Früherkennung bei der Münchner Polizei:Kommissar Knigge

Früherkennung bei der Münchner Polizei: Bayernweit einzigartige Dienststelle: Tausend Fälle pro Jahr landen bei Hauptkommissar Gröbner und seinen Mitarbeitern.

Bayernweit einzigartige Dienststelle: Tausend Fälle pro Jahr landen bei Hauptkommissar Gröbner und seinen Mitarbeitern.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Früherkennung der Münchner Polizei wacht über das Benehmen der Beamten und soll Fehlverhalten vorbeugen. Ihr Leiter Dieter Gröbner nennt es eine bayernweit einzigartige Einrichtung.
  • Seine Abteilung prüft pro Jahr etwa 1000 Fälle, darunter auch sämtliche Strafanzeigen gegen Polizisten, 500 waren es im Jahr 2013.
  • Im Fall des Prügelpolizisten aus der Au aber sei man machtlos gewesen, sagt Gröbner. Der Beamte sei vorher nie besonders auffällig gewesen.

Von Susi Wimmer

Es ist eine Gratwanderung, die Dieter Gröbner da zu bewältigen hat. Er soll am Image der Polizei arbeiten, rechtzeitig gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen vorgehen und dabei gleichzeitig Fürsorge für die Beamten tragen.

Er, der Polizeihauptkommissar, wird von seinen Kollegen zuweilen skeptisch beäugt und sicher nicht jeder, der in Gröbners Büro landet, ist davon überzeugt, dass das nur zu seinem Besten geschieht. Dieter Gröbner ist Chef der Früherkennung am Polizeipräsidium München. Er nennt es "eine Fürsorgedienststelle", die bayernweit einzigartig ist.

Polizisten mit Verbindung ins Rotlicht-Milieu

Die Pinnwand ist voll mit persönlichen Karten, Fotos und Erinnerungen aus seiner Dienstzeit. Gröbner ist 50 Jahre alt, früher arbeitete er unter anderem als Pressesprecher am Präsidium. Jetzt sitzt er mit seinen sechs Mitarbeitern in dem Polizeigebäude am McGraw-Graben in Giesing. Die Räume sind hell, ruhig, mit vielen Grünpflanzen und befinden sich in Sichtweite zu den Disziplinarbehörden. "Wir sind keine internen Ermittler", das ist das erste, was er betont. Seine Dienststelle hat keinerlei rechtliche Handhabe, sie berät nur, um Schlimmeres zu verhindern.

Schlimmeres wie etwa Ende der Neunzigerjahre, als die Münchner Polizei aus den Negativschlagzeilen nicht mehr herauskam. Da waren vier Beamte der Wiesnwache, die Oktoberfestbesucher verprügelten; zwei Polizisten, die betrunken auf der Wache mit ihren Dienstpistolen herumballerten; eine 22-jährige Polizistin, die Selbstmord beging und deren Mutter danach schwere Vorwürfe wegen Mobbing und sexueller Belästigung durch die männlichen Kollegen auf dem Polizeirevier erhob. Im Februar 1999 war das.

Nur einen Monat später kam auf, dass Beamte der Ottobrunner Polizei Verbindungen ins Rotlicht-Milieu unterhielten und in Schleuser- und Rauschgiftgeschäfte verwickelt waren.

Nach diesen Vorfällen entschloss sich das Münchner Präsidium, eine Früherkennung einzurichten. Heute beispielsweise prüft Gröbners Truppe die Polizisten, die sich freiwillig zum Dienst auf der Wiesn melden. "Die müssen stressresistent sein", sagt er. Die Früherkennung schaut, ob der Kandidat schon einmal eine Körperverletzung im Amt begangen hat oder sich Widerstandshandlungen und Beschwerden häufen. "Dann würden wir dem Chef empfehlen, ihn nicht zu nehmen."

In München sind hauptsächlich junge Beamte im Einsatz

Aus der Beschwerdeabteilung des Präsidiums kamen 2013 insgesamt 450 Fälle, weil Bürger sich über das Verhalten von Beamten geärgert hatten. "Natürlich ist es schwierig abzuschätzen, ob nun der Bürger oder der Beamte im Recht ist", sagt Gröbner. Zum einen sei für den Bürger die Situation, in der er mit dem Polizisten zusammentrifft, meist belastend. Ob Kontrolle oder Strafzettel.

Zum anderen räumt Gröbner auch ein, seien in München hauptsächlich junge Beamte im Einsatz. "Und zur Polizei gehört Erfahrung, auch, um draußen akzeptiert zu werden." Der Bürger ärgert sich beispielsweise über einen herablassenden Ton. Der Polizist muss zu dem Vorfall eine Stellungnahme verfassen. "Und wir können da schon herauslesen, ob sich der Beamte rechtfertigen will." Zudem sieht seine Dienststelle, ob der Beamte schon häufiger auffällig war, ob sich ein roter Faden durch sein Verhalten zieht. "Dann kann man auch mal ein Kommunikationsseminar vorschlagen, in dem dem Beamten ein Spiegel vorgehalten wird. Damit er mal sieht, wie er eigentlich so rüberkommt."

