Kosten fürs Haareschneiden:„Ein Euro pro Minute muss beim Besuch mindestens berechnet werden“

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Wer in Deutschland einen Friseurbetrieb eröffnen will, benötigt einen Meistertitel. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Die Friseurbranche kämpft mit Preisdumping, doch Schwarzarbeit ist nicht ihr einziges Problem. Welche Missstände bei Friseuren und Barbershops herrschen – und was die Stadt dagegen unternimmt.

Von Sophia Coper, Tim Feldmann, Mia Mertens, Beatrice von Braunschweig

„Ein Haarschnitt für zehn Euro – davon kann kein Friseur in München seinen Lebensunterhalt finanzieren“, sagt die Friseurmeisterin Indira Bobovecki aus Sendling und klagt über Dumpingangebote in ihrer Branche. Immer billigere Haarschnitte – das gehe nur, wenn ein Betrieb seine Angestellten schlecht bezahle oder illegal beschäftige, sagt Bobovecki. Sie hat sich der Initiative „Fairer Salon“ angeschlossen; nach eigenen Angaben eine Wertegemeinschaft von Friseuren, die sich für ehrliche Preise und gegen Schwarzarbeit engagieren.

Bobovecki ist mit ihrer Kritik nicht allein. Schwarzarbeit sei ein bundesweites Problem, bestätigt der Geschäftsführer des Zentralverbands Friseurhandwerk, Holger Stein. Zum einen komme es vor, dass Friseure im privaten Umfeld Haare schneiden, ohne die Einnahmen zu versteuern. Zum anderen tricksen manche Betriebe mit den Beschäftigungsverhältnissen: Sie melden etwa Mitarbeiter als Minijobber an, obwohl diese tatsächlich Vollzeit arbeiten. Der Kunde freut sich über einen niedrigen Preis, dem Friseursalon bleibt mehr Geld in der Kasse. Schließlich zahlt der Betrieb in diesem Fall nicht nur weniger Sozialleistungen für seine Belegschaft, sondern vermeidet auch Steuern. 

Indira Bobovecki in ihrem Salon. Die Friseurmeisterin ist Teil des Netzwerkes „Fairer Salon“. (Foto: Catherina Hess)

Stein schätzt, dass in der Friseurbranche ein Viertel des bundesweiten Nettoumsatzes – rund 1,5 Milliarden Euro – nicht versteuert werde. Die Ursachen erklärt er sich durch die „kleinteilige Struktur“ der Branche. „Es geht relativ schnell und einfach, sich im Friseurhandwerk als Unternehmer zu etablieren“, sagt Stein. Für eine Neueröffnung brauche es vergleichsweise wenig Startkapital und Ausstattung.

In München stellte 2024 die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine Arbeitseinheit des Zolls, bei 20 Prozent der geprüften Salons Mängel fest. Trotz des hohen Werts wiegelt die FKS ab. „Aufgrund eines hohen Prüfungsdrucks hat sich die Lage in den vergangenen zehn Jahren verbessert“, sagt ein Sprecher. Da die Branche für Schwarzarbeit bekannt sei, habe die FKS in der Landeshauptstadt ein „besonderes Augenmerk“ auf das Friseurhandwerk gelegt.

Die Friseurbranche ist undurchschaubar

Doris Ortlieb ist die Geschäftsführerin des Bayrischen Landesinnungsverbands für Friseure und Kosmetiker. Sie bezweifelt, dass die Schwarzarbeit spürbar abgenommen habe. Gleichzeitig räumt sie ein, dass sie die Arbeit des Zolls aus der Ferne nur schwer beurteilen könne, da so wenig aus der FKS nach außen dringe. „Aber was heißt schon Verbesserung?“, fragt Ortlieb. Schwarzarbeit sei seit Jahrzehnten ein Dauerthema. „Letztendlich ist es eine Hydra“, sagt sie, „sobald man einen Kopf abschlägt, wachsen zwei neue nach.“

Wie undurchschaubar die Friseurbranche ist, zeigen die jüngsten Entwicklungen. Zum Jahresbeginn hat die Stadt München gemeinsam mit der zuständigen Handwerkskammer angekündigt, Friseurbetriebe und Barbershops zu kontrollieren. Dafür werden das Kreisverwaltungsreferat (KVR), die Handwerkskammer und das Gesundheitsreferat zusammenarbeiten. Ab Ende Januar planen sie, unangekündigt Betriebe aufzusuchen.

