Alle drei Jahre wieder:Allinger Nachtwache

Für ihren Maibaum hat die Landjugend seit 40 Jahren dasselbe Versteck. Gestohlen wurde er aber noch nie

Von Ariane Lindenbach, Alling

Die Tage vor dem 1. Mai sind eine spezielle Zeit. Junge Männer schicken Kundschafter aus in Nachbarorte, um herauszufinden, wo die Maibäume liegen. Andere treffen sich Nacht für Nacht, um zu verhindern, dass der Klau funktioniert. Deshalb ist das Versteck für den Maibaum in diesen Tagen ein gut gehütetes Geheimnis. Manche Akteure ersinnen Jahr für Jahr ein neues Versteck. Die Brucker Burschen etwa versteckten ihren 2014 im Fliegerhorst. Selbst dort wurde der symbolträchtige Baumstamm von den Unterbrunnern geklaut. Wie, das ist bis heute ein Rätsel geblieben.

Solche Probleme kennt man in Alling nicht. In der Gemeinde am Südrand des Landkreises lagert der Maibaum immer an der gleichen Stelle - seit Jugendliche Ende der Siebzigerjahre diesen Brauch wiederbelebt, einen Maibaum geklaut und die Landjugend gegründet haben. Angeblich kennen nicht nur die Allinger und viele Leute in den Nachbarorten das Versteck. Sondern auch über die Landkreisgrenze hinaus soll sich dieses Wissen schon weiterverbreitet haben. Gestohlen worden ist der Allinger Maibaum trotzdem noch nie, seit es die Landjugend gibt. Das mag daran liegen, dass der Verein auf rund 90 Aktive und insgesamt gut 180 Mitglieder zurückgreifen kann. Im Laufe von zwei Wochen beteiligen sich alle mindestens einmal an der nächtlichen Maibaum-Wache, die in zwei Schichten eingeteilt ist.

Alle drei Jahre wieder: Handarbeit: Fredi Ilmberger (links), Vize-Vorsitzender der Landjugend, und Schriftführer Florian Altmann bemalen den Maibaum während der Wache.

Handarbeit: Fredi Ilmberger (links), Vize-Vorsitzender der Landjugend, und Schriftführer Florian Altmann bemalen den Maibaum während der Wache.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Mehrere Autos parken an diesem kühlen Abend auf dem Bauernhof von Michael "Helle" Metz. Viel los für die Uhrzeit. Der Blick aber gilt dem Maibaum, wie er da weiß-blau bemalt, überdacht und längs einer Hallenwand aufgebockt daliegt, für jeden Spaziergänger kaum zu übersehen und nicht einmal durch einen Zaun geschützt. Allerdings parkt vor dem etwa 30 Meter langen Stamm ein Bauwagen, grün lackiert, mit dem Allinger Wappen über der Eingangstür und grauem Rauch, der aus dem Schornstein quillt. Wie Metz erläutert, dient der Wagen seit mindestens 30 Jahren als Unterschlupf während der Maibaum-Wache; den Rest des Jahres ist er untergestellt. Innen drinnen ist es mollig warm, das Fenster zur Maibaumseite gekippt. Knapp zehn junge Männer in Arbeitsklamotten sitzen Bier trinkend und rauchend am Tisch. Sie sind ein Teil der ersten Wachschicht an diesem Abend. Der andere Teil, die jungen Frauen, sind noch in einer der Hallen auf dem Metz- Hof. Sie bemalen die Schilder für den Maibaum neu.

Wie Fredi Ilmberger, stellvertretender Vorsitzender der Landjugend, berichtet, gibt es zwei Nachtschichten, von 20 bis 1 und von 1 bis 8 Uhr. In dieser Zeit seien stets mindestens fünf bis zehn Leute am Hof, würden am Maibaum (er muss gehobelt, bemalt und verziert werden) und den Schildern arbeiten. Im Schnitt müsse so jeder ein bis zwei Mal ran. Wobei es nicht den Anschein hat, als wäre es für die jetzt fast 20 anwesenden Jugendlichen unangenehm, sich die halbe Nacht mit ihren Freunden um die Ohren zu schlagen. "Manche haben sich sogar Urlaub genommen", sagt Ilmberger. Doch man könne auch noch nach einer Maibaumwache arbeiten. "Dann darf man halt nichts trinken. Oder nicht so viel."

Alle drei Jahre wieder: Die jungen Männer stoßen im Bauwagen an.

Die jungen Männer stoßen im Bauwagen an.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Alle drei Jahre seit 40 Jahren, stellt die Landjugend in Alling einen Maibaum auf. Schon im Januar wurde ein schön gewachsener Baum im Allinger Forst gefällt und "gescheppst", das heißt von der Rinde befreit. Zum Trocknen lagerte der 30 Meter lange Stamm bis Mitte April im Wald. Seither liegt er nun auf dem Metz-Hof und wird bewacht. Üblicherweise wird der Maibaum gespendet. In diesem Jahr war der Spender Josef Naßl, der kürzlich verstorben ist, erzählen Metz und der jetzige Vorsitzende der Allinger Landjugend, Florian Lindemiller. Wie Metz war Naßl Gründungsmitglied, zu seinem Gedenken will man noch eine kleine Tafel an dem Maibaum anbringen.

Weil außerdem die Landjugend ihr 40-jähriges Bestehen feiert, spendet der Verein beim Maibaumfest pro verkaufter Maß einen Euro an die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, und jeder Besucher kann sich für die Datei typisieren lassen. Und weil außerdem die Bestimmungen für die Sicherheit in den vergangenen vier Jahrzehnten verschärft wurden und die alte Halterung dem neuen Standard nicht mehr entsprach, wird der Allinger Maibaum in diesem Jahr nicht mehr vor dem Bürgerhaus, sondern am Alten Sportplatz an der Parsberger Straße stehen.

Alle drei Jahre wieder: Die jungen Frauen bemalen in einer Halle die Schilder für den Maibaum.

Die jungen Frauen bemalen in einer Halle die Schilder für den Maibaum.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Für Metz ist es nicht der erste Umzug mit dem Maibaum. Wie er erzählt, begann alles im April 1976, als Allinger Jugendliche den Maibaum von Puchheim-Ort stahlen. Da der Baum nicht ausgelöst wurde und Alling seinerzeit den Brauch noch nicht feierte, also auch keinen eigenen Baum hatte, wurde der gestohlene Baum zu Allings erstem Maibaum seit vielen Jahrzehnten. "Beim Müller-Wirt haben wir die Maibaum-Schiene betoniert", erinnert sich Metz, der nach der Gründung der Landjugend bis 1984 Vorsitzender blieb. "Der Maibaum liegt schon immer hier, schon am alten Hof unten", das habe sich eben so ergeben. Selbst der Umzug auf einen anderen Hof habe diese Sitte nicht geändert. Inzwischen sind Metz' drei Söhne in der Landjugend aktiv und führen die Tradition fort. So wie es offenbar viele Jugendliche am Ort tun "In Alling wart' jeder, dass er 14 wird und zur Landjugend kann", sagt Metz. "Da fiebern die Jungen schon hin", ergänzt Lindemiller. Nicht zuletzt, da der Verein eine große Gemeinschaft ist.

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