500 Strafanzeigen gegen Polizisten

Zu den 450 Beschwerden kommen etwa 500 Strafanzeigen, die im Jahr 2013 gegen Münchner Polizeibeamte erstattet wurden. Auch die landen bei der Früherkennung. Ebenso wie gut ein Dutzend Hinweise von Polizisten, die am Verhalten eines Kollegen etwas Auffälliges finden. Etwa, wenn ein Beamter beim Einschreiten "immer etwas überzieht", wenn er sich abfällig gegenüber Ausländern verhält oder ein Problem mit Jugendlichen hat. In schwerwiegenden Fällen wird der Betroffene schon mal zur Früherkennung eingeladen. "Wir sind Kommunikationsprofis, wir merken schon, ob der Kollege ein Problem hat", sagt Gröbner.

"Natürlich haben unsere Beamten viele schwierige Einsatzsituationen zu bewältigen", sagt er. Wenn sie zum Beispiel zwischen betrunkenen Discogängern schlichten sollen und die dann auf die Polizei losgehen. Trotzdem müssen die Beamten sauber arbeiten. "Wir müssen das Einschreitverhalten professionalisieren; das gibt auch dem Beamten Handlungssicherheit."

Geldprobleme von Beamten sind heikel

Aber auch bei der Polizei gibt es nichts, was es nicht gibt. Der Beamte aus der Au beispielsweise, der eine gefesselte junge Frau in der Zelle prügelte, der sei "vorher nicht groß aufgefallen", erzählt Dieter Gröbner. Es gab mal einen Vorfall in seiner Zeit als Zivilbeamter, aber "ein einmaliges Fehlverhalten ruft noch nicht die Früherkennung auf den Plan".

Dann gibt es natürlich auch Polizisten, aus deren Arbeit sich Verbindungen zu Prostituierten entwickeln. Gröbner weist die Kollegen in solchen Fällen darauf hin, zu welchen Problemen derartige Verflechtungen führen können. "Es geht auch immer um das Ansehen der Polizei." Und das verfolgt jeden Beamten bis ins Privatleben: Ob er ein Problem mit Alkohol hat, was er in der Freizeit so macht, ob er sich mit Rockern oder Hooligans umgibt, "das interessiert uns natürlich auch".

Ebenso die finanzielle Lage des Beamten: "Wenn ein Kollege übermäßig verschuldet ist und Gehaltspfändungen stattfinden, dann ist das natürlich eine schwierige Situation, weil wir auch beruflich mit Bargeld zu tun haben", sagt Gröbner. Bei einem Beamten der Innenstadtinspektion war das der Fall: Sein Gehalt wurde gepfändet, die Früherkennung schaltete sich ein, weil der Polizist als Kassenbeamter tätig war und Sicherheitsleistungen, die Bürger hinterlegen mussten, verwaltete. Tatsächlich stellte sich bei einer Überprüfung heraus, dass 40 000 Euro fehlten. Der 41-jährige Polizeiobermeister zeigte sich schließlich selbst an und wurde vom Dienst suspendiert. "Solche schwarzen Schafe können wir bei der Polizei nicht brauchen, da ist das Vertrauensverhältnis zerrüttet", sagt Dieter Gröbner.

Von den etwa 1000 Fällen, die die Früherkennung pro Jahr prüft, passiert es in den seltensten Fällen, dass ein Beamter vom Dienst suspendiert wird. Das sei die ultima ratio. Natürlich, räumt Gröbner ein, gebe es bei Einsatzteams "gruppendynamische Prozesse", und da komme es auch vor, dass der Sprachgebrauch in der Gruppe gegenüber Kolleginnen manchmal entgleise. Die Früherkennung spricht immer zuerst mit dem Dienststellenleiter, empfiehlt Kurse, stellt einen Kontakt zum zentralen psychologischen Dienst der Polizei her, wenn nötig auch zur Sucht- oder Schuldnerberatung. Oder empfiehlt dem Beamten eine Fortbildungsmaßnahme.

Das Ansehen der Polizei bei der Bevölkerung spiele eine wichtige Rolle. "Nicht alles was rechtlich möglich ist, ist so gewollt", lautet das Credo von Dieter Gröbner. Beamte verfügen über Macht, "und diese Machtposition sollte man nicht ausnutzen". Denn am Ende reicht es, wenn sich einer falsch verhalten hat - dann heißt es immer, das war "die Polizei".

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