Süddeutsche Zeitung

Kultur:Klangerlebnis mit Augenzwinkern

Gefeiertes Gastspiel des Gesangsensembles Aamarcord im Fürstenfeldbrucker Stadtsaal

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Der Titel des Konzerts hätte "Wein, Weib und Gesang" lauten können. Aber was will man auch erwarten, wenn ein Gesangsquintett aus lauter Männern auf der Bühne steht? Drei Sänger des Leipziger Ensembles Amarcord, das inzwischen seit dreißig Jahren besteht, sind Gründungsmitglieder. Schon mehrfach war die Gruppe im Landkreis zu hören, jetzt gastierte sie wieder im Rahmen der "Fürstenfelder Konzertreihe" im Stadtsaal. Tatsächlich lautete das Motto des Programms "Sérénade d'hiver", also jahreszeitlich passend "Winterserenade". Der Alkohol diente von daher der inneren Erwärmung und die Liebesgeschichten endeten überproportional enttäuschend.

Wolfram Lattke und Robert Pohlers (Tenor), Frank Ozimek (Bariton) sowie Daniel Knauft und Holger Krause (Bass) strahlen so viel musikalische Professionalität, Bühnenpräsenz und Eleganz aus, dass es fast egal ist, was sie singen: Die Zuhörer hängen ihnen an den sprichwörtlichen Lippen, weil man sich dem Sog des wunderbaren Stimmklangs gar nicht entziehen kann.

Eindrucksvoll wurde dadurch deutlich, was alle Instrumentalisten anstreben, nämlich einen Ton, der der menschlichen Stimme möglichst nahe kommt. Dass die Reinheit der Intonation und der perfekt verschmelzende Klang mehrerer Stimmen trotzdem noch stärker fesselt, demonstrierte Amarcord an diesem Abend. Und dabei ist es nicht einmal von Bedeutung, aus welcher Zeit und in welchem Stil ein Stück komponiert ist, ein Glücksgefühl stellt sich fast unabhängig davon ein.

Die erste Konzerthälfte war Kompositionen aus der Romantik gewidmet, zu Beginn erklang "Saltarelle" von Camille Saint-Saëns. Aus der Kombination aus Text und Klangsilben ergab sich ein abwechslungsreich-schwungvolles Musizieren, das als akustische Illustration des Karnevals in Rom wahrgenommen werden konnte. Bei den beiden Stücken von Edvard Grieg hatte vor allem das erste ("Bådn Låt") lautmalerischen Reiz: Die Geschichte einer Katzenfamilie enthielt auch vielerlei Miau-Laute in verschiedenen Stimmungslagen. Inhaltlich deftig, doch musikalisch charakteristisch und edel zugleich war das Lied "Feuer her!" von Carl Reinecke mit der originalen Anweisung "im Wirthshause zu singen". Lockeres Parlando und schwärmerische Akkorde verbanden sich hier zu einem kurzweiligen Vergnügen, das die übertragene Bedeutung des Begriffs Feuer eindrucksvoll verdeutlichte.

Franz Schuberts Klangkosmos kann eine sehr verinnerlichte Kraft ausstrahlen. In "Ruhe, schönstes Glück der Erde" entspann sich ein ganz intensiver Legato-Klang zwischen den Stimmen, dessen Ausdrucksreichtum durch die sorgsame dynamische Balancierung noch an Tiefe gewann. Deutlich der enthemmenden Seite des Alkoholgenusses zugetan war das Lied "Liebe und Wein" von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Fragen die der angetrunkene Bass Holger Krause hier stellte, wurden vom nüchternen Quartett launig beantwortet.

Nach der Pause folgten Folksongs und Songs in eigenen Arrangements, dem Ensemble also quasi in die Kehlen geschrieben. Mit einer Reise durch verschiedene Kontinente und Länder führte Amarcord seine Zuhörer in verschiedene Klangwelten ein. An keiner Stelle wurde die künstlerische Stimmigkeit in Frage gestellt, das oftmals zu beobachtende Augenzwinkern übertrug sich selbstredend und nahtlos auf das Publikum.

Begeisterten Applaus gab es am Ende, so dass zunächst noch eine Zugabe folgte. Die zweite Zugabe war dann eine Mini-Lehrstunde, wie ein musikalischer Satz dadurch entsteht, dass eine Stimme nach der anderen hinzukommt. Dadurch stieg nicht nur das Klangerlebnis durch mehr Fülle an, vielmehr wurde deutlich, dass der Gesamtklang von "amarcord" mehr ist als die Summe seiner Einzelstimmen.

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