"Fridays for Future":Radikale Forderungen und was die Politik dazu sagt

"Fridays for Future": Schülerinnen und Schüler bei einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese im Mai.

Schülerinnen und Schüler bei einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese im Mai.

(Foto: Robert Haas)

Die Schülerinnen und Schüler der Freitags-Kundgebungen haben 31 Vorschläge für die Stadt München erarbeitet. Die SZ hat zwölf davon ausgewählt - und bei Entscheidungsträgern nachgehakt.

Von Jakob Wetzel und Thomas Schmidt

Recyclingquote von 90 Prozent

Was Fridays for Future fordert:

Die Recyclingquote im Stadtgebiet soll ab 2030 nicht unter 90 Prozent liegen.

Was der Abfallwirtschaftsbetrieb sagt:

Das ist ein sportliches Ziel, für das wir uns gerne einsetzen. Zu erreichen ist es, wenn alle an einem Strang ziehen. Was nicht funktionieren wird: Industrie, Handel und Konsumenten nutzen und konsumieren massenweise Güter und Verpackungen aus Materialien, die sich zum Recyceln nicht oder nur sehr schlecht eignen, und der AWM soll dann 90 Prozent dieser Abfälle recyceln. Als Beispiel sei der wachsende Konsum von Einwegverpackungen bei Fast-Food-Ketten zu nennen. Aktuell beträgt die Recyclingquote der Münchner Abfälle 55 Prozent.

Was die Bayernpartei dazu sagt:

Die Einführung einer "gelben Tonne", in der - wie in anderen Kommunen - der Wertstoffmüll gesammelt wird, erscheint sinnvoll, um die Recyclingquote der Stadt zu verbessern.

Was die Grünen dazu sagen:

Da viele Verbundwerkstoffe in Umlauf sind, deren Recycling sehr aufwendig ist, ist diese Marke nur zu erreichen wenn auf Bundes- und EU-Ebene die Weichen entsprechend gestellt werden.

Kein Einwegplastik in der Stadt

Was Fridays for Future fordert:

München soll spätestens ab 2025 vollständig einwegplastikfrei sein.

Was der Abfallwirtschaftsbetrieb sagt:

Wir unterstützen diese Forderung voll und ganz! Leider gibt es für den AWM keine gesetzliche Handhabe, um Einwegplastik zu unterbinden. Lediglich bei Veranstaltungen auf städtischem Grund können wir das durchsetzen. Bereits vor drei Jahrzehnten hat der AWM versucht, Einwegverpackungen in München zu verbieten. Dagegen klagten Handel und Industrie, die Angelegenheit ging bis in die oberste gerichtliche Instanz, die schließlich urteilte, die Stadt darf dem Handel Einwegverpackungen nicht verbieten.

Was die Grünen dazu sagen:

Die Handlungsmöglichkeiten des Stadtrats beschränken sich auf den städtischen Einflussbereich. Hier wollen wir Einwegplastik möglichst noch vor 2025 abschaffen.

Was die CSU dazu sagt:

München soll spätestens ab 2025 vollständig einwegplastikfrei sein.

Was die SPD dazu sagt:

Wir müssen auf Einwegplastik verzichten, wo wir können - und wir fordern das auch vom Kaffeebecherdeckel bis zum Hundekotbeutel. Mit dem Mehrwegsystem auf der Wiesn und Kampagnen für Mehrwegsysteme bei Coffee-to-Go-Anbietern hat die Stadt bereits wichtige Weichen gestellt und es müssen weitere folgen. Vieles ist hier europa- oder bundesrechtlich geregelt, hier wollen wir weiter Druck auf allen Ebenen ausüben.

Keine Lebensmittel verschwenden

Was Fridays for Future fordert:

Eine verantwortungsvolle Sammlung weggeworfener noch essbarer Nahrung, um Containern zu ermöglichen, und die Erhebung von nennenswerten Gebühren für Entsorgung von Lebensmitteln, insbesondere für Gastronomie und Einzelhandel.

Was die Grünen dazu sagen:

Wir unterstützen die Legalisierung des Containerns, hier ist aber die Bundesgesetzgebung gefragt. Auf städtischer Ebene wollen wir die Weitergabe von Lebensmitteln mit Ablaufdatum erleichtern, auch in städtischen Einrichtungen. Die Erhebung von Gebühren für die Entsorgung von Lebensmitteln, insbesondere für Gastronomie und Einzelhandel, ist eine völlig neue Idee, die noch gründlich untersucht werden muss.

