Süddeutsche Zeitung

Arbeitsplatz in halbjähriger Dunkelheit:Forscher im ewigen Eis

Lesezeit: 3 min

Der Germeringer Robert Schwarz hat bereits 15 Winter in der Amundsen-Scott-Südpolstation verbracht

Von Max Grassl, Germering

Ein Ort der Unzugänglichkeit, unzugänglich für fast jedes Leben. Lediglich Bakterien können minus 80 Grad, Schneestürmen, die über eine 4000 Meter dicke Eisschicht hinwegfegen, extremer Trockenheit und halbjährlicher Dunkelheit trotzen. Und genau an so einem Ort, in der Antarktis, wo nahezu nichts existiert, untersuchen Forscher den Ursprung von allem, den Ursprung unseres Universums und des darin beheimateten Lebens.

Einer dieser Wissenschaftler ist Robert Schwarz aus Germering. Zu den Hauptaufgaben des 48-jährigen Astrophysikers gehört die Instandhaltung und Datenerhebung des Teleskopes der Amundsen-Scott-Südpolstation. Er untersucht den Ursprung des Universums und das daraus resultierende Nachleuchten des Urknalls. "Wir schauen quasi 13,8 Milliarden Jahre in die Vergangenheit", erklärt er. Man versucht, ein gewisses Muster in der kosmischen Hintergrundstrahlung nachzuweisen. Das würde als Beweis für die sogenannt Inflationstheorie dienen. "Kern der Theorie ist, dass sich das frühe Universum innerhalb der ersten Sekunde exponentiell ausgedehnt hat", erklärt der Forscher. Für seine Kollegen und ihn sei das der heilige Gral der Kosmologie. Denn viele Ungereimtheiten, die mit dem Urknallmodell einhergehen, würden sich mit dem Beweisen der Theorie sehr elegant lösen.

Er selbst werde darauf aber wohl nicht mehr stoßen: Sein letzter Winter am Südpol steht bevor. Mit seinen bislang 15 Überwinterungen und fünf Sommeraufenthalten ist Stefan Schwarz der Mensch, der die längste Zeit in der Südpolstation verbracht hat. Dass er eine so lange Zeit dort sein wird, hat er 1996 nicht geahnt. Aus einem Zufall heraus sei er auf die Ausschreibung, die am Schwarzen Brett im Gang des Max-Planck-Instituts für Physik hing, gestoßen. Anfangs bat er in einer E-Mail nur nach näheren Informationen. Als Antwort bekam er einen Einzeiler, dass er doch bitte Lebenslauf und drei Referenzen schicken solle. Eine Woche später hatte er ein Jobangebot. Ende Februar, zum Anfang der Winterzeit in der Antarktis, flog er ans andere Ende der Welt. Von Neuseeland aus werden er und seine rund 40 Kollegen mit Militärflugzeugen zur US-Forschungsstation McMurdo an der Küste gebracht. Von dort wird er drei Stunden mit einem Lockheed C-130 Transportflugzeug, mit vier Propellern und Kufen an der Unterseite, zur Amundsen-Scott-Station geflogen.

Lediglich zur Hin- und Abreise wird die Forschungseinrichtung von einem Flugzeug angesteuert. "Man ist auf gewisse Weise von der Außenwelt abgeschnitten. Es ist wie auf einem anderen Planeten," so Schwarz. Sollte es zu schwereren Krankheiten kommen, könne es schnell zu einem äußerst ernst zu nehmenden Problem werden. Vor Ort gibt es zwar eine Krankenstation, die mit einem Arzt und einer Assistentin besetzt ist, dennoch gab es schon drei Fälle, bei der die Einrichtung an ihre Grenzen gestoßen ist. In den Jahren 2001, 2003 und 2016 musste wegen schlimmer Krankheitsfälle eine "Mid-Winter-Evakuierung" veranlasst werden. Das benötige eine zweiwöchige Vorlaufzeit und sei extrem aufwendig. Denn bei der Kälte sei alles schwieriger: Stromkabel des Flugzeugs brechen und Tankschläuche werden steif. Der Pilot selbst muss in der Dunkelheit nahezu blind auf einer Eisfläche landen.

Nicht nur solche Ernstfälle sind akribisch und rational bis auf das kleines Detail durchgeplant. Auch das Leben auf der Station unterliegt vielen Vorgaben: Zweimal die Woche darf für je zwei Minuten geduscht werden. Die Zimmer sind gerade einmal zwei mal drei Meter groß, das sei kleiner als die Mindestzellengröße für Strafgefangene in den USA. Frisches Obst und Gemüse seien, vor allem gegen Ende des Winters, extrem rar. Vitamin D muss, da es keine Sonneneinstrahlung gibt, mit Pillen ersetzt werden.

Trotz dieser Einschränkungen und der spartanischen Lebensbedingungen ist Schwarz sehr gerne auf der Station. Mit der durchgehenden Dunkelheit habe er sich arrangiert und langweilig werde ihm auch nie. Das liege vor allem an seinem rund 40-köpfigen Team, das für ihn zu einer Familie geworden sei. Man spiele Volleyball in der Turnhalle, schaue Filme, spiele Brettspiele und lehre sich gegenseitig Kompetenzen: Unter anderem finden Schweißkurse statt und Schwarz selbst gibt eine Einführung in die Astrophysik.

Am Mittwoch, 16. Januar, findet in der Aula des Carl-Spitzweg-Gymnasiums in Germering ein Vortrag von Robert Schwarz zum Thema "Das Leben im ewigen Eis" statt.

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Quelle:
SZ vom 16.01.2019
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