Süddeutsche Zeitung

Asylbewerber-Debatte:Puchheimer kritisieren ungleiche Verteilung der Flüchtlinge

Bürgermeister Seidl pocht bei der Versammlung der Anwohner der belegten Turnhallen darauf, dass alle Kommunen ihre Quote erfüllen

Von Peter Bierl, Puchheim

Manche Kommune im Landkreis hat noch keinen einzigen Flüchtling aufgenommen, etliche erfüllen ihre Quote nicht. Aber Landrat Thomas Karmasin (CSU) mag nicht ausschließen, dass dafür in Puchheim drei Unterkünfte eingerichtet werden. Der Bürgermeister verwahrt sich dagegen. Wenn eine Traglufthalle aufgestellt werden sollte, müssen die Schulturnhallen wieder frei werden, verlangte Norbert Seidl (SPD) auf der Anwohnerversammlung am Dienstag.

Die Veranstaltung für die Anwohner der Turnhallen an der Bürgermeister-Ertl-Straße verlief ruhig und sachlich. Etwa 60 Bürger waren zu dem Treffen in die Aula des Gymnasiums gekommen. Ein Mann wollte wissen, wie er helfen könne, was die Flüchtlinge brauchten und ob er einige zum Fußballspielen mitnehmen könnte. Andere Nachbarn sorgen sich, was passiert, wenn die Flüchtlinge in der Halle einen Lagerkoller bekämen. "Kann ich meine kleine Tochter noch draußen spielen lassen", sorgte sich ein Bürger. Andere fragten, ob man nicht ausschließlich Familien in der Halle unterbringen könnte statt alleinstehende Flüchtlinge. Für Schülerinnen könnte es doch unangenehm werden, wenn sie ständig an den jungen Männern vorbeilaufen müssten.

Karmasin entgegnete, dass es im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Fliegerhorst keine Übergriffe gegeben habe. "Wenn es irgendwo ungute Situationen gibt, melden Sie sich", appellierte der Bürgermeister mehrfach an die Teilnehmer. Seidl betonte jedoch, dass die Unterbringung in einer Halle für fast zweihundert Menschen eine Extremsituation darstelle. Es gibt nicht einmal Stühle, wo man sich zusammensetzen könne, im Herbst bei schlechtem Wetter hockten alle aufeinander. "Wenn die Leute in der Halle nicht miteinander auskommen, geht das auch nach draußen. Dann wird es Störungen geben", sagte der Bürgermeister. Erneut sorgten sich Bürger, dass die Turnhalle das Ziel von rechten Angriffen werden könnte. "Dann sitzen wir mitten drin", fürchtete ein Mann. Der Landrat verwies darauf, dass der Sicherheitsdienst mit bis zu neun Personen rund um die Uhr im Einsatz ist. Was Karmasin nicht sagen konnte, ist, wie lange die Turnhallen mit den Asylbewerbern belegt sein werden.

Wie Stunden zuvor auf seiner Pressekonferenz malte der Landrat das Bild einer Flüchtlingsflut an die Wand, sprach von einem "Dammbruch" und zog Vergleiche mit Hochwasser-Katastrophen. "Da wird erst besser, wenn es aufhört zu regnen und es ist unklar, wann die große Politik, diesen Regen eingrenzt", sagte der Landrat. Nach Ansicht Karmasins haben manche Asylbewerber durchaus Fluchtgründe, etwa Iraker und Syrer, während angeblich Menschen aus dem Kosovo hier nur Sozialleistungen abgreifen wollten.

Auf Nachfragen nach der Dauer der Belegung der drei Turnhallen betonte Karmasin: "Ich mache keine Prognosen mehr." Derzeit verhandeln die Stadt und die Kreisbehörde über die Aufstellung einer Traglufthalle entweder auf dem Volksfestplatz oder auf einem Hartplatz am Ortsrand. Der Bürgermeister favorisiert den Hartplatz, betonte allerdings, dass er keine drei Einrichtungen akzeptieren werde. Das wären neben der Traglufthalle die Turnhallen sowie eine Unterkunft im Gewerbegebiet an der Siemensstraße für 160 Menschen.

Seidl machte klar, dass die Kommune nur dann ein Grundstück für eine Traglufthalle zur Verfügung stelle, wenn dafür die Turnhallen wieder frei werden. "Sonst müssen Sie mich hier schon wegprügeln", sagte er dem Landrat. Auch Stadträtin Rosemarie Ehm (SPD), Sprecherin des Asylhelferkreises, erklärte, dass drei Unterkünfte zu viel wären. Bei drei Einrichtungen würde Puchheim etwa 370 Menschen aufnehmen, die Quote liegt bei 240 Menschen. In Gröbenzell sind nach Angaben des Landrates derzeit 67 Flüchtlinge untergebracht, die Quote liege bei 234. Karmasin berichtete, dass in Gröbenzell derzeit ein Platz für eine Traglufthalle gesucht und in Eichenau ein zweiter Standort für eine Unterkunft eingerichtet werde.

"Es gibt im Landkreis lauter nette Menschen, aber keinen Platz", sagte der Landrat zu der ungleichen Verteilung. "Und ich kann kein Rollkommando schicken, das einfach Zelte aufstellt." Allerdings kündigte er an, dass Kommunen, die keine Plätze nachweisen können, damit rechnen müssen, dass er notfalls ihre Bürgerhäuser beschlagnahmen werde.

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SZ vom 06.08.2015
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