Was die Bayernpartei dazu sagt:

Gastronomie und Supermärkten Gebühren für die Entsorgung von Lebensmitteln aufzubürden ist weltfremd. Erstens sind die Unternehmen aufgrund von Hygienebestimmungen gezwungen, abgelaufene Lebensmittel zu entsorgen, zweitens können "nennenswerte Gebühren" hier schnell existenzgefährdend werden.

Was der Abfallwirtschaftsbetrieb sagt:

Eine Sammlung von weggeworfenen, noch essbaren Nahrungsmitteln ist sicher sinnvoll. Der AWM hat dafür aber keine rechtliche Handhabe.

Wohnen

Häuser schneller energetisch sanieren

Was Fridays for Future fordert:

Alle Wohn- und Gewerbebauten im Stadtgebiet sollten ab 2030 einen geringeren Primärenergiebedarf als 30 kWh pro Jahr und Quadratmeter aufweisen. Dafür muss die Sanierungsrate im Bestand bis 2025 auf mehr als vier Prozent steigen.

Was die Stadt dazu sagt:

Die Steigerung der Sanierungsrate auf vier Prozent erachtet das Referat für Stadtplanung und Bauordnung für erstrebenswert, aber nur schwerlich erreichbar. Die Stadt kann nur Gebäude, die in ihrem eigenen Einflussbereich liegen, selbst energetisch sanieren. Über 90 Prozent der Gebäude in München sind nicht im Eigentum der Landeshauptstadt.

Was die SPD dazu sagt:

Das oberste Ziel ist, dass Wohnraum bezahlbar bleibt und neuer entsteht. Deshalb muss die Möglichkeit, Kosten für die Sanierung auf die Mieter umlegen zu können, sehr eng begrenzt werden.

Was die FDP dazu sagt:

Diese Forderung unterstützen wir voll. Durch Mietstopp und Enteignungsfantasien wird aber genau das Gegenteil bewirkt.

Was die Bayernpartei dazu sagt:

Dies würde eine weitere Anfeuerung der Mietpreise bedeuten. Die Belastung ist bereits exorbitant hoch, deshalb lehnen wir die Forderung ab. Darüber hinaus erzielt die Fassadendämmung mit Styropormaterialien kurzfristig einen Energieeinspareffekt, langfristig werden hier aber Tonnen von kaum recyclebarem Sondermüll produziert.

Flächenversiegelung beschränken

Was Fridays for Future fordert:

Um existierende CO₂-Senken und Versickerungsflächen zu erhalten und auszuweiten, muss die Flächenversiegelung auf 50 Prozent des Stadtgebiets beschränkt werden.

Was die SPD dazu sagt:

Die Stadt ist sehr grün und das wollen wir auch in Zukunft gewährleisten. So wird zurzeit etwa ein neuer Landschaftspark im Münchner Westen (Freiham) geplant. Die Parks und Grünflächen sind wichtig, um die Artenvielfalt in der Stadt zu gewährleisten, Frischluftschneisen sicherzustellen und gerade auch im Sommer die "Aufhitzung" zu vermindern.

Was die FDP dazu sagt:

Wir schließen uns an und fordern seit Langem, dass mehr Hochhäuser in München gebaut werden, anstatt des vierstöckigen Einheitsbreis, der zwangsläufig zu mehr Versiegelung führt.

Was die Grünen dazu sagen:

München hat mit 46,6 Prozent mit den höchsten Versiegelungsgrad aller deutschen Großstädte - mehr darf es trotz des notwendigen Wohnungsbaus nicht werden. Deshalb fordern wir, Wohnungen möglichst in die Höhe zu bauen.

Stadtteilzentren stärken

Was Fridays for Future fordert:

Stadtteilzentren und der Einzelhandel sollen gestärkt werden. Das verkürzt die Strecken, die zurückgelegt werden müssen; zum Beispiel um Einkäufe zu tätigen. Damit wird Druck von allen Verkehrsmitteln genommen und Autos werden überflüssig. Durch autofreie Planung sollen klimafreundliche Mobilitätsformen noch attraktiver gemacht werden.

Was die SPD dazu sagt:

Genau das tun wir seit Jahrzehnten. Seit dem Stadtentwicklungsplan von 1975 gibt es in München die dezentrale Stadtentwicklung. Wir setzen bei der Gestaltung von Quartieren auf Stadtteilzentren, wollen urbane Viertel mit fußläufiger Versorgung.

Was die Grünen dazu sagen:

Die autofreie Planung von Stadtquartieren haben wir immer wieder gefordert. Damit werden nicht nur Energieverbrauch und Emissionen reduziert, es werden auch Räume für andere Nutzungen frei, zum Beispiel für Grünflächen.

