Alina Khani aus Germering:Unterhaltung im Sekundentakt

Alina Khani

Der Skatepark am Rand von Germering ist ein Ort, an dem sich Alina Khani in ihrer Jugend gerne aufgehalten hat. Um zu lesen oder Musik zu hören.

(Foto: Florian Haamann/OH)

Mit kurzen Videos auf dem sozialen Netzwerk Tiktok bespaßt Alina Khani knapp 350 000 Menschen. Ihre Follower schätzen die authentische Art, ihre Nahbarkeit - und ihr einnehmendes Lachen.

Von Florian J. Haamann, Germering

"Wenn Bully anrufen würde und sagt: 'Alina, ich brauche dich für einen Film', dann würde ich sofort alles hinschmeißen", sagt Alina Khani. Die 22-jährige Germeringerin ist im vergangenen Jahr auf dem sozialen Netzwerk Tiktok berühmt geworden, fast 350 000 Menschen haben ihren Kanal abonniert. Zu diesem Erfolg beigetragen haben unter anderem ihre Synchronisationen von Sketchen aus der Bullyparade, von denen sie mittlerweile mehr als 20 veröffentlicht hat. Einmal habe sich Bully oder "einer der coolsten Münchner", wie Khani ihn nennt, sogar bei ihr gemeldet und gesagt, dass er ihre Videos gut finde.

Doch Khani ist weit mehr als eine Bully-Imitatorin. "Ich bin Unterhaltungskünstlerin", beschreibt sich die 22-Jährige selbst. Und tatsächlich lässt sich ihre Arbeit schwer in eine Schublade stecken. Ein Großteil der Videos sind unterhaltsame Kurzclips, aber Khani ist auch Tänzerin und Musikerin. Fünf Singles hat sie mittlerweile veröffentlicht, "Der Brief" ist erst vor wenigen Wochen erschienen.

Für ihren digitalen Durchbruch allerdings sind unbestreitbar die Comedy-Videos verantwortlich. Neben den Bully-Synchronisationen gibt es noch eine zweite Reihe, die zu ihrem Markenzeichen geworden ist. In kurzen Clips, die eine Mischung aus Lebensweisheit, Albernheit oder Nonsens sind, richtet sie sich mit dem Smartphone in der Hand vor dem Badezimmerspiegel an ihre Zuschauer. Jeder dieser Clips endet mit der gleichen Formel: "Ok Ciao!" Zum Beispiel so: "Hallo. Beginn deinen Tag mit Sport. Lass den Kaffee laufen. Ok, ciao!", oder: "Hallo. Sind schlechte Angewohnheiten eigentlich immer noch schlecht, wenn ich sie mag? Ok, ciao!"

Alina Khani

Vor dem Badezimmerspiel nimmt Khani ihre "Ok, ciao!"-Clips auf, eine Mischung aus Lebensweisheit, Albernheit und Nonsens

(Foto: Florian Haamann/OH)

"Ich denke, ich treffe mit meinen Videos einen Nerv. Ich liefere kurz und knackig Fakten, mal lustig, mal zum Nachdenken", sagt Khani. Oft greift sie in ihren Videos absurde Alltagsmomente auf, die jeder kennt und mit denen sich ihre Zuschauer identifizieren können. Überhaupt sind ihre Auftritte sehr nahbar und authentisch, es wirkt immer ein wenig, als würde man gerade mit einer guten Freundin zusammensitzen und rumalbern. Dazu kommen Khanis stets gute Laune und das ansteckende, einnehmende Lachen. Im Gegensatz zu anderen Influencern erschafft die 22-Jährige in ihren Videos dabei keine perfekte Hochglanz-Scheinwelt, meistens ist sie ungeschminkt, die Haare zum Dutt hochgebunden.

Dass die 22-Jährige gerade jetzt ihren Durchbruch geschafft hat, liegt an zwei Dingen. Zum einen hat sie mit Tiktok eine Plattform gefunden, die genau für ihren Content gemacht ist. "Auf Tiktok wollen die Leute einfach unterhalten werden. Die liegen im Bett und wollen Quatsch sehen. Da kannst du wirklich jeden Schmarrn hochladen." Auf Instagram dagegen, wo Khani auch knapp 90 000 Follower hat, sei alles etwas geschleckter, glattgebügelter, die Erwartung der Nutzer eine andere. Der zweite Faktor sei sicher auch die Pandemie gewesen, in der die Leute mehr Zeit online verbracht haben. "Sonst wäre das sicher nicht so gelaufen", sagt die Germeringerin, die seit einem Jahr in München lebt. Im März 2020 hat sie angefangen die Plattform zu nutzen, vor etwa einem Jahr ihr erstes "Ok Ciao!"-Video veröffentlicht. Ihr erstes virales Video war dann ein Gespräch mit ihrem Kater, knapp 800 000 Aufrufe hat der Clip bekommen.

Alina Khani

In Khanis erstem Video erzählt sie ihrem Kater von ihrem Tag.

