Süddeutsche Zeitung

Friseursalons:Hairgott noch mal!

In manchen Straßen in München eröffnet ein Friseur neben dem anderen. Dass sich das trotzdem lohnt, sagt viel über die Stadt aus.

Von Pia Ratzesberger

Der Mann hat seinen Laden gerade erst eröffnet, vor nicht einmal drei Wochen, und nun steht er an der Tür und wartet. Die Sonne blendet, hinter ihm die fünf Stühle, noch keine Kunden. Aber er ist eben nicht der einzige in der Straße. Sondern der zehnte.

Geht man die Tegernseer Landstraße entlang, wirbt ein Salon neben dem anderen. Sie heißen Friseur Ibo, Friseur Styling House, Friseur Neven, Haarwelt, City Hair, Cut in the City, und irgendwann steht man also vor der Hausnummer 50, vor diesem Mann mit dem neuen Salon, und fragt ihn, warum um alles in der Welt er ausgerechnet in dieser Straße noch einen Laden aufgemacht hat. Hamudi Avdo Hammo, 41, beugt sich dann nach vorne und sagt: "Weil hier viel los ist." Damit hat er auf jeden Fall recht.

Die Tegernseer Landstraße ist nur eine von vielen Straßen Münchens, in denen immer mehr Salons eröffnen. Im Glockenbachviertel finden sich selbst in kürzeren Straßen manchmal vier, fünf Läden, auch in Neuhausen oder in der Altstadt. Das sagt viel über eine Stadt aus, in die zwar immer mehr Menschen ziehen, die aber trotzdem mancherorts überproportional viele Friseure zu beschäftigen scheint. Kann sich das für all die Läden überhaupt lohnen?

In der Nachbarschaft von Hamudi Avdo Hammo beginnen die Preise bei um die zehn Euro, manchmal verlangen seine Konkurrenten sogar weniger. Sie beginnen sich gerade zu unterbieten. In einem Schaufenster ein paar Meter weiter hängt ein Schild mit den Worten "Angebot Herrenschnitt für neun Euro", und einer der Mitarbeiter in dem Laden sagt: "Ganz schön billig, was? So läuft das hier jetzt." Manche dieser Friseure klagen, dass weniger Kunden kommen, während in einem teureren Laden mit Glühbirnen an der Decke kaum noch Termine frei sind.

In diesem Salon wäscht gerade Martin Leitner, 29, einem Kunden die Haare, der Schnitt wird 43 Euro kosten, bei Frauen beginnen die Preise ab 56 Euro. Ein bärtiger Mann nach dem anderen tritt an diesem Nachmittag durch die Tür. Es kommen vor allem Männer her, was auch damit zu tun hat, dass sich der Laden nicht nur Friseur, sondern auch Barbier nennt.

Manchmal müssen Kunden drei Wochen auf den nächsten freien Termin warten

Leitner setzt die Schere an, der Kunde erzählt gerade, dass sich manche seiner Studienkollegen auch schminken, wenn auch dezent. Er studiert Geschichte auf Lehramt. Leitner nickt, immer mehr Männer seien bereit, viel Geld für ihr Äußeres auszugeben, sagt er. Gerade in einer Stadt wie München. Gerade in einem Viertel wie Giesing, in dem die Mieten steigen.

Seine Abendtermine seien bis Oktober ausgebucht, manchmal müssten Kunden drei Wochen auf den nächsten freien Termin warten. Jeder der Friseure im Laden habe um die 60 bis 70 Stammkunden - und die kommen in immer kürzeren Abständen. Zwar gibt es den Salon schon sieben Jahre, aber natürlich profitiere man davon, dass die Straßen "geldiger" werden, wie Leitner es nennt. "Wir haben einen enormen Zuwachs."

Auf einem Blogeintrag des Immobilienunternehmens Engel und Völkers wird unter der Überschrift "So erkennen Sie das nächste In-Viertel" neben einer wachsenden Kunstszene und einer sinkenden Kriminalitätsrate auch der Handel genannt: "Wartet die Haupteinkaufsstraße mit hippen Friseursalons auf, lässt der Anstieg der Immobilienpreise nicht mehr lange auf sich warten", ist dort als ernst gemeinter Rat für Makler und Käufer zu lesen. Der Tegernseer Landstraße dürfte demnach noch Zeit bleiben - sie hat zwar sehr viele Friseursalons, aber wenige, die ein Makler als "hip" bezeichnen würde. Für die geht man am besten über den Fluss, hinüber ins Glockenbachviertel.

An der Baaderstraße zum Beispiel gibt es mittlerweile fünf Friseure, einer davon heißt Francy Busch. Im Laden steht eben dieser Francy Busch, ein junger Typ in Turnschuhen, und bespricht sich mit seiner Kundin. Fragt man ihn, warum er an eine Straße gezogen ist, in der es an Friseuren nicht gerade mangelt, antwortet er, drei Jahre lang habe er gesucht. Auch andere Läden habe er sich angesehen, aber in der Gegend um den Marienplatz zahle man schnell das Siebenfache. Läden für 10 000 Euro im Monat, für 43 000 Euro. Busch glaubt ohnehin nicht, dass es irgendwann zu viele Friseure werden könnten, weder hier im Viertel, noch in der gesamten Stadt. Die Handwerkskammer zumindest gibt ihm recht.

Dort heißt es, die Zahl der Salons sei in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, aber nicht auffällig, wenn man berücksichtige, dass heute eben auch mehr Menschen in München leben. Waren es 1998 einschließlich Filialen 1245 Friseurbetriebe, sind es heute 1497 - also etwa 250 mehr. Die Läden siedelten sich selbstverständlich dort an, wo sich die Kundschaft aufhalte, sagt ein Sprecher, wo also viele Leute wohnten, "die Wert auf regelmäßig gestutztes Haar legen".

Francy Busch, 32, profitiert von dem Wandel des früher so wilden Gärtnerplatzviertels. Es wäre doch gelogen, das Gegenteil zu behaupten, sagt Busch. Ein Haarschnitt kostet bei ihm 60 Euro. Sechsmal so viel wie auf der anderen Flussseite. Die Optik werde eben wichtiger, es gebe immer mehr Menschen, "die davon abhängig sind, gut auszusehen". Und die brauchten immer mehr Friseure. Er deutet hinüber zu dem Haus auf der anderen Straßenseite, "jetzt lass da 16 Klingelschilder dran sein und in jeder Wohnung zwei Leute wohnen, wahrscheinlich sind es teils mehr". Dann seien das 32 Kunden - "und das machste erst mal".

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Quelle:
SZ vom 23.08.2018/haeg
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