Asylbewerber:Von Obdachlosigkeit bedroht

Lesezeit: 3 Min.

In den Unterkünften des Landkreises Fürstenfeldbruck leben derzeit 1500 Flüchtlinge. Etwa die Hälfte hat darauf keinen Anspruch mehr und müsste aus diesen Quartieren ausziehen. Doch es fehlt an Wohnungen.

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen im Landkreis schon lange kein Thema mehr, das die Menschen bewegt. Doch die Situation ist nach wie vor alles andere als gut. Das meint zumindest Landrat Thomas Karmasin (CSU), der für die Unterbringung von zurzeit etwa 1500 Schutzsuchenden zuständig ist. Er kennt die Lage und bezeichnet diese als nach wie vor sehr prekär. Dafür nennt er zwei Gründe. "Die da sind, bleiben da", sagt er, Abschiebungen gibt es fast nicht. Zudem laufen für viele der vom Landkreis in den Jahren 2015 und 2016 für diese Menschen angemieteten Wohnungen und Objekte demnächst die Verträge aus. Und bis zu einem Viertel der Eigentümer wollen nicht mehr neu an den Landkreis vermieten. Allein deswegen muss das Landratsamt nur in diesem und im nächsten Jahr insgesamt 459 Asylsuchenden und Flüchtlingen eine neue Bleibe verschaffen. Das ist fast jeder Dritte.

Wegen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt stehen kaum Ersatzquartiere zur Verfügung, erklärt der Landkreischef. Konkurriert doch das Landratsamt mit allen anderen Wohnungssuchenden. Von den 1500 Menschen in den Unterkünften des Landkreises sind etwa 700 sogenannte Fehlbeleger. Was die Situation weiter verschärft, weil Fehlbeleger keinen Anspruch mehr auf eine solche Bleibe haben. Als "Fehlbeleger" führt das Landratsamt alle anerkannten Asylbewerber oder solche mit Bleiberecht, die sich eigentlich selbst eine Wohnung suchen müssten, aber nichts bekommen.

Um Notsituationen und Obdachlosigkeit zu vermeiden, wird geduldet, dass diese Fehlbeleger noch für eine Übergangszeit in den Containern oder Wohnungen weiterleben, die ihnen der Landkreis eigentlich nur bis zur Bearbeitung ihres Asylantrags zugewiesen hatte. Aber es bleiben danach weiterhin fast alle, da es bis auf Ausnahmen für die meisten von ihnen unmöglich ist, eine Wohnung zu finden. Nur eines steht fest: Auf Dauer können solche Fehlbeleger nicht in den sogenannten dezentralen Unterkünften des Landkreises leben. Dafür sind die Unterkünfte weder gedacht, noch geeignet. Daher schließt Karmasin nicht aus, dass sich die Kommunen mit der Aufgabe konfrontiert sehen, sich um ihre Fehlbeleger zu kümmern. Wann das sein wird, weiß der Landrat noch nicht.

Zurzeit leben im Landkreis etwa insgesamt 2600 Flüchtlinge. Diese Zahl ergibt sich aus der Addition von etwa 1000 Menschen im Ankerzentrum der Regierung von Oberbayern im Fliegerhorst, 1500 Personen in den dezentralen Unterkünften des Landkreises und weiteren 100, die in der Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Oberbayern in Germering leben. Sorgen bereitet dem Landrat das Flüchtlingsquartier in dem bereits von der Luftwaffe geräumten und ausgegrenzten Teil der Brucker Kaserne, von dem der Landkreis und dessen Kommunen seit Jahren profitieren. Das könnte sich ändern, wenn in vier Jahren der Vertrag der Regierung von Oberbayern mit der Stadt Fürstenfeldbruck über das Ankerzentrum im Fliegerhorst ausläuft.

Geschieht das, "brauchen wir für 1000 weitere Menschen plötzlich Unterkünfte", prognostiziert Karmasin. Was die Situation weiter verschärfen würde. Selbst wenn die Zahl der im Ankerzentrum untergebrachten Menschen schwankt, entlastet das den Landkreis und damit letztlich die Kommunen erheblich. So lange diese Einrichtung besteht, verringert sich die dem Landkreis nach dem Königssteiner Schlüssel von der Regierung von Oberbayern vorgegebene Quote an aufzunehmenden Flüchtlingen um 1000 Personen. Zurzeit erfüllt der Landkreis seine Quote zu 130 Prozent. Er leistet also weit mehr als seine Pflicht.

Der Landkreis Fürstenfeldbruck befinde sich jetzt in einer schlechteren Position als andere, weil er sich frühzeitig bei der Aufnahme von Flüchtlingen kooperativ gezeigt und seine Quote erfüllt habe, stellt Karmasin mit Bedauern fest. Das gleiche gelte für die Gemeinden, die bei der Unterbringung Entgegenkommen zeigten. "Gemeinden, die sich gesperrt haben, waren klug", sagt er.

Eines lehnt der CSU-Politiker Karmasin inzwischen kategorisch ab. Schulturnhallen würde er nicht mehr beschlagnahmen. Das machte er vor drei Jahren. 2016 lebten auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise bis zu 3600 Flüchtlinge im Landkreis. Damals sah sich das Landratsamt Woche für Woche mit der Aufgabe konfrontiert, 80 neu zugewiesenen Menschen ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Diesen Druck gibt es nicht mehr. Obwohl infolge des Flüchtlingszustroms das Landratsamt die Zahl der Mitarbeiter "massiv" erhöhte, wie der Landrat sagt, sei die Belastung sehr hoch geblieben. So arbeiten im Ausländeramt inklusive der Objektbetreuer für die Flüchtlingsunterkünfte nunmehr insgesamt 79 Bedienstete. Davon sind elf Mitarbeiter, die auch im Ankerzentrum tätig sind, ausschließlich mit Asylleistungen befasst.

In den ersten sieben Monaten dieses Jahres hat das Landratsamt von 110 Ausreisepflichtigen einen einzigen ausweisen können. Zehn der im Landkreis untergebrachten Schutzsuchenden haben in dieser Zeit Deutschland freiwillig verlassen. Wegen des moderaten Familiennachzugs und weil Flüchtlingsfamilien Kinder bekommen, konstatiert Karmasin einen leichten Anstieg der vom Ausländeramt der Kreisbehörde Unterzubringenden. In diesem Jahr rechnet das Landratsamt mit 70 Neugeborenen von Flüchtlingen, 2018 waren es 76, 2017 insgesamt 91.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: