "Docuware" die zweite Station eingeplant haben, weil sie über das Thema "Smarthome" sprechen wollen. Unternehmenschef Jürgen Biffar hatte sich zu diesem Thema befürwortend geäußert. Dies nutzt Osgyan als Anlass für eine Diskussion über intelligente Lautsprecher wie Alexa oder den von Google. Die Datenübertragung habe hierbei ein äußerst hohes Ausmaß. Denn damit der Home-Assistent jederzeit reagieren könne, müsse er ununterbrochen zuhören. Das widerspreche dem Grundsatz der Datensparsamkeit, dass nur wesentliche Informationen gesammelt werden dürften, so Osgyan. Die Kontrolle des Betroffenen über diese Verwendungszwecke sei genauso verlorengegangen wie die in modernen Autos, die persönliche Daten über ihre Besitzer sammelten. Primär geht es der Sprecherin um "informatielle Selbstbestimmung". Denn es gebe ein akutes Transparenzproblem in diesen Bereichen des Lebens. Bei der Verwendung von Home-Assistenten müsse jedoch damit gerechnet werden, dass das Risiko der Datensammlung bestehe.

Die Gruppe setzt ihren Weg fort und bleibt vor einem Lebensmittelgeschäft stehen. "Welche Informationen speichern Supermärkte?", fragt Osgyan. Auf Kundenkarten werden Kaufhistorien angelegt, die über das gesamte Kaufverhalten Auskunft geben. Versprochen werden Rabatte und Gutscheine, im Gegenzug geht das komplette Kaufprotokoll an die Unternehmen.

Anhand der drei Beispiele auf dem Datenschutzspaziergang wollen Dürr und Osgyar an den Verbraucher appellieren, "sein Bewusstsein zu schärfen und sich Gedanken zu machen, was mit seinen Daten geschieht".

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Quelle:
SZ vom 29.08.2018
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