Süddeutsche Zeitung

Architektouren:Abbruchreifer Stall wird sehenswertes Pfarrheim

Bei den Architektouren können am Wochenende herausragende Projekte besichtigt werden. Besonders interessant ist der Umbau in Aufkirchen. Dort hat der auf bäuerliche Wirtschaftsgebäude spezialisierte Architekt Benno Bauer moderne Glaskästen in den historischen Bestand verpflanzt

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Einmal im Jahr wählt die bayerische Architektenkammer besonders interessante Bau- oder Sanierungsprojekte überall im Freistaat aus, die dann an einem Wochenende der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erklärt werden. Auch im Landkreis gibt es in jedem Jahr Vorzeigeprojekte, die für die sogenannten "Architektouren" ausgewählt werden. In diesem Jahr sind es drei Orte, die an kommenden Samstag und Sonntag, 23. und 24. Juni besucht werden können.

Parkfriedhof in Olching

In Olching wird die vor zwei Jahren abgeschlossene Umgestaltung des Parkfriedhofs gewürdigt. Denn dort hat der Eichenauer Landschaftsarchitekt Michael Heintz

einen - dem Namen entsprechenden - parkartigen Bereich geschaffen, der sowohl dem Gedenken als auch der Naherholung dient. Im Zentrum befindet sich nun eine weite Grünfläche, die von einem wellenförmigen Pfad durchzogen wird. An dessen Rändern wiederum gibt es Urnenruheplätze. Bei der Gestaltung hat Heintz komplett auf typische, immergrüne Friedhofspflanzen wie Thuje und Buchsbaum verzichtet. Stattdessen finden sich auf dem Gelände nun Walnussbäume, Buchen, Liguster, Lupinen und Wildrosen. Somit verändert sich der Charakter des Friedhofs mit den Jahreszeiten. Als Hilfe zur Einkehr sind die große Steine entlang des Wegesrandes gedacht, auf die Metallplatten mit Zitaten unter anderem von Herbert Grönemeyer, Dietrich Bonhoeffer und Martin Luther zu lesen sind. Von der Wirkung dieses Konzepts können sich die Architektouren-Besucher am Samstag von 14 Uhr an und am Sonntag von 10.30 Uhr an bei einer Führung überzeugen. Treffpunkt ist jeweils am Haupteingang an der Pfarrstraße.

Rathausvorplatz in Emmering

Kontrovers debattiert wurde vor zwei Jahren über die Neugestaltung des Bereichs rund ums Emmering Rathaus. Vielen Bürgern waren die Kosten von 600 000 Euro für die Verschönerung einfach zu hoch. Mittlerweile ist das Areal komplett umgestaltet, Besichtigungstermin während der Architektouren ist am Sonntag, 24. Juni, von 14 Uhr an. Highlight des umgebauten Vorplatzes ist sicher der kleine, künstlich angelegte Bach. Er beginnt in einer Rinne vor dem Rathaus und mäandert dann weiter als naturnaher Bach durch eine Grünzone. Je weiter er sich vom Gebäude entfernt, desto natürlicher ist er gestaltet. Entlang des Rathausanbaus wurde das Gelände neu begrünt, dessen Fassade wurde von zwei Künstlern ansprechend gestaltet. Die dafür verwendeten Plexiglasscheiben haben je nach Standort des Betrachters eine andere Farbe. Sitzbänke und Fahrradständer sollen zum Besuch und zum Verweilen einladen. Der ganze Platz ist nicht nur für geplante und spontane Aufenthalte offen gestaltet, sondern auch so, dass dort bei Bedarf auch Veranstaltungen stattfinden könnten.

Pfarrheim in Aufkirchen

Der wohl eindrucksvollste Umbau allerdings versteckt sich hinter den historischen Mauern des neuen Pfarrheims in Aufkirchen. Denn dort hat der auf bäuerliche Wirtschaftsgebäude spezialisierte Architekt Benno Bauer den denkmalgeschützten Speicher und einen Stall komplett umgebaut - auf spektakuläre Weise. Er hat in die Innenräume der Gebäude jeweils einen großen Glaskasten gebaut. So bleiben die historischen Strukturen nicht nur in ihrer ursprünglichen Form erhalten, sondern die komplette, gewaltige Holzkonstruktion ist in ihrer Größe weiterhin sichtbar und wird damit zum dominierenden Element. Die gläserne Decke des Pfarrsaals über Glasfenster im historischen Dachfirst öffnen zudem den Blick in den Himmel. Drei große, gläserne Tore, als Ersatz für die ehemals hölzernen Scheunentore, ermöglichen den Durchblick in den Innenhof. Breit angelegte Treppen und Gänge ermöglichen dauernd neue Perspektiven auf die verschiedenen Räume und garantieren ein wirklich einmaliges Architekturerlebnis. Besichtigt werden kann das Pfarrheim am Samstag und Sonntag jeweils von 10 bis 16 Uhr. Dass die Gebäude überhaupt noch umgebaut werden konnten, ist übrigens ein kleines Wunder. Denn im Mai 1986 standen schon Bagger bereit, um sie Südseite der Anlage abzureißen. Nur ein Anruf der Pfarrhaushälterin beim Landratsamt, heißt es, habe die Aktion gestoppt. Kurz darauf wurde das Ensemble unter Denkmalschutz gestellt.

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Quelle:
SZ vom 21.06.2018
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