Süddeutsche Zeitung

Fürstenfeldbruck:Missbrauch beim Homeschooling

Schöffengericht verhängt zwei Jahre zur Bewährung gegen 69-jährigen Puchheimer, weil er sich an seiner Enkelin verging.

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

"War dein Opa auch schon mal komisch?" Mit dieser Frage, gerichtet an seine "Tante", hat ein damals elf Jahre altes Mädchen sich an eine vertraute Person gewandt. Und ihr erzählt, dass der Großvater sie an Stellen angefassst hat, die für ihn tabu sein sollten. Heute, eineinhalb Jahre später, sitzt der 69-Jährige auf der Anklagebank des Brucker Schöffengerichts. Sexueller Missbrauch eines Kindes in 16 Fällen lautet der Vorwurf. Neun Vorfälle gesteht der Rentner schließlich ein. Das Gericht verhängt gegen den verheirateten, nicht vorbestraften Puchheimer eine zweijährige Freiheitsstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, sowie eine Geldauflage in Höhe von 5000 Euro zu Gunsten der Enkelin.

Die damals Zehnjährige und ihre jüngere Schwester verbrachten während der Pandemie viel Zeit bei den Großeltern in Puchheim. Da die Familie in einem anderen Landkreis lebt, übernachteten die Kinder auch oft dort. Wie die Mutter, 26, in der Verhandlung erläutert, hatten sie und ihr Mann wegen ihrer Arbeit keine Zeit, sich tagsüber ständig um die Kinder zu kümmern. Zudem habe der Großvater als ehemaliger Elektrikermeister bei den Schularbeiten helfen können. Weil die Schwestern aber zunehmend miteinander in Streit gerieten, verbrachten sie von Frühjahr 2021 an abwechselnd je eine Woche alleine bei den Großeltern im Homeschooling.

Der Anklage zufolge hatte der Puchheimer seiner Enkelin beim zu Bett bringen über einen Zeitraum von mehreren Monaten 16 Mal unter ihren Pyjama gegriffen und sie gestreichelt. Im Herbst 2021, kurz nach seinem elften Geburtstag und einem gemeinsamen Urlaub mit der Schwester und den Großeltern, hatte sich das Mädchen ihrer "Tante", einer engen Freundin ihrer Mutter, anvertraut.

Zu Beginn des Prozesses ziehen sich die Prozessbeteiligten für 40 Minuten zu einem Rechtsgespräch zurück. Im Falle eines umfänglichen Geständnisses ziehe das Gericht eine Bewährungsstrafe zwischen eineinhalb und zwei Jahren in Betracht, verkündet der Vorsitzende Richter Johann Steigmayer schließlich das Ergebnis.

"Ich wollte ihr Wärme geben", erklärt der Angeklagte, der seit einiger Zeit wegen seiner Übergriffe einen Psychotherapeuten aufsucht. "Es kann schon sein, dass es dann zu weit gegangen ist", räumt er ein und berichtet, sich manchmal zu seiner Enkelin ins Bett gelegt zu haben. Vom Richter nach seiner jetzigen Meinung gefragt, sagt der 69-Jährige: "Es war falsch." "Dieses Verhalten ist jenseits von Gut und Böse", kommentiert Steigmayer.

Das Urteil, eine zweijährige Bewährungsstrafe, wegen neun Fällen des sexuellen Kindesmissbrauchs, entspricht den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Letztere beantragt allerdings für die Dauer der Bewährung lediglich betreuten Umgang für den Puchheimer und seine Enkelin. Die Schöffenrichter hingegen verhängen für die drei Jahre ein Kontaktverbot. Außerdem muss der 69-Jährige eine staatlich anerkannte Sexualtherapie machen.

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