Was die CSU dazu sagt:

Wir befürworten die Stärkung von Stadtteilzentren und den Einzelhandel. Die wohnortnahe Versorgung soll gewährleistet sein. Deswegen soll auch ein weiterer Markt in der Stadt entstehen.

Verkehr

Benziner und Diesel aus Stadt verbannen

Was Fridays for Future fordert:

Der Straßenverkehr verursacht mehr als 20 Prozent der Münchner CO₂-Emissionen. Sämtliche im Stadtgebiet zum Einsatz kommenden motorisierten Fahrzeuge müssen spätestens ab 2025 lokal CO₂-emissionsfrei sein.

Was Umweltreferentin Stephanie Jacobs (parteifrei) dazu sagt:

Pauschal Dieselfahrzeuge aus der Stadt auszusperren, ist nicht verhältnismäßig und rechtlich unzulässig.

Was die SPD dazu sagt:

Der Stadtrat hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2025 80 Prozent der Mobilität umweltfreundlich erfolgt. Ein Problem ist, dass es für Nutzfahrzeuge wie etwa bei der Müllabfuhr noch keine emissionsfreien Modelle gibt.

Was die Grünen dazu sagen:

Eine Elektrifizierung bis 2025 ist ohne zusätzliche Maßnahmen der Bundesregierung nicht zu schaffen.

Was die CSU dazu sagt:

2016 haben wir schon ein Antragspaket eingebracht: Bis 2030 Umstieg auf emissionsfreie Busse im ÖPNV und Umstieg des städtischen Fuhrparks auf emissionsfreie Fahrzeuge sowie Ausbau der E-Ladestationen.

Kostenloser Nahverkehr ab 2025

Was Fridays for Future fordert:

Um die Autofreiheit innerhalb des mittleren Rings zu ermöglichen, bedarf es eines massiven Ausbaus des öffentlichen Personennahverkehrs. Darüber hinaus muss die Nutzung des ÖPNV spätestens ab 2025 kostenlos sein.

Was die MVG dazu sagt:

Ein ÖPNV zum Nulltarif ist bis 2025 nicht umsetzbar. Das wäre der dritte Schritt vor dem ersten. Als erstes muss die Infrastruktur modernisiert werden. Dann ist der Ausbau des Angebots etwa durch dichtere Takte und neue Linien erforderlich. Wenn das umgesetzt wurde, kann man über eine massive Reduzierung der Preise nachdenken. Ein Nulltarif würde bei der MVG Einnahmenausfälle von rund 500 Millionen Euro pro Jahr verursachen.

Was die SPD dazu sagt:

Wir können uns vorstellen, dass die Nutzung des ÖPNV einmal kostenlos sein wird. Allerdings bedarf es dafür einer kräftigen finanziellen Unterstützung von Land und Bund.

Was die CSU dazu sagt:

Ministerpräsident Söder hat 2018 angekündigt, so schnell wie möglich ein 365-Euro-Ticket einzuführen. Dies unterstützen wir sehr. Die Einführung eines 365-Euro-Tickets für Schüler und Azubis soll noch diesen Herbst erfolgen.

Was die FDP dazu sagt:

Ein kostenloser ÖPNV entzieht dem Nahverkehr die Ressourcen und verhindert den Ausbau.

Flüge deutlich teurer machen

Was Fridays for Future fordert:

Landegebühren werden genutzt, um das Verhalten der Fluggesellschaften zu beeinflussen. Beispielsweise werden leisere Flugzeuge mit geringeren NOx-Emissionen bevorzugt. Durch die Ausweitung dieses Ansatzes soll ein effektives Start- und Landeverbot von Kurzstreckenflügen eingeführt werden.

Was der Flughafen dazu sagt:

Besonders auf den sehr kurzen innerdeutschen Strecken fliegen zum weit überwiegenden Teil Umsteiger, die nicht von oder nach München reisen, sondern über München. Ohne das Flugangebot würden sie andere Drehkreuze nutzen, so dass die Zahl der Reisenden kaum beeinflusst würde - bloß finden die Reisen über andere Umsteigeflughäfen statt, womöglich mit größeren Umwegen, mehr CO₂-Austoß. Bei fehlendem Flugangebot würde auch ein beträchtlicher Teil des Verkehrs auf die ohnehin schon überlasteten Bahnverbindungen und Autobahnen verlagert werden. Die Forderung nach einer drastischen Erhöhung der Start- und Landeentgelte an einem einzelnen Flughafen ist schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben kaum zu erfüllen.

