Süddeutsche Zeitung

Fröttmaning:Riesen-Windrad fällt bei Fachleuten durch

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Es ist 179 Meter hoch, verfügt über einen Rotor mit 118 Metern Durchmesser - und wird womöglich nie gebaut: Die Stadtgestaltungskommission hat sich gegen das Windrad ausgesprochen, das die Stadtwerke neben der Arena in Fröttmaning errichten wollen. Sie schlägt eine andere Lösung vor.

Von Alfred Dürr

Die Pläne für ein zweites Windkraftwerk der Stadtwerke neben der Fußball-Arena sind in der Stadtgestaltungskommission durchgefallen. Auf der neuen Mülldeponie, die nördlich des Fröttmaninger Stadions zwischen der Nürnberger Autobahn und dem Autobahnring A 99 liegt, soll das gigantische Windrad errichtet werden.

Bis zu 179 Meter würde es aufragen, der Rotor (Gesamtheit inclusive der Rotorblätter) hätte einen Durchmesser von 118 Metern. Rund 1700 Haushalte könnten nach Angaben der Stadtwerke durch diese Anlage mit Strom versorgt werden. Doch passt das Riesending wirklich in die Landschaft? Die Architekturexperten der Stadtgestaltungskommission haben jetzt die Frage mit einem klaren Nein beantwortet.

Den Fachleuten fehlt ein planerisches Gesamtkonzept. Zufällig stehe ein Müllberg zur Verfügung, sagte der Architekt Ludwig Wappner, und darauf stelle man halt das gewaltige Bauwerk ab. Keinerlei Überlegungen zur Landschaftsarchitektur seien erkennbar, ergänzte sein Kollege Klaus-Dieter Neumann.

Statt eines weiteren einzelnen Windrads sei ein ganzes Ensemble die bessere gestalterische Lösung. Für den planungspolitischen Sprecher der CSU-Stadtratsfraktion, Walter Zöller, stört der mächtige Nachbar das Erscheinungsbild der Fußball-Arena massiv. Zöller: "Das Stadion ist weltweit zu einem architektonischen Zeichen geworden. Man darf nicht einfach etwas danebenklatschen."

Da mussten die Vertreter der Stadtwerke schlucken. Immerhin hatten sie die verschiedenen Sichtachsen analysiert. Zu erkennen sei die Anlage nur in einem Umkreis von zehn Kilometern, darüber hinaus sei sie kaum noch wahrzunehmen, sagte Christian Schumacher, der bei den Stadtwerken für regenerative Energieprojekte zuständig ist. Zudem verstellten Häuser und Wälder den Blick auf die Anlage.

Von Aufbruchseuphorie nichts mehr zu spüren

Die Stadtwerke wollten "ökologisch unbedenklichen Strom erzeugen". Dafür brauche man "bauliche Werbeträger". Das neue Windrad könne jährlich bis zu sechs Millionen Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom liefern und damit bis zu 4800 Tonnen CO2-Emissionen sparen. Außerdem sei die Umgebung bereits durch eine "moderne Infrastruktur" geprägt. Dazu gehörten das Autobahnkreuz, die U-Bahntrasse, das bestehende Windrad, die Türme der Kläranlage und nicht zuletzt die Fußball-Arena.

Schumacher verwies auch darauf, wie schwierig es sei, überhaupt einen Platz für ein Windrad zu finden. Ein aufwendiges Prüfungs- und Genehmigungsverfahren ist nämlich Pflicht. Es gebe keinen anderen Standort als den Müllberg auf der Deponie Nord-West. Für Windparks mit mehreren Anlagen im Ensemble sei auf dem Stadtgebiet überhaupt kein Grundstück zu finden.

Als Ende der Neunzigerjahre das erste Windrad in München auf dem Müllberg in Großlappen gegenüber vom Fußball-Stadion errichtet wurde, war die Stimmung unter den Hütern des Stadtbildes noch etwas anders. Die Stadtgestaltungskommission begrüßte das 100 Meter hohe Projekt mit Nachdruck. Auch die damalige Stadtbaurätin Christiane Thalgott lobte den Symbolcharakter der Anlage - also die Idee, an einer hochfrequentierten Stadteinfahrt für die Ökotechnologie zu werben.

Von dieser Aufbruchseuphorie ist heute nichts mehr zu spüren. Einstimmig forderte die Kommission die Stadtwerke auf, ihre Planungen "zu überdenken". Die in der Diskussion vorgebrachten Einwände sollten berücksichtigt werden. Seit drei Jahren tragen die Stadtwerke alle erforderlichen Unterlagen und Gutachten zusammen. Weitere Genehmigungshürden sind zu nehmen, bis dann frühestens im nächsten Jahr mit dem Bau des Windrads begonnen werden kann.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2013
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