18-Jähriger aus Emmering erfolgreich als Produzent:Ein Landei rettet den Techno

In Emmering, einem Dorf bei Fürstenfeldbruck, entsteht elektronische Musik, die weltweit angesagt ist. Produziert wird sie von dem erst 18-jährigen Bryan Müller, der sich aber lieber DJ SCNTST nennt.

Rita Argauer

Er sehe aus wie 14, sei aber mittlerweile sogar 18 - damit bewirbt das Label "Boys Noize Records" seinen neuesten Künstler. Das ewig Kindliche, das Peter-Pan-Syndrom als Klischee der Popwelt. Doch Bryan Müller, der sich als Musiker und DJ "SCNTST" nennt, sieht wirklich sehr jung aus - abseits der Inszenierung in den Pressetexten, die das Besondere eines so jungen Künstlers herausstellen wollen.

Bryan Müller

Bryan Müller alias DJ SCNTST.

(Foto: Lorin Samija/oh)

Doch besonders ist sein Lebensweg - der ihn im Januar zum Auflegen nach Lissabon, nach Paris, nach Lyon führen wird, allemal. "Wobei ich viel lieber produziere als auflege", fügt er an, beim Auflegen in Clubs sei er immer etwas schüchtern. Aber natürlich ist er gespannt auf die drei Gigs in den berühmten Städten. Seine Wochenenden verbringt er in Clubs - seit Anfang November seine EP "Monday" auf dem Label des Berliner Techno-Stars Boys Noize erschienen ist. Aber nicht als Gast, sondern als DJ. "Ich gehe nicht gerne in Clubs", erklärt er, gerade in München gebe es da nichts, was ihn irgendwie reizen würde. Da bleibe er lieber zu Hause und arbeite an neuen Tracks.

Zu Hause, das ist für den 18-Jährigen immer noch Emmering - ein Vorort, nein: ein Dorf bei Fürstenfeldbruck im Münchner Westen. In München kennt er sich nicht gut aus; er fährt selten in die Stadt. Höchsten noch bis nach Pasing, wo er zur Schule geht, und wo sein Freundeskreis lebt. Doch selbst für diesen Weg sei er oft zu faul, wenn er erst einmal von der Schule daheim sei, erklärt er schmunzelnd. Denn zu Hause lagert sein Suchtpotenzial: sein Computer, mit dem er seit eineinhalb Jahren elektronische Musik produziert.

"Musik war immer präsent in meinem Leben", erklärt er - und wieder passt diese etwas phrasenhafte Aussage für ihn. Sein Vater wollte ihn unbedingt nach einem Musiker benennen - und ihn unweigerlich und von Anfang an mit Bryan Adams und so auch mit Musik verbinden. Also bekam er Klavierunterricht - ein bisschen. Und Schlagzeugunterricht - ein bisschen mehr. Gründete einige Bands, hörte Indie, Rock und alten US-Hip-Hop, löste seine Bands wieder auf: "Das war nicht so mein Ding", erklärt Bryan, "man muss sich mit den anderen abstimmen. Und sie spielen natürlich nie genau das, was man im Kopf hat."

Musikunterricht im Produzieren von Techno-Tracks gibt es nicht: "Das war ein Ausprobieren, ich jamme mit mir selbst", sagt er. Er hatte mit 16 den Film "Berlin Calling" mit dem Elektro-DJ Paul Kalkbrenner gesehen. Bryan besorgte sich die Software, die dieser zum Produzieren benutzt - und begann: autodidaktisch, alleine, jeden Tag stundenlang nach der Schule.

Lieber daheim als im Club

Eigentlich höre er gar nicht so viel Elektro - sondern eben immer noch Indie und Hip-Hop. Seine Tracks entstehen aus kleinen Versatzstücken, aus Samples der Songs, die er mag. Er hört diese, zerschneidet sie, baut einen Beat dazu, spielt eine neue Melodie ein, verfälscht sie. Heraus kommt dabei ein so überraschender und unkonventioneller Sound - Musik, von der die derzeitigen Techno-Größen begeistert sind: "A kid that has never been to a club and make this kind of music has a gift. What can we expect when he gets to know the club life? The Messia of music!", erklärten TWR72, Technoproduzenten, die zu Bryans Vorbildern gehören: "Das ist unglaublich", sagt er, mehr Worte fallen dem so wortkargen jungen Mann auch gar nicht ein. Aber seine Augen glitzern aufgeregt.

Diese naive und gleichzeitig sehr verbissene und strenge Herangehensweise zeichnet Bryan aus - und hat ihn vermutlich auch so weit gebracht. Sobald er ein wenig vom Produzieren von Techno-Tracks verstand, beschäftigte er sich mit nichts anderem mehr. Und das hält bis heute an: "Ich komme von der Schule und setze mich an den Computer", erzählt er, "das hilft mir beim runterkommen und entspannt mich". Und da sitzt er dann, bis er schlafen geht. Er ist ein Nerd, der wenig Wert auf Image und die Glanz-Welt der Partys legt.

Sein erstes DJ-Set spielte er in Frankfurt am Main - vor circa einem Jahr, in einem Club, zu dem er eigentlich keinen Zutritt gehabt hätte, denn er war damals noch keine 18. Er hatte seine Tracks in ein Internet-Forum für Techno gestellt, so war der Frankfurter Veranstalter auf ihn gekommen. Über das Internet lernte er auch Alexander Ridha alias Boys Noize kennen.

Der twitterte einst, wo denn die jungen, guten Produzenten seien. Ein Freund von Bryan schickte ihm Bryans Tracks zu. Und der berühmte DJ und Produzent war begeistert, sah Potenzial und nahm das Landei aus dem hintersten Münchner Hinterland unter seine Fittiche. "Am Anfang konnte ich an den Tagen, an denen eine E-Mail von Alex kam, nicht schlafen", sagt Bryan. Dann lag er aufgeregt und wach im Bett - oder produzierte weiter seine Tracks.

Lieber Berlin als München

Alex alias Boys Noize schrieb ihm oft, fing an, ihm Tipps für seine Tracks zu geben. Gemeinsam kamen sie auf seinen Namen "SCNTST" - ausgeschrieben Scientist: Wissenschaftler. Weil er so viele Einflüsse in seiner Musik hat, seine Beats aus verschiedensten Substanzen entstehen lässt. Irgendwann waren seine Songs so gut, dass das Label "Boys Noize Records" seine EP herausbrachte. Seitdem ist er jedes Wochenende in einer anderen Stadt Deutschlands und spielt DJ-Sets. Fast ein Vollzeit-Job neben der Schule. Seine Eltern unterstützen ihn. Nun überlegt er, nach der zehnten Klasse vom Gymnasium abzugehen, um sich ganz auf die Musik konzentrieren zu können.

"Ich könnte mir vorstellen, nach Berlin zu ziehen", sagt er, denn da würde viel mehr passieren, da gebe es Clubs, in denen Musik gespielt wird, die er mag. Außerdem würde er liebend gerne mit anderen Musikern zusammen arbeiten: richtig jammen und nicht immer nur fertige Tracks über das Internet hin- und herschicken. Musik als Beruf ist für ihn greifbarer geworden. Was er dann mit 30 macht, darüber denkt er nicht nach. Will er nicht. Er möchte das, was jetzt gerade passiert, nutzen - und bald ein ganzes Album herausbringen.

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