Was die SPD dazu sagt:

Die Anhebung von Flughafengebühren reduziert nicht den Flugverkehr, sondern verlagert ihn nur. Ein Alleingang macht hier also keinen Sinn.

Energie

Heizkraftwerk Nord bis 2022 abschalten

Was Fridays for Future fordert:

Ein Ende aller fossilen Heiz- und Kraftwerke, keine fossilen Brückentechnologien. Betrieb des Heizkraftwerks Nord 2 bis 2022 beenden und den Betrieb bis dahin auf ein Minimum reduzieren.

Was die Stadtwerke dazu sagen:

Der Übergang hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien und zu einer CO2-freien Fernwärme funktioniert nicht ohne Brückentechnologien. Der Bau von Geothermieanlagen etwa benötigt viele Jahre Planungs- und Bauzeit. Deshalb können die SWM nicht mit einem Schlag ihre konventionellen Heizkraftwerke abschalten.

Was die Bayernpartei dazu sagt:

Leider wurden die Bürger mit falschen Behauptungen über die Möglichkeiten der Abschaltung des Heizkraftwerks hinters Licht geführt. Die Alternative sind mehrere dezentrale Gaskraftwerke in der Stadt - dies lehnen wir ab.

Was die SPD dazu sagt:

Die Entscheidung trifft die Bundesnetzagentur. Eine Abschaltung 2022 wird, nach unserem derzeitigen Kenntnisstand, keine Zustimmung erhalten.

Was die CSU dazu sagt:

Wir respektieren das Bürgervotum zur Abschaltung des HKW Nord 2, allerdings hat die Bundesnetzagentur aufgrund der Systemrelevanz des Kraftwerks der Abschaltung nicht zugestimmt.

Fernwärme nur noch mit Erneuerbaren

Was Fridays for Future fordert:

Massiver Ausbau der Geothermie, sodass ab 2035 Fernwärme ausschließlich durch erneuerbare Wärmequellen bereitgestellt wird. Für Gebiete, die nicht durch das Fernwärmenetz erschlossen sind, ermöglichen Bürgerenergiegemeinschaften eine Erzeugung, Bereitstellung und Speicherung erneuerbarer Energie. Daher sollten sie von der SWM gefördert werden.

Was die Stadtwerke dazu sagen:

2035 wird die SWM Fernwärme zu einem sehr hohen Anteil aus erneuerbaren Energien stammen, zum heutigen Zeitpunkt lässt sich jedoch 100 Prozent nicht seriös zusagen. Bis 2040 soll der Fernwärmebedarf der Münchner Haushalte zu 100 Prozent CO₂-neutral bedient werden. Quartierskonzepte für Standorte, die nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen sind, treiben die SWM ebenfalls voran.

Was die SPD dazu sagt:

Wir stimmen zu: Fernwärme soll komplett aus erneuerbaren Wärmequellen stammen. Wir wollen den schnellstmöglichen Umstieg auf Geothermie, der technisch und logistisch machbar ist.

Was die CSU sagt:

Der Stadtrat hat bereits beschlossen, bis 2040 100 Prozent der Fernwärme aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser Wert schon früher erreicht werden kann.

Neue Öko-Kraftwerke

Was Fridays for Future fordert:

Großzügiger Neubau von erneuerbaren Erzeugungskapazitäten. Diese Kraftwerke sollten idealerweise lokal positioniert sein, damit das Netz in München ausschließlich und direkt von erneuerbaren Energien versorgt wird.

Was die Stadtwerke dazu sagen:

Die SWM treiben den Ausbau aktiv voran: Lokal und regional, denn in München und der Region reichen die Potenziale nicht aus, um eine Millionenstadt zu versorgen. Erneuerbare Energien ergeben dort am meisten Sinn, wo ihr Potenzial am höchsten ist. Für Geothermie bietet der Untergrund Münchens ideale Voraussetzungen, für Windkraft sind Meeresküsten um ein Vielfaches ergiebiger. Zudem werden 2025 noch Gas-Anlagen zur Absicherung notwendig sein, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.

Was die FDP dazu sagt:

Die Strategie der Stadtwerke, ihren Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, ist eine reine Mogelpackung, da der Strom im Ausland oder weit ab von München erzeugt wird und hier nie ankommt. Wir wollen mehr erneuerbare Energie in München erzeugen und müssen endlich die Stromtrassen verwirklichen.

Hinweis der Redaktion: In einer ersten Fassung des Artikels waren zwei Statements der Bayernpartei fälschlicherweise der ÖDP zugeordnet.

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