Süddeutsche Zeitung

#1millionliegestützechallenge:Sich schinden für den guten Zweck

Lesezeit: 3 min

Am Fürstenfeldbrucker Viscardi-Gymnasium folgen 250 Schüler mit ihren Lehrern dem Aufruf eines Youtubers. Sie nehmen an einer Liegestütz-Challenge teil, mit der sie Spenden für das Kinderhilfswerk Unicef sammeln

Von Johanna Kleinert, Fürstenfeldbruck

Etwa 250 Kinder und Jugendliche des Viscardi-Gymnasiums in Fürstenfeldbruck strömen am Mittwochvormittag in die Sporthalle der Schule. Ungefähr in der Mitte des Raumes dann das Niederlegen auf den Boden, in lockeren Reihen, ungleichzeitig, Liegestütze sollen gepumpt werden. Wie schon bei der "Ice Bucket Challenge", die sich durch das Entleeren eines Eiskübels über den Köpfen der Teilnehmer auszeichnete, müssen die Schüler auch in Bruck Unangenehmes aushalten, um Gutes zu tun.

Der Zweck der liegenden Versammlung - die Unterstützung einer Hilfsorganisation. Mit jedem Liegestütz wird ein Cent an das Kinderhilfswerk Unicef gespendet. Doch weder die Gymnasiasten, noch die Lehrkräfte müssen in die Taschen greifen. Für die Unkosten will Sascha Huber, Internet-Fitness Coach und Youtuber, aufkommen. Der Österreicher, der über 640 000 Abonnenten verfügt, hatte Mitte November zur Teilnahme an der sogenannten "Liegestütze Challenge" aufgerufen. "Extrem heftig, aber auch sinnvoll" und vor allem "größer" als alle vorhergehenden Challenges, sollte die neu gestellte Herausforderung werden, wie Huber in seinem Video erklärt.

Der Appell des Influencers erreichte auch Valentin Eckmann, Schüler der zwölften Klasse am Viscardi-Gymnasium. Die Idee, an der Challenge teilzunehmen, entstand im Krafttraining-Kurs, den Schulleiter Walter Zellmeier anbietet. "Aufmerksam darauf geworden bin ich durch Youtube. Dann haben meine Mitschüler und ich die Challenge im Trainingsraum ausprobiert. Dabei dachten wir uns, dass man das auch mit der gesamten Schule umsetzen könnte, also im größeren Maßstab", erklärte Valentin. Der Siebzehnjährige macht Sport, um fit zu bleiben, für das Alter vorzubeugen, sagte er. Der Direktor fand die Idee, Sport und Spenden zu verknüpfen, ebenso gut wie der Schüler. Beiden erschien es einleuchtend, Hubers Gedanken, die Aktion besonders groß anzulegen, aufzugreifen.

Der Startschuss fällt, hoch und runter bewegen sich die Körper, endlich werden 8475 Liegestütze erzielt. Mit 63 Liegestützen lag Direktor Zellmeier vorne. 84,75 Euro muss der Youtuber Sascha Huber nun also zusätzlich drauflegen. Jeder der Schüler zählt die gemeisterten Liegestütze selbst, Valentin und einige Schulkameraden filmen die Übung in der Turnhalle. Anschließend werden sie das Video auf Instagram hochladen und mit dem Hashtag "#1millionliegestützechallenge" versehen. So kann der Schirmherr Huber zurückverfolgen, wer die Challenge absolviert hat.

Besonders streng gehe es bei der Auswertung aber nicht zu, auch für die weniger sauber ausgeführten Liegestütze darf der Geldbetrag entrichtet werden, sagte Huber. Schließlich richtet sich die Maxime der Aktion an das Engagement zu Gunsten von Kindern. Huber will zum Sport motivieren, die Art der Ausführung ist dabei nur sekundär. Ziel der Spendenaktion ist es ebenfalls, einen Liegestütz-Weltrekord aufzustellen, wie Huber in seinem Video bekannt gibt. Nähere Informationen zu einem solchen Rekord werden allerdings nicht geliefert.

Der Influencer nominierte, nachdem er selbst die 70-Liegestütze-Marke geknackt hatte, sechs weitere Personen, darunter auch den exklusiven Zirkel seiner persönlichen "Ehren-Youtuber", wie Julien Bam, Mois oder Kevin Wolter, die zusammengenommen über mehr als 7,5 Millionen Abonnenten verfügen. Das Nominieren am Schluss einer Challenge garantiert die nötige Verbreitung der Aktion, ihre Bekanntheit steigt damit, vergleichbar mit der Wirkweise eines Kettenbriefes, an. Deshalb empfiehlt Huber auch den wenig medienwirksamen Teilnehmern weitere Personen, drei an der Zahl, am Ende ihres Videos zu nennen. Dem Ehrenkodex der Youtube-Welt folgend, sind diese dann wiederum zum Mitmachen verpflichtet.

Ursprünglich betrug Hubers festgelegtes Spendenaufkommen 10 000 Euro, die Summe, die sich eben ergibt, wenn ein Cent eine Million Mal multipliziert wird. Doch damit hat der Influencer, der im österreichischen Bundesheer gedient hatte, sowohl seinen eigenen Einfluss, als auch den seiner Video-Kollegen weitestgehend unterschätzt. Denn bis dahin waren schon 28 089 Euro auf das Unicef-Konto eingegangen.

"Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Außerdem spenden wir ja nicht einmal selbst, sondern machen nur die Liegestütze", begründete Valentin den Entschluss sich zu beteiligen. Im Internet lassen sich zahlreiche Clips zu den Absolventen der Challenge finden.

Auffällig ist, dass darunter vor allem Soldaten von deutscher Bundeswehr und österreichischem Bundesheer vertreten sind. Ein Gebirgsjägerbataillon der Bundeswehr hat sich der Aktion ebenso angeschlossen wie deutsche Fallschirmjäger. Erklärt werden kann dies damit, dass der Liegestütz in allen Armeen weltweit verbreitet ist. Der "ersportelte" Ertrag soll besonders groß sein, und es wird versucht, dem großen Ziel, möglichst viel Spenden zusammenzubekommen, möglichst nahe zu kommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4730703
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.12.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.