Unter dem Motto „Sei die Brandmauer!“ haben einige Tausend Menschen am Donnerstagabend vor der Parteizentrale der CSU in München demonstriert. Sie protestierten gegen das Vorgehen von CDU-Chef Friedrich Merz, der einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mithilfe der AfD durch den Bundestag gebracht hat. Die Polizei schätzt die Zahl der Demonstranten auf 7000, die Veranstalter auf 10 000. Angemeldet waren 500.
Nach der Abstimmung in Berlin am Mittwochabend hat die SPD-Stadträtin Micky Wenngatz als Vorsitzende des Vereins „München ist bunt“ die Versammlung mit einem kleinen Team organisiert, darunter Luca Barakat, 19, der auch vor einem Jahr bei den großen Demos gegen rechts aktiv war. „Die Union öffnet die Türen für Rechtsextreme – wir halten dagegen!“, heißt es im Aufruf für die Kundgebung am Mittleren Ring in Schwabing. „Keine Zusammenarbeit mit Faschisten! Gemeinsam verteidigen wir die Demokratie und das individuelle Recht auf Asyl.“ Die Demonstranten sind am Ende der Versammlung aufgerufen, ihre Handy-Lichter anzuschalten, um auf Fotos mittels spezieller Technik eine symbolische Brandmauer entstehen zu lassen.


Die Stimmung am Donnerstag vor der CSU-Zentrale erinnert an die Demonstrationen vor einem Jahr. Diesmal richtet sich der Protest weniger gegen die AfD, sondern explizit gegen die Unionsparteien. Viele Teilnehmenden haben selbst gebastelte Plakate dabei, auf einem steht: „Sogar Mutti ist sauer.“ Die frühere Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat sich deutlich von Merz distanziert.
Im Foyer des CSU-Hauses läuft auf einem Monitor der Countdown zur Bundestagswahl: noch 24 Tage. Die Protest-Bühne steht vielleicht zehn Meter vor der CSU-Türe auf dem Fußweg. Zahlreiche Stadträte sind gekommen, auch Bürgermeister Dominik Krause (Grüne). Durch die getönten Scheiben des CSU-Hauses beobachten mehrere Personen die Menge. Nach der einstündigen Versammlung teilt die Polizei mit: keine Zwischenfälle.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Micky Wenngatz zitiert den ersten Satz des Grundgesetzes und fügt an: „Das gilt für alle Menschen.“ Auch für Menschen mit Migrationshintergrund, heißt das, weil die Union das Asylrecht stark einschränken will. Weil er dabei gemeinsame Sache mit der AfD mache, verletze Merz die Spielregeln der Demokraten im Bundestag. „Schämt euch!“ Immer wieder ruft die Menge dies Richtung CSU, „schämt euch!“ Dieser Sündenfall dürfe sich nicht wiederholen, fordert Wenngatz und appelliert an die CSU-Abgeordneten, bei der für Freitag vorgesehenen Abstimmung nicht erneut mit der AfD zu stimmen.
Eine weitere große Demonstration ist geplant – sie soll auf der Theresienwiese stattfinden
Zwei Münchner Ehrenbürger sprechen auf der Bühne, zunächst Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). „Es ist nicht ein Mensch sicherer seit gestern“, sagt er zu der rein symbolischen Abstimmung. Die Union begründet ihren Vorstoß zum Migrationsrecht vorwiegend mit Sicherheitsaspekten. Ude beschreibt die „Gefahr einer Verbrüderung, einer Umarmung“, zwischen Union und AfD. Nicht nur in formalen Fragen, sondern auch in inhaltlichen. Jemand wie Merz sei für ein hohes Staatsamt „ungeeignet“. Trotz aller Kritik plädiert Ude für eine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien und ruft CSU und CDU zu: „Kehrt zurück!“
Siegfried Benker, langjähriger Grünen-Chef im Stadtrat und später Chef von Münchenstift, ist der zweite Ehrenbürger, der die Union scharf kritisiert. Merz hole mit seinem Agieren die AfD in die Mitte der Gesellschaft. Zugleich ruft er die Menge auf, weiter aktiv gegen den Rechtsruck zu kämpfen: „Wir bleiben nicht auf dem Sofa sitzen.“
Am Samstag, 8. Februar, ist unter dem Motto „Demokratie braucht dich“ um 14 Uhr eine große Kundgebung zum Schutz der demokratischen Ordnung geplant. Inzwischen rufen Dutzende Organisationen dazu auf. Statt, wie ursprünglich vorgesehen, auf dem Geschwister-Scholl-Platz, soll sie nun auf der Theresienwiese stattfinden, weil ein so großer Andrang erwartet wird.