Fürstenfeldbruck:Kinderpornos bei Offiziersanwärter

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Vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck gesteht der Verteidiger des Angeklagten gleich zu Beginn der Verhandlung sämtliche Vorwürfe. (Foto: Jana Islinger)

Das Amtsgericht verurteilt einen 29-Jährigen zu sieben Monaten auf Bewährung. Grund sind Bild- und Videodateien auf einer SD-Speicherkarte, die dem Angeklagten zugeordnet wird.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Wie kommt eine Mikro-SD-Speicherkarte von Hamburg nach Fürstenfeldbruck, und dort auch noch in die nicht öffentlich zugängliche Schule für Offiziersanwärter im Fliegerhorst? Die Frage steht im Zentrum einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck. Es geht um den Besitz von kinderpornografischem Bildmaterial, auf der Anklagebank sitzt ein 29 Jahre alter Mann, der eigentlich Kampfpilot werden will. Seit Ende 2020 liegt seine Ausbildung auf Eis, vom Ausgang der Verhandlung hängt sein weiterer beruflicher Werdegang ab.

Die Verteidigungsstrategie des Angeklagten und seines Anwalts: leugnen und bestreiten. So unterstreicht der 29-Jährige, stehend und mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, dass er nicht verantwortlich für die 155 kinderpornographischen Bild- und Videodateien auf dem fraglichen Speicherchip sei. Er habe die Karte 2016 verloren und sich am 28. Juni eine neue bestellt. Letzteres kann der Hamburger noch belegen. Seit er im November 2020 "unschön geweckt" worden sei, wie er etwas verschnupft auf die Durchsuchung seiner persönlichen Sachen anspielt, ruhe seine Karriere, seine Bezüge seien deutlich gekürzt worden. Er endet mit den Worten: "Das ist die Situation, die ich seit zweieinhalb Jahren erdulden muss."

Strafbare Inhalte

Gefunden wurde die Speicherkarte am 30. Oktober 2020 etwa um 9 Uhr auf dem Flur der Offiziersschule von zwei anderen Offiziersanwärtern, die den Angeklagten beide nicht kennen. Alle drei hatten zum Monatsanfang ihre sechswöchige Ausbildung in Fürstenfeldbruck begonnen. Wie die inzwischen ausgebildeten Offiziere als Zeugen im Amtsgericht aussagen, checkten sie seinerzeit nur kurz deren Inhalt, bemerkten dass diese strafbare Inhalte enthielt und übergaben sie gegen elf Uhr an ihren Vorgesetzten. Der wiederum brachte sie der Polizei. "Also zwei Stunden ungefähr", rechnet der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer vor, hatten die Zeugen das Medium in ihrem Besitz.

Bekannt im Landkreis, aber nicht öffentlich zugänglich: die Offizierschule der Luftwaffe. (Foto: Eduard Wagner/Offizierschule der Luftwaffe)

Er habe "massenhaft" Daten, auch persönliche Daten, Urlaubsfotos, Fotos von Manövern, Rechnungen sowie die Daten einer EC-Karte des Hamburgers gefunden, berichtet ein Sachbearbeiter der Kriminalpolizei, der das Speichermedium auf seinen Inhalt untersucht hatte mit der Absicht, den ursprünglichen Besitzer ausfindig zu machen. Der Angeklagte habe zweifelsfrei identifiziert werden können, resümiert der Zeuge. "Alles, was an privaten Daten von meinem Mandanten gefunden wurde, ist von davor", betont der Verteidiger, dass der 29-Jährige den Chip 2016 verloren habe.

Entscheidend für die Einordnung der Fakten ist die Auswertung der Speicherkarte sowie der weiteren, von der Polizei bei dem Hamburger beschlagnahmten digitalen Medien. "Ausschließlich auf der SD-Karte", erklärt der Sachverständige, wurden kinderpornografische Inhalte entdeckt. Zuletzt genutzt vor dem Fund im Oktober 2020 wurde sie Anfang August 2016. Ende Juli, in einem Zeitraum von neun Tagen, wurden die meisten der inkriminierten Dateien auf das Speichermedium geladen. Genau in dieser Zeit wurde auch ein Selfie des Angeklagten hochgeladen, berichtet der Experte. Spuren späterer Nutzung habe er keine entdeckt. Eine Manipulation sei zwar "technisch möglich", aber das müsse schon jemand sein, "der exakt weiß, wie das geht", fasst der Gutachter zusammen.

Bild eines Säuglings

Allein die technische Möglichkeit einer Manipulation begründet weder beim Staatsanwalt, noch beim Richter genügend Zweifel an einer Täterschaft des Angeklagten. "Die beiden Zeugen kennen den Angeklagten gar nicht", weshalb sollten sie sich die Mühe machen, einen Unbekannten mit gravierenden Vorwürfen zu belasten, fragt der Ankläger. Zudem habe der Hamburger in einer ersten Einlassung den Verlust der Karte auf Ende 2016 datiert. Er beanstandet, dass der bislang nicht vorbestrafte Angeklagte die Vorwürfe bis zuletzt bestritt und dass unter den Bildern auch das eines ein Jahr alten Säuglings war, somit also "die schwerste Form des sexuellen Missbrauchs" dargestellt wurde. Der Staatsanwalt beantragt elf Monate Haft, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, sowie 5000 Euro Geldauflage.

Der Verteidiger beruft sich auf den Sachverständigen und beantragt einen Freispruch. Sein Mandant habe die Speicherkarte vor mehr als sechs Jahren verloren, praktisch jeder hätte danach die Kinderpornos draufladen und das Medium so manipulieren können, dass die Downloads dem früheren Besitzer zugeordnet werden. "Theoretisch ist alles möglich", spielt der Richter auf die Ausführungen des Sachverständigen an. Aber wer und vor allen Dingen warum sollte sich jemand die Mühe einer solchen, nicht ganz unaufwendigen Manipulation machen: "Es gibt überhaupt keinen Grund dafür", unterstreicht er.

"Das ist aus richterlicher Sicht absurd", sagt Steigmayer und nennt die Ausführungen des Angeklagten "völlig abstrus". Er verweist darauf, dass die Speicherkarte just dann in der Offizierschule gefunden wurde, als auch der Hamburger dort seine Ausbildung machte. "Der Angeklagte ist da rumgelaufen und hat sie verloren", ist der Richter überzeugt. "das ist die einzige vernünftige Erklärung". Er verhängt eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten sowie 3000 Euro Geldauflage. Und gibt zu bedenken, dass die Strafen für Kinderpornografie inzwischen deutlich angehoben wurden und der 29-Jährige "mit ziemlicher Sicherheit seinen Lebenstraum nicht mehr erfüllen können wird".

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