Am 29. April 1945 rücken US-Truppen in Freising ein und befreien die Stadt endgültig von den Nationalsozialisten. Ganz kampflos aber geht das nicht vor sich. Vor allem die örtliche Hitlerjugend scheint geradezu darauf versessen zu sein, sich auf den Feind zu werfen, der in den letzten Apriltagen die Amperleite hoch gen Freising vordringt. 14- bis 16-jährige Burschen melden sich freiwillig, um „beim letzten Gefecht“ dabeizusein.
Dass die Nazi-Propaganda vor allem bei den Jugendlichen tief verfangen hatte, beschreiben Sonja Kochendörfer und Toni Schmid in ihrem Buch „Freising unter dem Hakenkreuz“ und lassen dabei auch Zeitzeugen sprechen. Am strahlenden Frühlingsmorgen des 29. April ist demnach zunächst Kanonendonner aus Richtung des Ampertals zu hören. Die SS hat Verstärkung bekommen und ist gewillt, die Stadt bis zum Ende zu verteidigen. Die minderjährigen Burschen sind stolz darauf, in eine Uniform schlüpfen zu dürfen. Zum Volkssturm wollen sie nicht, denn dort sind die „lahmen Enten“ und alten Männer versammelt.
Die Stellung, in der sie den von Zolling anrückenden Feind erwarten, liegt in der Nähe der Wieskirche. Enttäuscht sind die Jugendlichen über ihre Waffen: alte Schießprügel statt Sturmgewehre. Ein Offizier lässt sie Panzersperren ausheben. Er hat vor, die Burschen nach Hause zu schicken, wenn die Kampfhandlungen beginnen. Die Autoren berichten auch, dass von den etwa 7000 Männern im Bezirk viele nicht einsatzfähig waren oder keine Lust hatten, zu kämpfen. Von den 300 Volksstürmern war der größte Teil wieder heimgeschickt worden. 160 Mann befinden sich in der Stellung – und suchen nach dem ersten Artilleriebeschuss zum größten Teil das Weite.
In der Stadt selbst herrscht die Devise, dass jedes Haus verteidigt werden müsse. Selbst Frauen und Kinder hätten mitzuhelfen. Granaten schlagen in die Domberggasse und beim Hofbrauhauskeller ein. Währenddessen geben Offiziere das Heeresverpflegungsamt jenseits der Bahnlinie zum Plündern frei. Hunderte Menschen strömen trotz der anrückenden Amerikaner dorthin, um alles mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Plünderungen sind fortan an der Tagesordnung. Die Bürger und Bürgerinnen nehmen sich, was ihnen lange vorenthalten worden war: Stoffe und Schuhe, Apfelsaft, Delikatessen, Fett, Schnaps und Kühlschränke.
Im Gefechtsstand herrscht scheinbar Partystimmung
Indessen hissen der Freisinger Hotelier Carl Dettenhofer, der Konditormeister Kraml und Bäckermeister Pfaller auf dem Turm der Pfarrkirche eine weiße Fahne. Die soll den Amerikanern signalisieren, dass die Stadt kampflos übergeben werden soll. Weil aber aus Freising weiter geschossen wird, halten die anrückenden Truppen das für eine Kriegslist und beschießen den Kirchturm. Die drei Männer eilen in den Lindenkeller zum Stadtkommandanten. Im Gefechtsstand scheint Partystimmung zu herrschen. Asche, Zigaretten- und Zigarrenstummel sowie Schnapsflaschen deuten darauf hin.
Dettenhofer beschwört den Major, den sinnlosen Kampf zu beenden. Nach langer Beratung kommt der jedoch zu dem Schluss, dass eine Übergabe der Stadt nicht in Frage komme. Währenddessen hält der Artilleriebeschuss an. Es gibt viele Tote zu beklagen. Dettenhofer sucht erneut den Gefechtsstand auf, vor dem sich schon viele Frauen und Kinder versammelt haben, um das Ende der Kämpfe zu fordern. Doch der Stadtkommandant weigert sich weiterhin, Freising zu übergeben. Dettenhofer fährt daraufhin mit dem Stadtpfarrer den Amerikanern entgegen, die sich mittlerweile in den Feldern rund um die Steinkaserne befinden. Ein amerikanischer Offizier erklärt sich schließlich dazu bereit, mit Dettenhofer zum Gefechtsstand zu fahren. Der fordert während der Fahrt die Bevölkerung dazu auf, weiße Fahnen zu hissen. Sie sollten die Fenster schließen und sich nicht blicken lassen.
Die Nazi-Prominenz setzt sich ins Erdinger Moos ab
Im Gefechtsstand angekommen, geben die deutschen Soldaten auf. Um 18 Uhr ist der Krieg für Freising beendet. SS, Kreisleiter und andere Nazi-Prominente haben sich mittlerweile aus dem Staub gemacht und ins Erdinger Moos abgesetzt. Kurz nach 18 Uhr erschüttert eine gewaltige Explosion die Stadt. Die SS hat die Isarbrücke nach Lerchenfeld in die Luft gesprengt.
Aus einer ganzen anderen Warte erlebt Stabsfeldwebel Alan Yates, Navigator und Bombenschütze bei der Royal Air Force, den Einmarsch der Amerikaner. Er befindet sich zu der Zeit als Kriegsgefangener im Lazarett auf dem Domberg. Am Morgen des 18. April hatte ihm ein Arzt erklärt, dass er an diesem Nachmittag an das Stalag VII A in Moosburg überstellt werden solle. Dazu kam es wegen des Bombardements des Freisinger Bahnhofs jedoch nicht mehr. Yates und andere Kriegsgefangene helfen, wo sie nur können: „Es gab keine Aufseher und Gefangene mehr – nur Opfer des Luftangriffs.“
Weil er nach dem Bombenangriff nicht mehr in das Moosburger Lager überstellt werden kann, erlebt auch Yates den Einmarsch der Amerikaner in Freising mit. Kleine Einheiten der US-Armee und Panzer kommen in die Stadt, dazu ein General in einem Jeep. Yates, als ranghöchster Soldat mit Kampfeinsatz, wird ihm vorgestellt. Alles deutet darauf hin, dass es sich bei dem General um den ebenso legendären wie umstrittenen George S. Patton handelt. Er wird jedenfalls, versichert Hobby-Historiker Ernst Keller, am 1. Mai 1945 im Moosburger Stalag registriert.