Frühere Schauspielerin Margit Geissler:Von der Soap-Darstellerin zur Bordell-Betreiberin

Margit Geissler

"Wieso soll mir der Job hier auch peinlich sein", fragt Margit Geissler. Die frühere Schauspieler ist heute Puffmutter.

(Foto: Catherina Hess)

Ihre Rolle im "Marienhof" war die einer Ex-Prostituierten. In der ARD-Vorabendserie spielte Margit Geissler ein ehemaliges Callgirl, das den Absprung geschafft hat und einen Kiosk betreibt. Jetzt ist die Schauspielerin aus dem Filmgeschäft raus - und Puffmutter in einem Münchner Industriegebiet.

Von Florian Fuchs

Eigentlich könnte doch das die Rolle sein: Schauspielerin, Anfang 50, bewegtes Leben, bekommt seit längerem keine Filmangebote mehr, also geht sie in den Puff. Als Chefin, nicht als Prostituierte, aber: Puff. Wenn der ganze Verbotene-Liebe-GZSZ-Kram zieht, dann müsste die Story doch auch ankommen. Tut sie aber nicht, ganz offensichtlich, sonst hätte sich schon ein Drehbuchautor gefunden, der die Sache zu Papier bringt. Margit Geissler also hat keine Hauptrolle mehr, außer in ihrem wirklichen Leben: im Bordell, im Industriegebiet in Pasing, ihrem "bunten Ponyhof", wie sie es nennt.

Und das sind jetzt die Fragen: Ist das für sie in Ordnung, im Rotlicht? Ist der Job peinlich für eine 54 Jahre alte Frau, die im Marienhof gespielt hat und in Juxfilmchen mit Gottschalk, aber eben auch in der Serie "Monaco Franze" und mit Iris Berben? Behauptet sie nur, dass sie wirklich Spaß hat hier im Berdux 5? Oder starrt sie zu Hause auf das Telefon, weil sie wartet, dass endlich wieder ein Anruf kommt von ihrer Agentur?

Leopardenfell um den Hals

Auf der Straße stehen ein paar Dieselanhänger, gegenüber verrottet eine aufgelassene Tankstelle, aber das Haus mit der Nummer fünf ist die "Oase der Lust und Leidenschaft". So steht es zumindest auf dem Schild, das an der Fassade klebt. Das Berdux 5 ist kein Laufhaus, das Bordell inseriert beim Boulevard - und dann rufen die Freier brav an und machen Termine. Den Empfang übernimmt Geissler persönlich: blondes Haar, ehrgeizig geschminkt, Leopardenfell um den Hals und Handschuhe aus Schlangenleder. Sie hat nicht nur Filme gedreht, sie hat auch mal den deutschen Vorentscheid des Eurovision Song Contest moderiert, im Deutschen Theater war das. Dann, als die Rollenangebote ausblieben, hat sie auf Personenschützerin umgeschult, kein Scherz: so richtig mit Nahkampfausbildung und Schießübungen. Einige Zeit hat sie reiche Familien vor dem Unbill dieser Welt bewahrt, in Starnberg zum Beispiel. Nun steht sie an der Tür und sagt: "Hallo Süßer."

Es ist schummrig im Berdux 5, an der Bar brennt nur ein kleines Licht, aber Margit Geissler kann Geschichten von früher erzählen, dass die Sonne scheint. Nach etwa fünf Minuten ist klar, dass es schon ganz früh glitzerte in ihrem Leben: Von Berlin nach München gezogen, hat sie bald PR bei Ralph Siegel gemacht, sie hatte Kontakt zu Boney M. Und sie hat für Ricky Shayne gearbeitet. Das war der Schlagersänger aus Frankreich, der "Mamy Blue" sang und damit tatsächlich so etwas wie Erfolg hatte. Spannende Sache für eine junge Frau, aber Geissler hat sich irgendwann gedacht: "Warum soll ich für andere Durchgeknallte arbeiten, eigentlich hatte ich selbst Pläne."

"Ein bisschen verrückt bin ich schon"

Der Plan war Schauspielerin, aber weil das wohl mal jedes kleine Mädchen träumt und es deshalb nicht ganz so einfach ist, landete Geissler zunächst bei den seichteren Produktionen. Sie ist nicht mehr gut zu sprechen auf diese Filmtitel, die ziemlich lustige Namen hatten: "Die schönen Wilden von Ibiza" oder "Heiße Kartoffeln". Und sie will da auch nichts hinein interpretiert wissen. "Das hat mit dem Job heute nichts zu tun", sagt sie und zieht nach 15 Minuten an ihrer dritten Zigarette: "Ganz ehrlich: Da hat heute jede Lätta-Werbung mehr Erotik als diese Filmchen."

Frühere Schauspielerin Margit Geissler: Das Berdux 5 ist kein Laufhaus, das Bordell inseriert beim Boulevard - und dann rufen die Freier brav an und machen Termine.

Das Berdux 5 ist kein Laufhaus, das Bordell inseriert beim Boulevard - und dann rufen die Freier brav an und machen Termine.

