Kapital oder Kapitulieren. In unserem neoliberalen System sind das wohl die einzig verbliebenen Optionen. Denn wer über kein Kapital, kein Geld, keine Rücklagen verfügt, der ist, das sieht man aktuell wieder, verloren. Kapital oder kapitulieren. Im Song "Schrumpfen" der Münchner Band Friends Of Gas heißt es, irgendjemand würde diese Worte leise flüstern, bevor Sängerin Nina Walser sie dann mit gewohnt heißerer Stimme wie ein böses Mantra wiederholt. Die Musik dazu ist für Friends Of Gas-Verhältnisse vergleichsweise schleppend. Ein Karl-Marx-Blues mit klirrenden Postpunk-Gitarren, bei dem mit dem Wort "Munition" auch eine mögliche Revolution angedeutet wird. Nur dass die Munition unter "unseren Gärten" vermodert und am Ende alle noch immer "unbewaffnet" sind.
Zu hören ist "Schrumpfen" auf "Kein Wetter", dem zweiten Album und der insgesamt vierten Veröffentlichung von Friends Of Gas. Mit seinem vor vier Jahren erschienenen Debütalbum "Fatal Schwach" erregte das aus Thomas Westner (Gitarre), Veronica Burnuthian (Gitarre), Martin Tagar (Bass), Erol Dizdar (Schlagzeug) und Nina Walser bestehende Quintett ziemliches Aufsehen, wurde teilweise zur Band der Stunde erklärt. Und das, obwohl oder gerade weil sein von Postpunk, Darkwave, Krautrock und Neuer Deutscher Welle inspirierter "Sound des Nicht-Einverstanden-Seins" (BR-"Zündfunk") so gar nicht in die Charts- und Konsens-Radiowelt von heute passt. Die durch andere Projekte wie Atatakakatta, Majmoon oder Das Weiße Pferd tief in der Münchner Subkultur verwurzelten Musiker waren dementsprechend damals wohl selbst am meisten vom plötzlich eintretenden bundesweiten Rummel überrascht.
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Auf dem am 5. Juni, wegen Corona einen Monat verspätet beim Label Staatsakt erschienenen "Kein Wetter" gehen Friends Of Gas ihren Weg nun jedenfalls konsequent unangepasst und ruppig weiter. Und begehren in insgesamt zehn Songs gegen eine graue, lauwarme und totkultivierte Welt auf. So lauten zumindest einige der Schlagwörter, die einem Walser entgegen brüllt, oder besser: entgegenröchelt. Als wäre ihr Organ vom Schreien bereits ruiniert. Ein Titel wie "Graue Luft" lässt an die "Grauschleier" der Fehlfarben denken, bei "Waldbrand", "Abwasser" oder "Selber Keine" klingt die Apokalyptik und Verweigerungshaltung von Bands wie Suicide oder Die Nerven an. Sätze wie "Unsere Liebe ist nur ein in Hollywood gezüchtetes Monster" sind wiederum aus dem Sprachmassiv der Literatur herausgeschlagen oder davon inspiriert. Das heißt von Texten von Peter Stephan Jungk ("Stechpalmenwald") oder Walter Aue ("Blaiberg"), die Themen wie die Nachtseiten von Hollywood und eine Herztransplantation verhandeln.
Aufgenommen wurde "Kein Wetter", das sich laut Gitarrist Thomas Westner aus neuen, aber auch älteren Stücken wie "Abwasser" zusammensetzt, nicht wie "Fatal Schwach" oder die "Carrara"-EP (2019) wieder im Münchner Kafe Kult. Sondern in den Alien Research Studios im Industriegebiet von Weilheim, wozu sie Markus Acher von The Notwist eingeladen hat. Produzent war wie bei "Carrara" Olaf Opal ( The Notwist, Juli, International Music). Was, so Westner, aber heißt: "Er hat uns da eher machen lassen." Aktuell klappt genau das leider nicht. Alle Projekte liegen flach wegen Corona, selbst das Proben sei, so der Gitarrist, im Moment allenfalls zu zweit möglich. Auch die für Mai geplante "Kein Wetter"-Tour fiel komplett der Pandemie zum Opfer. Und deswegen haben er und seine Mitmusiker im Moment die Hoffnung, dass es wenigstens mit den für September, Oktober und November angesetzten Ersatzterminen klappt. Dazu gehört auch das ursprünglich für den 9. Mai im Münchner Strom geplante Release-Konzert. Dieses soll, wenn Corona will, es das Strom noch gibt und die dann aktuell geltenden Hygiene- und Sicherheitsregeln es zulassen, nun am 26. September dort stattfinden.
Friends Of Gas, "Kein Wetter" (Staatsakt)