Süddeutsche Zeitung

Allinger Kornkreis:Vom Feuerteufel bis zum Plasmawirbel

Das Muster in einem Biburger Getreidefeld weckt die menschliche Leidenschaft, das Unerklärliche zu verstehen. Auch die Beauftragten für Weltanschauungsfragen der beiden Landeskirchen versuchen eine Deutung des Phänomens

Von Monika Kalisch, Alling

Kornkreise wie in Biburg faszinieren die Menschen jedes Jahr, besonders zur Hochzeit im Sommer. Denn kurz bevor die Ernte ansteht, tritt das Phänomen verstärkt auf. Und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, allein in diesem Jahr zählt das Forum für Grenzwissenschaften und Kornkreise 59 Fälle. Die Muster, die innerhalb von Kreisen in den Getreidefeldern über Nacht auftauchen, befeuern die unterschiedlichsten Weltanschauungen. Herkunft und Entstehung blieben jedoch stets ungeklärt. Neben natürlichen oder menschlichen Deutungsversuchen wird auch das Thema "überirdisches Leben" in diesem Zusammenhang immer wieder genannt und als Grund für das Phänomen angeführt. Mit dieser transzendentalen Spurensuche sehen sich auch immer wieder die Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München-Freising wie der evangelisch-lutherischen Landeskirche, Axel Seegers und Matthias Pöhlmann, konfrontiert.

Vom Allinger Kornkreis habe er in der Zeitung gelesen, sagt Axel Seegers. Er erklärt, es gebe keine feste Bedeutung der Muster, die symbolische Deutung liege "im Auge des Betrachters". Außerdem kann man das Phänomen der Kornkreise seiner Meinung nach nicht verallgemeinern: "Es gibt eine Vielzahl von Kornkreisen, die alle verschiedene Formen, Deutlichkeiten und Darstellungen haben. Das heißt, die Umsetzung variiert. Es gibt also nicht nur einen Grund für alle Fälle." Das Muster in Alling sei beispielsweise sehr geometrisch, es gäbe allerdings auch ganz andere Fälle. Matthias Pöhlmann erinnert der Kornkreis in Alling an das Symbol der ufologischen "Rael-Bewegung".

Die ersten Kornkreise wurden 1978 in Südengland dokumentiert, "das Ganze verbreitete sich dann wie ein Lauffeuer", sagt Matthias Pöhlmann. Es gebe auch Berichte aus dem Mittelalter über dieses Phänomen, fügt Seegers an. So soll schon im 16. Jahrhundert die Rede von "mähenden Feuerteufeln" gewesen sein. "Als Vorsichtsgeschichte vor dem Teufel wurde diese Erzählung über Generation weitergegeben", erzählt der katholische Beauftragte, "die Menschen sind immer auf der Suche nach Erklärungen für scheinbar Unerklärliches. Früher hatten sie den Teufel, heute nehmen sie Außerirdische". Der 47-Jährige betont, er glaube an überirdisches Leben. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass anderen Lebensformen im Kosmos existieren, seinen wesentlich größer, als dass es keine gebe. Jedoch halten Seegers und Pöhlmann die Erklärung, dass Außerirdische mit Hilfe von Kornfeldern kommunizieren wollen, für unrealistisch. "Wenn es überirdisches Leben gibt, gäbe es sicher andere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme", sagt der 51-Jährige Pöhlmann. Die zwei Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten sind der Meinung, es handle sich bei Kornkreisen um ein "irdisches Phänomen". Wettereinflüsse, die Beschaffenheit des Bodens, die landwirtschaftlichen Tätigkeiten und Anomalien wie Plasmawirbel oder elektromagnetische Einflüsse müssten immer bedacht werden, sagt Seegers. Außerdem könnte es auch ein menschliches Werk sein, "aus Jux oder künstlerischem Gedanken". Pöhlmann denkt, dass die Muster mit Hilfe von entsprechenden Utensilien wie Pflöcken und Leinen von Menschen gefertigt wurden.

Jedoch kann Axel Seegers auch verstehen, dass manche Menschen hinter dem Phänomen Übernatürliches vermuten. "Wenn Menschen auf ein außergewöhnliches Phänomen in der Natur stoßen, beginnen sie über den Sinn des Lebens nachzudenken. Sie sind dann leichter anzuregen und fokussieren sich darauf. Und so können sie sich einfacher auf ein Thema einlassen." Die Unklarheit darüber mache die Sache schöner, wenn der Zauber erst verflogen sei, wirke alles viel nüchterner, erklärt Seegers. Man dürfe aber nicht vergessen, dass bei Kornkreisen immer fremdes Eigentum zerstört würde, sagt er.

Zum Allinger Kornkreis pilgern trotz allem jeden Tag viele Leute, manche aus reinem Interesse an dem Ereignis, andere der Idee von überirdischem Leben nachzugehen und dieser näherzukommen. Lange kann die Stätte aber wahrscheinlich nicht mehr besucht werden, denn das restliche Getreide wird bald geerntet werden.

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Quelle:
SZ vom 23.07.2015
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