(Foto: Catherina Hess)

Die Filmchen waren bald vergessen, der Plan ging auf, es kamen zwar nie die ganz großen, aber immerhin größere Rollen. Nur 1985, da klopfte plötzlich der Bayerische Rundfunk an: "Ein Lied für Göteborg", Vorentscheid für den Eurovision Song Contest. Das war ein fettes Ding, drei Jahre nach Nicole und "Ein bisschen Frieden". Das Problem war bloß: "Die wollten, dass ich auf Rollschuhen moderiere." Sie stand noch nie auf diesen Dingern, also hat sie drei Tage im Rollpalast geübt, dann ging es los. Für die Begrüßungssequenz musste sie durch eine aufgebrochene Styroporwand, dann über die rumpeligen Holzdielen der Bühne und eine rutschige Folie auf einen Steg, der ins Publikum hineinreichte. "Und zum Schluss: Punktlandung vor fünf Kameras. Ich hatte so einen Schiss!"

Sie hat das trotzdem einfach gemacht damals, wie später die Ausbildung zur Personenschützerin und heute den Job als Puffmutter. Sie ist wohl so. "Ein bisschen verrückt bin ich schon", sagt Geissler. Und es ist ja auch gut gegangen. Aber wie ist es nun hier, im Berdux 5? Geht das auch gut, oder ist das die Verzweiflung? Geissler antwortet nicht immer gleich, manchmal braucht sie ein bisschen, weil sie viel in ihr Handy tippt. Tochter Danny-Babette, sie studiert in Berlin, will wissen, wie der Plan fürs Weihnachtsfest aussieht. Der Plan ist noch nicht ganz klar, aber Danny-Babette ist ein gutes Stichwort. Die Tochter ist kein unwesentlicher Faktor, dass heute die Angebote ausbleiben. "Ich musste mich entscheiden", sagt Geissler, "und das habe ich auch: Meine Tochter ins Internat zu stecken, kam überhaupt nicht in Frage."

Also hat sie Mitte der 90er Jahre beim Marienhof angeheuert, der ersten Daily Soap im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ihre Rolle: eine Ex-Prostituierte, die den Absprung geschafft hat und nun einen Kiosk betreibt. "Ja ja, haha", sagt Geissler und grinst. Was zählte: Es war ein festes Engagement über viele hundert Folgen, und es war in München - immer in der Nähe der Tochter. Aber es war halt auch eine Soap, und da sprechen die Schauspieler den Satz "Ich liebe dich" ungefähr im gleichen Tonfall in die Kamera wie den Satz "Ich bring' den Müll runter."

Die Serie - der Anfang vom Ende

Geissler kann noch heute beachtlich schimpfen über diese Serie und ihre zumeist wenig talentierten Darsteller - das klingt auch ziemlich bedrohlich, wenn die Raucherstimme anfängt zu rasseln. Zusammengefasst sieht sie es so: Die Serie war der Anfang vom Ende. "Wer einmal bei so etwas mitspielt, dem geben sie nichts mehr anderes", sagt sie. Wer als Schauspielerin nach Scheidung und als alleinerziehende Mutter außerdem nicht flexibel ist und für einen Dreh auch mal in eine andere Stadt reist, der hat es doppelt schwer.

Und deshalb ist es nun natürlich schon so: Ein bisschen Wehmut kann Geissler nicht verbergen. "Nach einer Nummer wie mit dem Eurovision Song Contest vor Millionen TV-Zuschauern würde ich heute viel Geld verdienen", sagt sie trotzig, und sei es als eine Art Katzenberger. Sie war ja immer die Blonde, sie hatte einen Draht zum Boulevard. Vielleicht hätte sie sogar Werbung für Zahnbleichmittel gemacht oder ähnliches, aber das Privatfernsehen war noch nicht so weit, die Zeiten waren anders damals. Stattdessen hat sie halt als Personenschützerin gearbeitet, aber die reichen Familien fliegen auch ständig in der Welt herum, womit sich wieder das Problem mit der Tochter stellte.

Und nun steht sie eben seit ein paar Monaten im Berdux 5 und antwortet schließlich, was man halt so antwortet auf unangenehme Fragen: "Ich bin immer offen für Neues", zum Beispiel. "Ich arbeite, das ist schön. Manche Schauspieler ohne Engagements, die ertrinken nur in Selbstmitleid." Oder auch: "Ich werde das Schauspielern immer lieben." Sie sagt aber auch das: "Über ein Rollenangebot würde ich mich freuen. Aber wenn ich deswegen den Job hier aufgeben müsste? Nö, dann nicht."

Das könnte jetzt ein Satz für die Außendarstellung oder der große Selbstbetrug sein, aber darauf deutet nichts hin. Geissler ist nicht der Typ, dem etwas peinlich ist. "Wieso soll mir der Job hier auch peinlich sein", sagt sie. Verzweifelt ist sie auch nicht. Sie hat wirklich Freude als Puffmutter im Berdux 5, das spürt man, wenn sie von ihrem "Ponyhof" erzählt. Sie hat hier schließlich alles, was sie braucht: Zickenkrieg, verrückte Gäste, Drama, Liebe, Spaß - und einmal die Woche Zeit für Friseur und Nagelstudio. Kurz: Margit Geissler hat jetzt ihre eigene Daily Soap. Da sind zwar keine Kameras. Aber es ist ihre Hauptrolle, und deshalb ist das absolut in Ordnung für sie: Arbeitsbedingungen und Nebendarsteller sucht sie nun selbst aus.

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