Süddeutsche Zeitung

Andere Länder, andere Sitten:Das dringlichste Geschäft der Welt

Lesezeit: 3 min

Der Olchinger Hans-Joachim Gregor öffnete am internationalen Toilettentag wieder Besuchern sein "Klomuseum"

Von Katharina Knaut, Olching

Was geschieht, wenn in der Amperstadt die Toiletten fehlen? Die Antwort darauf lieferte eine Frau bei der Bürgerversammlung in Esting. Sie klagte über Männer und Frauen, die den Parkplatz an der S-Bahn in Esting regelmäßig als Erleichterungsort zweckentfremden.

Dabei ist in anderen Ländern das Geschäft im Freien nicht ungewöhnlich. Wenn nichts anderes vorhanden sei, muss man eben nehmen, was es gebe, sagt der Olchinger Hans-Joachim Gregor. Wie kreativ die Menschen werden können, wenn ihnen der Zugang zur Toilette oder handelsüblichen Hygieneartikeln fehlt, darüber weiß wohl kaum jemand so gut Bescheid wie er. Gregor ist der Betreiber des "kleinsten privaten Klomuseums der Welt", das er in seinem schmalen Klosett eingerichtet hat und das er anlässlich des Welttoilettentages für Besucher geöffnet hatte. Sämtliche Wände des winzigen Raumes sind gefüllt mit gerahmten Bildern, Textausschnitten sowie Gegenständen unterschiedlichster Art, die dokumentieren, wie die Menschen mit dem essenziellen Bedürfnis des Toilettengangs umgehen.

Da ist ein dickes Schiffstauende, ein Tampen, der direkt neben der Tür angebracht ist. Diesen haben Matrosen ins Meer gehängt, erzählt Gregor. Hatten sie ihr Geschäft verrichtet, zogen sie ihn hinauf und konnten sich mit dem nassen Tau säubern. Besonders stolz ist Gregor jedoch auf eine silberne Blechdose, die an einer Schnur von der Wand baumelt. Sie steht symbolisch für das Erlebnis, das ihn zu seinem ungewöhnlichen Hobby veranlasste.

Gregor ist Paläontologe, spezialisiert auf Früchte und Samen. Als Freiberufler richtet er Museen ein, hält Vorträge und publiziert. Für die Arbeit reiste der inzwischen 76-Jährige in die verschiedensten Länder, nach Guatemala, Indien, sogar durch die Sahara in Ägypten. Dort ergab es sich 1976, dass Mitreisende an einem Abend mit leeren Konservendosen in die Wüste verschwanden und ohne sie wieder zurückkamen. Er habe gefragt, wofür sie die Dosen verwendeten, erzählt Gregor. "Sie antworteten daraufhin: Zum Abputzen!" Seitdem erforscht er, wie man in anderen Kulturen auf die Toilette geht. Viel lernte er auf seinen Reisen, andere Geschichten erfuhr er aus Büchern. Ein türkischer Autor habe beispielsweise beschrieben, wie Kieselsteine als Hygieneartikelverwendet werden, erzählt er. Immer mehr Gegenstände wurden Teil seiner Sammlung: Klopapier aus der DDR. Mönchskordeln, sogar ein Gänsehals, ein Objekt, das von dem Zaren Peter der Große bevorzugt zum Säubern verwendet wurde.

Im Jahr 2001 weihte Gregor schließlich sein Museum ein, vor zwei Jahren öffnete er es anlässlich des Welttoilettentages das erste Mal für Besucher. Etwa 80 bis 100 Menschen kamen den Tag über, um die ungewöhnliche Sammlung zu bestaunen, so Gregor. Natürlich wundern sich auch einige über das ungewöhnliche Hobby des Paläontologen. Häufig werde er gefragt, ob er damit ernst genommen werde, sagt Gregor. "Das werde ich nicht. Genügend Leute sagen: Du tickst doch nicht ganz richtig." Er nimmt das mit Humor, richtig ernst sieht er sein Hobby schließlich auch nicht: "Es macht einfach Spaß."

So finden sich in seinem Klomuseum auch Gegenstände, die streng genommen nicht zur Ausstellung gehören, wie beispielsweise der Handtuchhalter in Form eines Oldtimers. Oder eine seiner neuesten Errungenschaften: Die "Klobrille", eine Vorrichtung, auf die Gregor eine Brille platziert hat. Zum Lesen, wie er verrät.

Material, um sich auf dem stillen Ort die Zeit zu vertreiben, hat er genug: Auf einem Regal über dem Klosett steht eine Reihe von Bänden, die sich mit dem Thema Toilette auseinandersetzen. Bald könnte dort auch ein Buch von Gregor Platz finden: Er arbeitet an einer Publikation, in der er Begrifflichkeiten und Definitionen aufführt und sich unterschiedlichen Hygieneartikeln widmet.

Durch die Beschäftigung mit dem Thema habe er auch viel über andere Nationen gelernt, sagt Gregor. In Libyen und Indien werde beispielsweise ausschließlich mit der rechten Hand gegessen. Die Linke werde dabei nicht genutzt, da diese zum Reinigen nach dem Stuhlgang verwendet wird.

In Japan ist der Toilettengang grundsätzlich ein Tabuthema: Dort werde auf stillen Orten sogar Musik gespielt, um unangenehme Geräusche zu übertönen, erzählt Gregor. Auch die Deutschen genieren sich mehr als andere Nationen, so der Wissenschaftler. Er selbst hat sein Schamgefühl nach seinen vielen Expeditionen in andere Länder mittlerweile abgelegt: "Man muss einfach für alles offen sein."

Einige Grenzen zieht er für sich aber doch: In der Türkei habe er bei einem Händler Toilettenpapier gesehen, auf dem der Kopf von Angela Merkel abgebildet war. Das gehe zu weit, sagt er. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Wäre es der Trump gewesen, hätte ich es wahrscheinlich gekauft."

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Quelle:
SZ vom 20.11.2019
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