Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Willkommen bei den Haarlekins

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Unser Autor hat sich die Gepflogenheiten bei den Friseuren einmal angesehen. Und hat beinahe Mitleid mit ihnen bekommen.

Kolumne von Olaleye Akintola

Diese Geschichte muss in einem Friseursalon im Münchner Osten beginnen. An dem Tag, als dort ein Mann nach der Frisur von David Beckham verlangte - bekannt für seine fiesen Freistöße, berühmt für seine aufwendige Haartracht. Hier in München handelte es sich jedoch um einen Kunden, bei dem der Geheimrat bereits häufig getagt hatte, was den Wunsch nach einer Beckham-Frisur einer Utopie gleichkommen ließ. Und dennoch: Der arme Friseur erklärte souverän, er werde sein Bestes geben. Wahrscheinlich hat er schon viel unlösbarere Aufträge erledigen müssen.

Einerseits sind sie nicht wirklich zu beneiden, die Münchner und Münchnerinnen mit den Scheren und Kämmen. Wo doch das Friseurbusiness manchmal Dinge von ihnen verlangt, die weit über die Gesetze der Physik hinausgehen. Die absurden Vorlieben werden im Kopf der Kunden geformt, und die Friseure müssen dann irgendwie an der Oberfläche klarkommen. Meine Yoruba People in Nigeria würde sagen: "Je breiter der Kopf, desto größer das Kopfweh."

Mitleid mit den Haarstylisten dieser Stadt ist dennoch weniger angebracht, im Gegenteil. Wo doch die Münchner erstaunlich bereitwillig Geld und Zeit investieren, um jenen zu gleichen, die man auf Plakaten, in Zeitschriften und im TV sieht. Man muss nur mal durch die Straßen der Innenstadt flanieren und vergleichen: Es sind nicht nur die Frauen. Nicht sie sind die Münchner Eitelkeits-Gewinner. Vor allem die Männer dieser Stadt stechen hervor. Es bleibt nicht beim Friseurbesuch, danach geht's auch noch zum bartfrisierenden Barbier. So mancher Zeitgenosse trägt einen Bart wie aus einem Wachskabinett, der davon fließt, wenn man neben einem Kachelofen sitzt.

Offenbar gibt es verschiedenste Motive für einen Haar- oder Bartschnitt. Manchem geht es um eine Mischung aus Hygiene und Praktikabilität. Bei anderen hingegen steht der Look im Fokus. Ich bin in einer Gegend geboren, wo das manuelle Haarschneider-Werkzeug in war, ein Gerät das einer Schreinerzange glich. Ich erinnere mich, wie das Gerät über meinen Kopf fuhrwerkte. Das Ergebnis war stets gleich: der verpflichtende Kurzhaarschnitt für Schulbuben in meiner Highschool. Eine ökonomische und zeitsparende Sache war das. Dafür muss man nicht einmal einen Salon besuchen. Alles, was man braucht, ist ein Haartrimmer und ein Spiegel, vor dem man sich Stück für Stück das Haupthaar trimmt.

Mein Vater sagte einmal, der Kurzhaarschnitt sei die beste Form von Haartracht: Man kränke damit niemanden - und es wehe eine kühle Brise, die den Kopf abkühlt von den hohen Temperaturen, die beim Denken entstehen. Mittlerweile ist in Nigeria der elektronische Rasierer en vogue, was auch weniger einheitliche Frisuren in Eigenarbeit ermöglicht - allerdings auch teurer und komplizierter ist, wegen der teils mangelhaften Stromversorgung im Land.

Und hier in München? Da geben die Haarträger ein Vermögen für die Optik aus. Allein für Cremes, Gels, Shampoos, Conditioner und Wachs. So mancher verwendet mehr Zeit für die Haarpflege als für den restlichen Körper. Manche gehen gar in den Salon, um die Haarfarbe ändern zu lassen. Und der Friseur vollbringt sein Werk - damit die Verbindung zwischen Haupthaar und Kopf gelingt.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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SZ vom 08.03.2019
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