Süddeutsche Zeitung

Abstimmung:Gleich zwei Bürgerentscheide

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Erhalt eines Landschaftsschutzgebiets oder Bau eines Supermarkts: Die Kottgeiseringer haben am Sonntag die Wahl

Von Manfred Amann, Kottgeisering

Nachdem am vergangenen Sonntag die Grafrather zugunsten des Landschaftsschutzes und gegen die Erweiterung eines Gewerbegebiets gestimmt haben, hofft auch die Kottgeiseringer Initiative "Kein Discounter im Landschaftsschutzgebiet", dass es die Kottgeiseringer den Wählern der Nachbargemeinde gleichtun und am Sonntag die Flächenversiegelung für einen Supermarkt ablehnen. 1260 Wahlberechtigte sind aufgerufen, in zwei Bürgerentscheiden darüber zu urteilen, ob die Gemeinde alle zulässigen und baurechtlichen Maßnahmen ergreifen soll, um zwischen dem Altort und der Kreuzackersiedlung nordwestlich der Kreisstraße FFB 5 auf der "Griesbründl"-Fläche einen Lebensmitteldiscounter anzusiedeln. Oder ob sich die Ortspolitiker für das Gegenteil einsetzen sollen, nämlich dieses Vorhaben zu verhindern, damit das gewachsene Landschaftsschutzgebiet unangetastet und das gewohnte Landschaftsbild erhalten bleibt. Da die Möglichkeit besteht, dass bei beiden Bürgerentscheiden das gleiche negative oder positive Ergebnis erzielt wird, sollen die Bürger mit einem dritten Kreuzchen anzeigen, ob sie bei einem Gleichstand der Discounteransiedlung oder der Naturerhaltung den Vorrang einräumen. Bis 18 Uhr kann in zwei Wahllokalen im Rathaus-Feuerwehrgebäude abgestimmt werden, wo auch ausgezählt wird.

Das Ergebnis der Briefwahl, die nach den Worten von Bürgermeisterin Sandra Meißner (BV) gut angelaufen ist, wird im Veraltungsgebäude in Grafrath ermittelt. "Aus Erfahrung über das Wahlverhalten der Kottgeiseringer zuversichtlich" ist die Gemeindechefin, "dass viele Bürger ihr Mitbestimmungsrecht nutzen". Um eine klare Bürgermeinung zu bekommen, wäre eine hohe Beteiligung auch sehr wichtig, sagt Meissner.

In den zurückliegenden Wochen haben die Kontrahenten ihre Argumente mithilfe von Flyern, Plakaten und Wurfsendungen unters Volk gebracht. So konnte sich jeder Bürger ein Bild machen und für sich entscheiden, ob die Ansiedlung eines Discounters den Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet rechtfertigt. Das erste Begehren "Einkaufen in Kottgeisering" war vom Landwirt Friedrich Drexler mit 178 Unterschriften durchgesetzt worden, um die unbefriedigende Nahversorgung in Kottgeisering zu verbessern. Nachdem ein kleiner Lebensmittelladen geschlossen worden ist und es kaum andere Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel gibt, benötige Kottgeisering ein Geschäft, "damit vor allem Mütter und Senioren nicht nach auswärts fahren müssen, um sich zumindest mit dem Wichtigsten versorgen zu können", lautet die Begründung.

Zuvor hatte der Gemeinderat Drexlers Antrag abgelehnt, dessen an den Ortskern anschließende und unter Landschaftsschutz stehende Fläche für einen Netto-Markt zur Verfügung stellen zu dürfen. Da er eigenen Aussagen nach von etlichen Bürgern angespornt worden sei, die Einwohner entscheiden zu lassen, und weil für den Markt nur dieses Grundstück in Frage komme, habe er Unterschriften gesammelt und damit einen Bürgerentscheid erwirkt, erklärte der Landwirt. Nach der Ablehnung des Antrages zur Ansiedelung eines Supermarktes hatte der Gemeinderat auf Anraten von Bürgermeisterin Meissner eine Umfrage vorbereitet. In der sollten sich die Kottgeiseringer zu ihrem Einkaufsverhalten äußern und Vorschläge zur Verbesserung der Nahversorgung machen. Überdies sollte eruiert werden, wie die Chancen für die Einrichtung eines Dorfladens eingeschätzt werden. Nach dem Antrag auf das Bürgerbegehren durch den Landwirt, war diese Umfrage jedoch gestoppt worden.

Bald darauf hatte sich die Initiative "Kein Discounter im Landschaftsschutzgebiet" gebildet und mit 366 Unterschriften das zweite Bürgerbegehren gestellt. Sabine Seemann, Günter Krenn und Rita Hirl rufen dazu auf, nicht zuzulassen, dass wegen eines Discounters mit 77 Parkplätzen das Schutzgebiet bebaut wird. Die Fläche liegt zwischen dem seit 1976 international geschützten Ampermoos und dem Panoramaweg an der S-Bahnlinie, der einen Blick zum Ammersee und in die Alpen ermöglicht. Diese Aussicht sei einzigartig und dürfe nicht mit einer versiegelten Fläche mit Marktgebäude und Verkehr beeinträchtigt werden, hieß es. Lärm und Umweltverschmutzung durch Lieferverkehr und Einkaufsfahrten kämen noch hinzu. "Wir brauchen eine Nahversorgung, die den örtlichen Bedürfnissen entspricht und keinen überörtlichen Einkaufsmagnet", argumentieren die Initiatoren.

Drexler indes weist auf die Einsparungen beim Ausstoß von Kohlendioxid hin, wenn nicht mehr in andere Orte gefahren werden muss. Zudem könne ein Dorfladen den Bedarf an Waren des täglichen Gebrauchs und an Lebensmitteln nicht decken. Man wolle einen kleineren Laden, der unabhängig von internationalen Großkonzernen regionale Produkte anbietet und in dem man sich gerne trifft. Das sei gerade für Senioren sehr wichtig, erwidern die Gegner der Ansiedelungspläne von Drexler.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2016
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