Süddeutsche Zeitung

100 Jahre Schlachthof:Feine Töne an einem rohen Ort

Der Verein Subkultur feiert 100 Jahre Schlachthof - wie lange es dort noch Konzerte geben kann, ist unklar.

Peter Bierl

Der Verein Subkultur feiert am Wochenende das 100-jährige Bestehen des alten Schlachthofes im Zentrum von Fürstenfeldbruck mit einem Jazz-Konzert, Blasmusik und Weißwurstfrühstück. Die Anlage, die damals zu den modernsten ihrer Art zählte, wurde am 3.April 1911 vom damaligen Bürgermeister eingeweiht. Seit 1999 nutzt der Verein Subkultur einen Teil des Komplexes für Konzerte. Die Zukunft ist ungewiss, weil die Stadt einen Teil des Areals auf der Lände als Filetgrundstücke für Wohnungen versilbern will.

Der Bau des Schlachthofes war in der Marktgemeinde Bruck lange umstritten, berichtete Aline Pronnet, Pressesprecherin von Subkultur, auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Die örtlichen Metzger kritisierten das Projekt und etliche Leute regten sich wegen des Warmbades auf, das auf der Westseite angebaut wurde. Der Schlachthof entsprach damals den neuesten hygienischen Standards, das öffentliche Bad galt als Luxus, wurde aber trotz der Kritik im Vorfeld stark frequentiert. Pronnet und Kadir Kara haben in Facharbeiten für das Viscardi-Gymnasium, die am Wochenende gezeigt werden, die Geschichte des Gebäudes aufgearbeitet.

Nachdem der Schlachthof einige Jahre leer stand, übergab die Stadt das Schlachthaus 1999 an den Verein Subkultur, der bis dahin im "Kartoffelkeller" im Kloster untergebracht war. "Anfangs war das als Zwischenlösung gar nicht so beliebt", erinnerte Subkultur-Vorstand Tim Weichselfelder. Bald fanden Bands und Publikum die Location aber ziemlich "cool". Die quadratische Halle eigne sich für alle Stilrichtungen von Jazz bis Heavy Metall, berichtete Pronnet.

In dem Komplex nördlich des Schlachthauses, in dem einst Bad, Kessel- und Maschinenhaus sowie die Kühlanlage untergebracht waren, residiert Aid, eine Anlaufstelle für Obdachlose und Drogenabhängige. Den Ostflügel hat der Bauhof belegt. Pronnet hat in ihrer Facharbeit Vorschläge entwickelt, wie der gesamte Komplex künftig genutzt werden könnte. Sie schlägt vor, ein Künstleratelier, eine Galerie, ein Café oder ein Theater unterzubringen.

Die Jubiläumsfeier eröffnet die Subkultur am Samstag mit einem Jazzkonzert ab 20.30Uhr. "We will meet again", lautet ein Titel des Jazzpianisten Bill Evans, von dem sich das Trio um den Brucker Bernd Huber hat inspirieren lassen. Huber (Gitarre), Steffen Müller (Bass) und Johannes Jahn (Schlagzeug) präsentieren ihre ganz eigene Interpretation von Evans. Im Anschluss kommt Tizian Jost auf die Bühne. Der Münchner Jazzpianist gilt als einer der zurzeit gefragtesten Pianisten und war auch schon in der Reihe "Jazz first" im Veranstaltungsforum zu sehen. Daneben ist Jost als Dozent für Jazzpiano am Richard-Strauß-Konservatorium tätig.

Am Sonntag, 3. April, serviert die Subkultur ab 10 Uhr Weißwürste, Weißbier und Blasmusik. Oberbürgermeister Sepp Kellerer (CSU), der Schirmherr der Feier, sowie Kulturreferent Klaus Wollenberg (FDP) werden sprechen. "Offenbarende Worte" erhofft sich der Subkultur-Vorsitzende von den beiden Politikern. "Offiziell haben wir hier immer noch den Status einer Zwischenlösung. Die nächsten zwei bis drei Jahre können wir noch bleiben." Was danach kommt, ist ungewiss. Weichselfelder und Pronnet können sich keinen besseren Ort vorstellen.

Ein Standort in der Hasenheide oder dem Fliegerhorst wäre für Jugendliche ohne Auto kaum erreichbar. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Die Mitgliederzahl des Subkultur-Vereins ist auf 320gestiegen, die Veranstaltungen sind gut besucht. "Es ist nicht selbstverständlich, dass ein solches Projekt von Jugendlichen so lange Zeit läuft", sagte Dirk Hoogen von der Sparkasse. Die Bank unterstützt das Jugendkultur-Projekt seit 16Jahren mit 3000Euro im Jahr plus weiteren Zuschüssen für Projekte.

Bleibt zu hoffen, dass die Stadträte ein Einsehen haben. Nach der feierlichen Eröffnung vor 100Jahren wurde als erstes ein großer Ochse geschlachtet.

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Quelle:
SZ vom 30.03.2011
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