Ziel ist es jedoch nicht, Schwarzarbeit aufzudecken, sondern vor allem die Meisterpflicht zu überprüfen. Um einen Friseurbetrieb zu eröffnen, benötigt man in Deutschland gemäß Handwerksordnung einen Meistertitel. Für Barbershops gilt diese Regelung nicht. Sie dürfen auch ohne Titel arbeiten – solange sie nur den Bart trimmen, schneiden und pflegen. Sobald ein Salon anbietet, die Kopfhaare zu schneiden oder den Bart zu färben, muss der Inhaber oder ein Betriebsleiter den Meistertitel nachweisen. Andreas Wagnitz, Rechtsexperte der Münchner Handwerkskammer, berichtet von regelmäßigen Vorwürfen, dass verantwortliche Meister nur auf dem Papier existieren, aber faktisch nie im Laden anwesend seien. 

Dem will die Kammer nun nachgehen. „Wenn der Meister angeblich im Urlaub ist, müssen wir das notieren und wiederkommen“, erklärt Wagnitz das geplante Vorgehen. Passiere das zu häufig, gehe man davon aus, dass der erforderliche Meistertitel fehle. 

Das Gesundheitsreferat will zudem prüfen, ob in Barbershops Hygienemängel bestehen. Im Sommer vergangenen Jahres berichteten Medien über eine Pilzerkrankung, die sich in Barbershops und Friseursalons verbreitet habe. Dem Referat lägen dazu Beschwerden vor, bestätigte die Sprecherin. Daraufhin habe das Amt eine Checkliste entworfen, anhand derer es Salons kontrollieren möchte. „Bei Feststellung von Hygienedefiziten wird den Betrieben die Möglichkeit gegeben, diese innerhalb einer angemessenen Frist zu beheben“, erläutert die Sprecherin.

Das KVR geht einen Schritt weiter und sieht Bestrafungen vor. „Die Sanktionen reichen von Verwarnungen über Bußgelder bis zu Betriebsschließungen, wenn gravierende Mängel fortbestehen“, so der Sprecher des KVR. 

Wie langfristige Verbesserungen in der Friseurbranche gelingen können

Die bayerische Innung begrüßt die angekündigten Kontrollen. „Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung“, lobt Ortlieb. Zwar gehe es bei den Prüfungen nicht um Schwarzarbeit, aber es verzerre ebenfalls den Wettbewerb, die Meisterpflicht zu umgehen. „Wenn ich eigentlich nicht berechtigt bin, zu arbeiten, ist das ein unfairer Vorteil“, erklärt sie. Ortlieb betont, dass die Probleme sowohl bei Barbershops als auch Friseurbetrieben vorkommen. Holger Stein vom Zentralverband bestätigt diesen Eindruck. Egal, ob Schwarzarbeit, Hygienemängel oder fehlende Meistertitel: „Das gibt es querbeet in der Branche“, sagt er.

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Um langfristige Verbesserungen zu erreichen, sind behördliche Kontrollen jedoch nur ein Baustein. Ortlieb und Stein sehen auch die Kundinnen und Kunden in der Verantwortung. „Ohne deren Sensibilisierung wird es keine Veränderung geben“, sagt Stein, die Menschen müssten bereit sein, einen angemessenen Preis für ihren Haarschnitt zu zahlen.

Die Münchner Friseurmeisterin Bobovecki hat dazu eine einfache Faustregel: „Ein Euro pro Minute muss beim Besuch mindestens berechnet werden.“ Je nach Standort und Größe des Ladens könne es auch mehr sein. Ein Herrenhaarschnitt in ihrem Salon „Indiras Top-Hair“ in Sendling koste 40 Euro, sagt Bobovecki. Anders lohne sich das nicht.

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