Angemessener Verdienst :Kleiner Schritt Richtung Gleichberechtigung

Der Gesetzentwurf zur Lohngleichheit von Männern und Frauen soll mehr Transparenz und so letztlich auch eine einheitliche Bezahlung bewirken. Im Landkreis würde es 17 Unternehmen betreffen

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Über Geld spricht man nicht, sagt eine veraltete Verhaltensregel, die sich bis heute hartnäckig in Deutschland hält. Dass Geld, vor allem das eigene Einkommen, tabu ist, erleichtert freilich die Ungleichheit bei der Bezahlung von Männern und Frauen. Deshalb soll ein neues Gesetz Arbeitnehmern in Betrieben mit 200 und mehr Mitarbeitern ein Auskunftsrecht erteilen, das ihnen ermöglicht zu erfahren, wie viel Kollegen in vergleichbarer Stellung verdienen. Und ihnen so für die nächste Gehaltsverhandlung eine bessere Position an die Hand zu geben. Doch wie weit hilft eine solche Regelung den Frauen im Landkreis? Nicht allzu viel, wie eine Umfrage in Unternehmen im Kreis verdeutlicht. Ein Großteil des Problems hat mit den unterschiedlichen Erwerbsbiografien von Männern und Frauen zu tun.

Die Gewerkschaften DGB und Verdi begrüßen den Gesetzentwurf von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD), der nun vom Kabinett beschlossen wurde und noch vor den Bundestagswahlen verabschiedet werden soll, weil er mehr Transparenz schafft und mit dem Tabu bricht, über Geld zu reden. Allerdings machen sie auch deutlich, dass das Gesetz nur ein kleiner Baustein sein könne, um ein komplexes Problem zu verbessern. Denn laut Statistischem Bundesamt haben Frauen im Jahr 2015 im Schnitt zwar 21 Prozent weniger verdient als Männer. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen aufsteigen und stärker in sozialen Berufen mit geringeren Verdiensten arbeiten, beträgt die Lücke nur noch sieben Prozent. "Wir finden das unverständlich, warum man besser bezahlt wird, wenn man mit Autos arbeitet, als wenn man mit Menschen arbeitet", verweist die Landesfrauensekretärin von Verdi München, Bettina Messinger, auf eines der Grundprobleme: die niedrigen Gehälter von Erzieherinnen und Altenpflegern oder Krankenschwestern.

Für 17 IHK-Betriebe im Landkreis wird das noch zu verabschiedende Gesetz relevant sein, wie der Chef der IHK Fürstenfeldbruck-Dachau erläutert. Michael Steinbauer, der bei der Firma Doka in Maisach Personalleiter ist, fürchtet durch die Auskunftspflicht "einen gewissen Bürokratieaufwand, gerade auch in Firmen ohne Personalabteilung". Wenn mehrere Mitarbeiter erfahren wollten, was Kollegen in ähnlichen Positionen verdienten, brauche man schon einen gewissen Zeit- und Personalaufwand, um solche Fragen zu beantworten. "Das kann mit Sicherheit mal eine Teilzeitstelle sein", vermutet er. In der Doka, die in Maisach 150 Mitarbeiter vor allem in von Männern dominierten Bereichen wie Ingenieurswesen beschäftigt, "ist das Geschlecht total außen vor, da spielt eher die Erfahrung eine Rolle".

Auch für die großen Arbeitgeber im Landkreis wie das Landratsamt mit knapp 700 Beschäftigten oder die Sparkasse mit 750 Mitarbeitern wird das neue Gesetz keine Auswirkungen haben, da sie nach Tarifvertrag bezahlen; beide Arbeitgeber beschäftigen übrigens etwas mehr als 60 Prozent Frauen. Laut DGB-Gewerkschaftssekretärin Natascha Almer, zuständig für die Region München, gelten praktisch für alle größeren Unternehmen Tarifverträge; eine ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen wird dort von vornherein ausgeschlossen. Deshalb hätten Almer und Messinger es gerne gehabt, dass das Gesetz nicht erst für Betriebe ab 200 Mitarbeiter gilt. Auch ein Verbandsklagerecht und noch ein paar andere Details wären aus Gewerkschaftssicht wünschenswert gewesen. Doch sowohl beim DGB als auch bei Verdi bewertet man den Gesetzentwurf als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. "Das Gesetz ist wirklich nur etwas für diese sieben Prozent", verweist Almer auf den bereinigten Lohnunterschied. Um die 14 Prozent große Lücke zur Gesamtdifferenz zwischen Männern und Frauen zu schließen bräuchte es nach ihrer und Messingers Einschätzung noch vieles mehr, unter anderem das ebenfalls zurzeit entstehende Gesetz für Wiedereinsteigerinnen, die nach der Babypause endlich ein Recht auf eine Vollzeit-Beschäftigung bekommen sollen.

"Diese Lohnungleichheit zu überwinden ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", findet Stephan Reinhold. Der Geschäftsführer von Cewe Color beschäftigt 250 Mitarbeiter, darunter zwei Drittel Frauen. Für den Geschäftsführer ist es selbstverständlich, Menschen nach ihren Fähigkeiten zu entlohnen, nicht nach ihrem Geschlecht. In dem Betrieb in Germering gilt freilich auch ein Tarifvertrag. Zu dem Gesetzentwurf hat Reinhold eine ganz klare Meinung: "Ich finde diese Lohn- und Gehaltstransparenz absolut richtig", einen großen Aufwand könne er dahinter nicht erkennen.

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