Süddeutsche Zeitung

Abfallbeseitigung:Wertstoffe im Restmüll

Die Landkreisbürger entsorgen mehr Papier und mehr Plastik über die normale Abfalltonne als der bundesdeutsche Durchschnitt. Das zeigt ein Vergleich zweier Untersuchungen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Bürger im Landkreis sind es seit mehreren Jahrzehnten gewohnt, ihren Müll akribisch zu trennen. Doch tun sie das wirklich? Und machen sie das besser als die übrigen Einwohner Deutschlands? Mal so, mal so, könnte man sagen. Ausgerechnet beim getrennten Sammeln von Papier, Pappe und Kartonagen - jener Wertstoffe, die schon am längsten eigens erfasst werden - sind die Landkreisbürger nachlässiger als der bundesdeutsche Durchschnitt, und zwar deutlich. Auch Kunststoffe sortieren sie schlechter aus, als es die Deutschen insgesamt tun. Das ergibt ein Vergleich einer aktuell vorgelegten bundesweiten Auswertung mit den Daten aus dem Landkreis, die im Vorjahr veröffentlicht wurden.

12,9 Kilogramm Papier und Pappe entsorgt jeder Landkreisbürger pro Jahr über die Restmülltonne. Im bundesdeutschen Durchschnitt ist es nur die Hälfte - 6,6 Kilo. Beim Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises wundert man sich darüber, "da es möglich ist, Altpapier kostenlos an allen großen und kleinen Wertstoffhöfen abzugeben", heißt es in einer Pressemitteilung, in der auch auf die Möglichkeit hingewiesen wird, sich eine eigene, kostenlose Papiertonne zu bestellen. Mehr als 26 000 Papiertonnen verschiedener Größen sind derzeit im Umlauf. Zudem wird Papier auch von Vereinen oder Verbänden in regelmäßigen Abständen über Bündelsammlungen direkt an der Haustür abgeholt.

Doch der Teufel liegt im Detail. Vielfach würden auch stark verschmutzte Kartonagen, etwa Pizzakartons mit anhaftenden Essensresten, ganz bewusst über den Hausmüll entsorgt, um die Altpapierqualität in der Papiertonne nicht zu beeinträchtigen, heißt es in einer "Vergleichenden Analyse von Siedlungsrestabfällen", die im Auftrag des Umweltbundesamtes nun vier Institute vorgelegt haben. Darunter ist auch das Institut für Abfall, Abwasser und Infrastrukturmanagement (Infa) aus Ahlen/Westfalen, das im Vorjahr für den Landkreis Fürstenfeldbruck erstmals eine Restmüllanalyse durchgeführt hat. Papier landet der bundesweiten Untersuchung zufolge auch deshalb im Hausmüllbehälter, weil oftmals Lebensmittelreste aus hygienischen Gründen vor der Entsorgung in Zeitungspapier oder Papiertüten verpackt werden. "Dieses Altpapier ist dann nur noch bedingt für die weitere stoffliche Verwertung geeignet", schreiben die Forscher. Das bedeutet aber auch, dass man sich bewusst machen muss, "dass man nie 100 Prozent der Wertstoffe aus der Restmülltonne rauskriegt", sagt AWB-Leiter Stefan Mayer der SZ.

Auch bei den Kunststoffen ist die Menge, die pro Einwohner und Jahr im Restmüll landet, mit 17,9 Kilogramm im Landkreis doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt (8,6 Kilo). In Kommunen, die die sogenannten Leichtverpackungen ausschließlich über ein Bringsystem einsammeln, sind die getrennt erfassten Mengen geringer und "die im Hausmüll verbleibenden Potenziale höher", heißt es in der bundesweiten Studie. Dennoch setzen AWB und Landkreis bei der Sammlung von Kunststoffverpackungen weiterhin auf ihr eingeführtes Bringsystem, "auch wenn die erfassten Mengen im Vergleich zu anderen Systemen nicht so hoch sind", schreibt der AWB in der Pressemitteilung. Denn die Leichtverpackungen aus dem Kreis Fürstenfeldbruck sind "sortenrein", wie es in der Abfall-Fachsprache heißt, also so gut vorsortiert, dass sie ohne weitere Nachsortierung an die Verwerterfirmen weitergegeben werden können. Für diese sortenreine Erfassung erhält der AWB seinerseits höhere Entgelte und braucht dafür entsprechend weniger bei den allgemeinen Müllgebühren kassieren. Zwar gibt es seit 2014 auch eine eigenen Wertstofftonne im Landkreis, 5200 davon stehen bei den Haushalten. Offensiv bewerben darf sie der Landkreis allerdings nicht, weil er sonst Schwierigkeiten mit den Dualen Systemen bekommen würde.

Das Abfallsystem ist kompliziert und für die Bürger nicht richtig durchschaubar. Das räumt auch Stefan Mayer ein. Wo denn der Kunststoffabfall hingeliefert oder welcher Anteil davon dennoch verbrannt werde, wollen Bürger bisweilen vom AWB wissen, erzählt Mayer und hat selbst keine Antwort: "Richtig beantworten können das nur die Dualen Systeme." Der AWB verfügt immerhin über eine Liste jener Verwerterfirmen, an die die Kunststoffe abgegeben werden. Doch es bleibt kompliziert: Der Müll also wird getrennt, aber wie viele seiner werthaltigen Teile tatsächlich dem Recycling zugeführt werden, ist nicht hinreichend bekannt. Dabei lebt das System "von der bisher guten Akzeptanz durch die Bürgerinnen und Bürger", weiß Mayer.

Insgesamt produziert jeder Landkreisbürger mit 132 Kilo Restmüll im Jahr etwas mehr als der bundesdeutsche Durchschnitt (128 Kilo). Mehr als ein Drittel davon, 47,1 Kilo, sind organische Abfälle inklusiver solcher, die noch ganz oder teilweise in der Verpackung befinden. Bundesweit sind es 50,4 Kilo. "Eine bessere Abschöpfung kann im Wesentlichen nur über eine weitere Erhöhung der Anschlussquoten an die Biotonne erreicht werden", schlussfolgern die Forscher. Eine Biotonne aber gibt es im Landkreis nicht. Bioabfall wird entweder auf dem heimischen Komposthaufen oder über kleine Biosäcke entsorgt. Doch ohnehin wären nicht alle organischen Abfälle, die sich in der Restmülltonne befinden, für eine weitere Verwertung nutzbar, denn manches ist noch originalverpackt. Neun Kilo sind das bundesweit, im Landkreis sogar 12,9 Kilo.

Die bundesweite Studie empfiehlt weitere Anstrengungen und Systemoptimierungen, um die Wertstoffmengen im Hausmüll zu reduzieren. Der AWB lässt seine Restmüllanalyse im nächsten Jahr wiederholen, um Vergleichszahlen zu gewinnen. Allerdings würdigt die bundesweite Studie auch die Fortschritte, die seit der letzten Analyse vor gut 35 Jahren erzielt wurden. Bei allen relevanten Stoffgruppen sei ein erheblicher Rückgang der im Hausmüll enthaltenen Mengen von teilweise bis zu 80 Prozent erreicht worden. Und dies trotz veränderten Konsumverhaltens und des zunehmenden Trends zur "Wegwerfgesellschaft".

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Quelle:
SZ vom 08.08.2020
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