Süddeutsche Zeitung

Olching:Gericht kassiert Abfallsatzung

Ein Rechtsanwalt klagt gegen den Entsorger des Landkreises, weil dieser ihm fürs Home-Office höhere Gebühren berechnen will. Das Verfahren offenbart einen erstaunlichen Formfehler.

Von Ariane Lindenbach, Olching

Erfolg für Jürgen Niebling: Das Verwaltungsgericht München hat dem Rechtsanwalt aus Olching, der gegen den Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Fürstenfeldbruck (AWB) geklagt hat, recht gegeben. Der AWB hatte dem Olchinger rückwirkend die für Gewerbebetriebe geltenden Gebühren in Rechnung stellen wollen, weil Niebling in seinem Haus ein Zimmer für die Ausübung seines Berufes nutzt. Die Richter am Verwaltungsgericht haben nun entschieden, dass die Abfallgebührensatzungen der Jahre 2015, 2016, 2017 und 2019 wegen eines formalen Fehlers nichtig sind. Dieser Fehler ist laut AWB-Werkleiter Stefan Mayer allerdings wesentlich älter: die fragliche Satzung existiert seit 1999. Nun soll sie der Kreistag entsprechend korrigieren.

Nun soll der Kreistag die Regelungen korrigieren

"Es fehlt dem Bescheid bereits an wirksamen Rechtsgrundlagen", heißt es in dem Urteil hinsichtlich der beanstandeten Satzungen. "Aufgrund einer unwirksamen Satzung kann man eigentlich gar keine Gebühren erheben", erläutert Niebling, der sich über die Entscheidung der Richter am Verwaltungsgericht freut. Für alle rechtlich nicht so Kundigen, die nun denken, sie könnten einen Teil ihrer Müllgebühren zurückfordern, ergänzt er aber sogleich: "Relevant ist das nur für diejenigen, die Widerspruch eingelegt hatten." Alle, die ihre Müllgebühren über Jahre anstandslos bezahlt haben, betrifft das Urteil nicht; mit dem Bezahlen der Gebühren haben sie sozusagen eine rechtliche Grundlage geschaffen und die nun von den Richtern als unwirksam beanstandete Satzung akzeptiert.

Wer nicht Einspruch eingelegt hat, bekommt dennoch kein Geld zurück

Seit etwa zehn Jahren lebt und arbeitet Jürgen Niebling in seinem Reihenhaus in Olching. Da er hauptsächlich juristische Bücher schreibt, genügt ihm zum Arbeiten ein 16 Quadratmeter großes Zimmer in seinem Wohnhaus. Mehr Müll als eine Privatperson produziere er bei seiner Arbeit nicht, zumal er Papierabfälle gesondert entsorge, schildert der Rechtsanwalt. Im August 2020 kommt dann ein brisanter Änderungsbescheid des AWB über Abfallentsorgungsgebühren.

Dieser fordert von Niebling höhere Gebühren für die Müllentsorgung, und zwar rückwirkend für die letzten fünf Jahre eine zusätzliche Gebühr für die gewerbliche Nutzung. Pro Jahr verlangt das Unternehmen nun 46 Euro mehr, statt 114 soll Niebling für die vergangenen fünf Jahre jeweils 160 Euro bezahlen; der AWB zieht per Lastschrift insgesamt 230 Euro von seinem Konto ein. Begründet wird das damit, dass der Olchinger in seinem Wohnhaus seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht. Da Niebling prompt dagegen Widerspruch eingelegt und schließlich Klage eingereicht hat, bekommt er diesen Betrag nun nach dem Urteil erstattet.

Für die Zukunft kann er aber nicht mehr mit den günstigeren Gebühren rechnen, wie AWB-Werksleiter Stefan Mayer betont: "Man muss sich den Fall Niebling nochmal anschauen." Sobald die beanstandete Formulierung - es geht um einen einzigen Satz - in der Satzung korrigiert wurde, will Mayer auch von Niebling wieder die gewerblichen Gebühren eintreiben. So verfahre der Abfallwirtschaftsbetrieb mit allen, die ausschließlich von zu Hause aus arbeiten; die würden ihr Büro in der Regel auch steuerlich geltend machen und so finanziell profitieren. Wer hingegen lediglich während der Pandemie im Homeoffice gearbeitet habe, von dem verlangt der AWB keine zusätzlichen Gebühren, versichert Mayer.

Wie der Werkleiter erläutert, ist der Kreistag für die Satzungen des AWB zuständig. Im April soll die Formulierung in Paragraf fünf der Satzung angepasst werden, zuvor ist das Thema auf der Tagesordnung des Werkausschusses. "Wir lassen uns da noch rechtlich beraten", schließlich soll die neue Formulierung über das Entstehen der Gebührenschuld, welche das Verwaltungsgericht als "rechtswidrig und damit unwirksam" beanstandet hatte, juristisch unanfechtbar sein.

Dem Werkleiter zufolge ist die nun beanstandete Formulierung bereits seit 1999 in der Satzung, lange vor seiner Zeit. Die Satzungen werden zwar regelmäßig von den zuständigen Gremien aktualisiert, doch dabei werden nicht automatisch sämtliche Sätze juristisch geprüft. Und auch die Regierung von Oberbayern als "zuständige Aufsichtsbehörde" ist begrifflich mehr involviert als tatsächlich. Das erläutert Pressesprecher Wolfgang Rupp: "Die Kommunen - Gemeinden, Märkte, Städte und Landkreise - regeln ihre Angelegenheiten wie beispielsweise auch die Abfallentsorgung und deren Kosten durch Satzungen in eigener Verantwortung. Solche kommunalen Satzungen bedürfen daher in aller Regel keiner Genehmigung durch Aufsichtsbehörden. Dementsprechend erfolgt durch die Regierung von Oberbayern auch keine allgemeine und anlasslose Überprüfung sämtlicher kommunaler Satzungen auf mögliche Rechtsfehler. Bei mehreren hundert Kommunen, kommunalen Zweckverbänden und Kommunalunternehmen im gesamten Regierungsbezirk wäre dies bereits aus personellen Gründen auch nicht leistbar."

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