Adelshofen:Mit den jungen Handwerksburschen auf Wanderschaft

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Wolfgang Weigl ist Zimmermann mit Leib und Seele. Einmal im Jahr verbringt er mehrere Woche mit Lehrlingen in Rumänien, um Kirchenburgen zu renovieren

Von Gerhard Eisenkolb, Adelshofen

Zimmermann zu sein, ist für Wolfgang Weigl mehr als ein Broterwerb. Er verbindet mit dem Beruf Kreativität, den Handwerkerstolz, etwas mit Hand und Verstand vom ersten bis zum letzten Schritt selbst anzufertigen, sowie Werte wie Naturverbundenheit, Nachhaltigkeit, Weltoffenheit. Wie sinnstiftend das für ihn ist, klingt an, wenn er sagt: "Das Handwerk ist Balsam für die Seele". Der 60-Jährige begründet, worin für ihn die heilsame Wirkung seines Handwerks liegt. Wer aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz etwas schaffe, entwickle Glücksgefühle und sei mit sich im Reinen. Auch deshalb sei der Zimmererberuf wieder beliebt.

Schwindelfrei: Die Auszubildenden machen Pause auf dem Dachfirst. (Foto: privat)

Dem Adelshofener ist anzumerken, dass er mit dem, was er tut, glücklich ist. Seit 28 Jahren vermittelt er neben praktischem Wissen als Ausbildungsmeister an der Berufsbildungsstätte der Bauinnung München seine Philosophie der Wertschätzung der Handwerksarbeit und deren Traditionen an Generationen von Lehrlingen und prägt so deren Selbstverständnis.

Es ist kein Zufall, dass sein Lieblingsprojekt an die Walz anknüpft, also an die früher für Handwerksburschen obligatorische, Jahre dauernde Wanderschaft. Diese formte in der Begegnung mit fremden Kulturen und Menschen den Charakter und machte mit deren Techniken und Lebensweisen vertraut. So renoviert der Meister einmal im Jahr für mehrere Wochen mit Auszubildenden aus verschiedenen Gewerken in Siebenbürgen in Rumänien Kirchenburgen, zurzeit in Metiș (Martinsdorf). Damit trägt er zum Erhalt des dem Verfall preisgegebenen kulturellen Erbes bei.

Die Kirchenburg im rumänischen Metis ist bisweilen ihr Arbeitsort. (Foto: privat)

Die Lehrlinge müssen in einer fremden Kultur erstmals ein Werk von der Planung bis zur Fertigstellung eigenverantwortlich umsetzen. Das ist ein Abenteuer. In der Abgeschiedenheit des Karpatenbogens registriert Weigl, wie seine Schützlinge und "verwöhnten Hotel-Mama-Jugendlichen" mit der Entschleunigung eines Lebens mit Plumpsklo und ohne Wasserversorgung zurechtkommen. So, wie es vor hundert Jahren hierzulande üblich war. Neben handwerklichem Geschick sind Anpassungsfähigkeit, Teamarbeit und Improvisationstalent gefragt. Für Weigl ist das die beste Vorbereitung aufs Leben.

Wolfgang Weigl. (Foto: privat)

Die Geheimnisse und Schönheit der Welt bei Abenteuerreisen zu erkunden, sind für den Handwerker schon lange Bestandteil des Lebens. So fuhr er 1994 bei der ersten privat geführten Chinaexpedition als Zimmerer mit Werkstattwagen zur Reparatur von Holzbrücken von Shanghai aus durch ganz China und dann zurück über die Seidenstraße und durch die Wüste Gobi bis München. Bis vor einigen Monaten war er Mitinhaber des Höhenrekords für Lastwagen und Dieselfahrzeuge. Mit einem Transporter erreichte er mit einem Team in der Atacamawüste in Chile eine Höhe von 6675 Meter. Und er reiste in dem Jeep mit, mit dem erstmals Menschen in einem vierrädrigen Auto Uelen, den östlichsten Ort des eurasischen Kontinents an der Behringstraße im Nordmeer erreichten.

"Wir haben das große Glück gehabt, dass der liebe Gott uns mit einer menschenverbindenden Gabe gesegnet hat." Mit diesem Hinweis spielt er auf seinen Vater Franz Weigl an, für den das Miteinanderreden am Wichtigsten war. Kann ein authentischer, gradliniger Ausbilder seinen Lehrlingen von Abenteuerreisen erzählen, hören ihm diese auch sonst gerne zu. "Das ist ein Draht, den hat man oder nicht", meint er. Zudem weiß er, wie schwierig die Berufswahl für Heranwachsende sein kann. Den Zimmererberuf zu ergreifen war für ihn nicht selbstverständlich. Da sein Vater Sparkassenchef in Fürstenfeldbruck war, quälte er sich als Schüler zum Abitur. Danach sollte er studieren. Das war zumindest der Wunsch der Eltern. Da er in den Ferien in einer Zimmerei gearbeitet hatte, war der Gymnasiast aber bereits mit dem "Zimmerervirus infiziert", wie er sagt, und damit sein Lebensweg vorgezeichnet. Also zog er den nicht akademischen Handwerksberuf vor und bestand die Meisterprüfung mit Bestnote. Parallel dazu erfolgte eine zweite Ausbildung zum Bautechniker, der als Zimmermann in einem Ingenieurbüro die Rolle des Bindeglieds zwischen Planern und ausführenden Handwerkern ausfüllte. "Von diesen Erfahrungen zehre ich noch heute", sagt er.

Weigl trägt fast ausschließlich seine Zimmermannskluft. Sein Erkennungszeichen ist die unverwüstliche Zunftweste, die es in grobem Breitcord oder englischem Leder gibt, einem ebenfalls strapazierfähigen, als Moleskin bezeichneten Baumwollstoff. Zur Weste gehört für den Meister eine Hose aus Hirschleder, im Sommer kurz, im Winter lang. Die Hirschlederne tauscht er nur bei offiziellen Anlässen gegen die typische Zimmermann-Schlaghose aus dem Schiffsbau. Was er anzieht, muss passen und funktional sein. Von wechselnden Modetrends hält er nichts. Lenkt das doch vom Wesentlichen ab.

© SZ vom 08.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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