Für Freunde:Hirschküsse und Schlaf-Schäfchen

Bar 'Für Freunde', 2005

Originale sechziger Jahre Tapete, schummrige Rotlicht-Lampen und ein Hirschgeweih an der Wand - die Wohnzimmeratmosphäre lädt zum Sitzenbleiben und Weitertrinken ein.

(Foto: Stephan Rumpf)

Altberliner Flair und Wohnzimmer: Die Bar Für Freunde in der Reichenbachstraße ist immer gut besucht - und das hat seine Gründe.

I. Konopka und H. Schwarzenbeck

Entsetzlich Heimweh nach Berlin hatte sie, als sie vor einigen Jahren für ihr Studium an der Modeschule nach München kam, erzählt das Mädchen hinter der Bar. Alles schien dem Klischee zu entsprechen: Reiche Münchner mit Stehkragen und Pradatäschchen und alle haben die Nase ein bisschen zu hoch im Himmel - von alternativem Altberliner Flair jedenfalls keine Spur. Dann hat sie das Für Freunde entdeckt. Inzwischen arbeitet sie sogar hier.

Gegen den Münchner Strom schwimmt die kleine Bar in der Reichenbachstraße nun schon seit fünf Jahren an. Der Berlin-Style mit Sechziger-Jahre-Tapete, hellblauem Samtsofa, roten Retro-Lampen und knalligen Collagen mit Pin-Ups an der Wand ist immerhin authentisch.

Alles in der Bar hat eine eigene Geschichte, erzählt Flo, der Chef der Bar, der selbst eine Retro-Brille auf der Nase hat. Die originale Sechziger-Jahre-Tapete stammt aus alten Restbeständen und die Lampen wurden aus einem alten Berliner Hotel gerettet, kurz bevor es der Abrissbirne zum Opfer fiel. Die Einrichtung wirkt zusammengewürfelt und improvisiert, was Absicht ist.

Viel Retro im Wohnzimmer

Man soll sich hier wohl fühlen, wie im Wohnzimmer daheim bei Freunden. Und das tun die Münchner ganz offensichtlich: Auf Holzkisten, türkisen Samtpolstern und an der Bar trinken und feiern sie Nacht für Nacht - denn bei Freunden ist man jeden Tag willkommen. Da ist es klar, dass Flo viele von ihnen beim Namen kennt.

Das Publikum ist bunt gemischt: Rocker, Styler und Schickies zwischen 25 und 40 Jahren. Rund 80 Leute passen in die Bar und vor allem am Wochenende wird es richtig voll.

Früher gab es öfter mal Ärger mit dem grünen Freund und Helfer. Heute sorgt der Türsteher dafür, dass es möglichst leise ist und keine Getränke mit nach draußen genommen werden. Ein Plastikvorhang und regulierte Boxen helfen nach.

Musiktechnisch wird in der Bar von Berliner DJs bis zu Easy Listening alles geboten. Am Wochenende wird der kleine Raum vor allem mit Elektro beschallt, unter der Woche geht es eher ruhig zu. Ein bisschen Indie und öfter auch mal eine Liveband. Geöffnet haben die Freunde ab 20 Uhr bis der letzte geht.

Es küsst der Hirsch, die Waage kippt

Wenn sich die Gäste verabschieden und nicht mehr so viel los ist, dann gibt es als Betthupferl ein Tütchen "Schlaf-Schäfchen" mit Gummibärchen. Denn kleine Geschenke erhalten schließlich die Freundschaft.

Und auch sonst gibt es im Für Freunde jede Menge Specials. Neben den Schäfchen und dem Haimhauser Bier, das in der sonst eintönig unter Augustiner und Tegernseer aufgeteilten Barwelt eine exotische, wenn auch nicht durchweg geschätzte, Ausnahme darstellt (Halbe 3,20 Euro, Pils 3 Euro), zählt auch der Hirschkuss zu den Geheimtipps. Den gibt's nicht vom Hirschgeweih an der Wand, sondern aus der Flasche. Eine wirkliche Besonderheit, denn sonst wird der 40-prozentige Kräuterlikör in München nur selten ausgeschenkt.

Freunde des Kräuterschnapses können sich noch auf ein weiteres Highlight freuen: Der Einsatz der Waage, die etwas deplaziert hinter dem Tresen an der Wand hängt. In die eine Schale kommen drei Stamperl, in die andere wird das Trinkgeld gegeben. Schlägt die Waage um, gibt es für die Gäste eine Flasche Jägermeister aufs Haus.

Das improvisierte Retro-Ambiente und nicht zuletzt die kleinen Extras an der Bar haben dem Für Freunde im Gärtnerplatzviertel zu jeder Menge Stammgästen verholfen. Für die einen ist es das Berlin-Flair, nach dem sie in München verzweifelt suchen, für die anderen einfach ein gemütliches Wohnzimmer bei Freunden.

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