(Foto: Florian Haamann/OH)

Khanis Erfolgsgeschichte mag leicht und reibungslos klingen, doch die Realität ist nicht ganz so einfach. Als Ort für ein Treffen schlägt die 22-Jährige den Skatepark in Germering vor, eine Freizeitanlage am Rand der Stadt, eingeklemmt zwischen Wertstoffhof, Golfplatz und A 96, wenige Minuten von dem Haus entfernt, in das ihre Familie 2015 gezogen ist. Auf der Anlage sei sie früher gerne gewesen, alleine, zum Lesen und Musikhören. Im nahegelegenen Wald, den man durch die Autobahnunterführung erreicht, sei sie oft spazieren gegangen, um den Kopf frei zu kriegen. Schon als Kind war die Kamera ihr Begleiter. "Ich habe dauernd Filme gemacht, jedem meine Kamera unter die Nase gehalten. So lange bis alle genervt waren. Ich wollte einfach immer Kunst machen", sagt Khani. Entdeckt habe sie das im Kindergarten. "Der war sehr kreativ und wir haben viel Theater gespielt. Meine Kindergärtnerin hat damals gesagt, dass ich unbedingt singen muss."

Die Schulzeit dagegen war ein ständiges Hin und Her, vom Gymnasium ist sie auf die Wirtschaftsschule gewechselt, dann auf die FOS. "Mein Papa hat früher immer gelacht, wenn ich gesagt habe, dass es Neuigkeiten gibt. Weil es hieß, dass ich schon wieder etwas Neues anfange. Aber meine Eltern haben mich in allen Entscheidungen unterstützt und mir vertraut", erzählt die 22-Jährige. "Die Schulzeit war wahnsinnig stressig für mich. Ständig still sitzen. Bis zur zehnten Klasse war ich total ruhig und schüchtern, ich war auch nie der Klassenclown. Ich konnte einfach noch nicht ich sein. Ich habe mich selbst in den Schatten gestellt, und viele waren nicht nett zu mir, weil ich mich für andere Dinge interessiert habe als Gleichaltrige."

Auch nach dem Fachabitur sucht Khani weiter ihren Weg. Beginnt eine Ausbildung als Veranstaltungskauffrau in einem Hotel, kündigt, als sie nur zum Zimmerputzen eingeteilt wird. Danach probiert sie es als Bürokauffrau, auch die Ausbildung bricht sie ab. Es folgen mehrere "schlimme" Jobs in der Gastro, in Hotels, als Promoterin. Später schreibt sie sich für ein Fernstudium als Fitnessfachwirtin ein. "Das hat mir Spaß gemacht, ich bewege mich gerne, Sport ist mir sehr wichtig." Als das Produzieren ihrer Videos immer mehr Zeit einnimmt, hört sie auch damit auf. Auch erste Erfahrungen als Schauspielerin hat Khani gesammelt, etwa mit einer Komparsenrolle im Film "Dieses bescheuerte Herz" mit Elias M'Barek. Zuletzt hat sie als Fitnesstrainerin und in der Gastro gejobbt. Den Job im Studio hat sie mittlerweile gekündigt, um sich stärker auf ihre Selbständigkeit konzentrieren zu können.

Die sonst permanent gute Laune der 22-Jährigen wird nur dann ernst, wenn sie über die vielen negativen Kommentare und die Menschen spricht, die ihr ihren Erfolg nicht gönnen. "Was mich richtig nervt, ist, wenn Leute sagen: Geh doch lieber arbeiten! Die sehen nicht, dass man zwei, drei Jobs parallel macht und den Rest seiner Zeit in die Inhalte steckt. Ich habe lange überhaupt nichts damit verdient. Die wissen einfach gar nichts über einen. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das kalt lässt. Anfangs wirft einen das um, aber mit der Zeit bekommt man ein dickes Fell." Gerade am Anfang habe sie viele respektlose Kommentare bekommen, solche, die sie auf ihr Aussehen reduzieren, "ekelhafte Dinge".

Erst langsam beginnt Khani mit ihren Social-Media-Auftritten Geld zu verdienen: bei Tiktok einen Grundbetrag für die Reichweite, auf Instagram, wenn ihre Fans bei Livestreams Abzeichen kaufen, und Youtube hat kürzlich die Monetarisierung für ihre Videos freigeschaltet. Im Gegensatz zu vielen anderen Influencern geht sie nur selten Kooperationen ein, die lukrativste Form der Werbung. "Ich will ja kein Werbeschild sein, ich achte sehr stark drauf, was ich da mache. Ich nehme nur Dinge an, die auch zu meiner Kunst passen. Die Leute kommen auch nicht zu mir, weil sie 20 Prozent Rabattcodes wollen, sie schätzen meine Arbeit aus anderen Gründen."

Auf Khanis linkem Handgelenk ist deutlich ein Tattoo zu erkennen, ein persischer Schriftzug. "Ich bin Halbperserin, und das Tattoo heißt 'Mein Leben lang'. Für mich bedeutet es, dass ich ein Leben lang ich bin und auf mich aufpassen muss. Dass ich jede Entscheidung in meinem Leben für mich treffe und nur für mich. Es gab Phasen, da habe ich zu wenig an mich gedacht", sagt die 22-Jährige.

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