Zweifacher Schienenersatzverkehr:Willkommen in der Erlebniswelt der Münchner S-Bahn

Nach der Riesenpanne im Terminal zwei fällt am Sonntagabend auch noch die S-Bahn vom Flughafen nach München aus. Manch Reisender reagiert mit Pöbeleien.

Von Clara Lipkowski, Flughafen

Manchmal passieren Dinge, die eigentlich nicht passieren dürfen. Zum Beispiel Sonntagnacht am Münchner Flughafen. Nach der ohnehin schon verheerenden Riesenpanne am Samstag - der stundenlangen Schließung des zweiten Terminals an dem Tag der Hauptreisezeit zum Auftakt der Sommerferien - fiel gegen 22.30 Uhr auch noch die S-Bahn vom Flughafen in Richtung München komplett aus, weil ein Ballon auf der Oberleitung bei Ismaning gelandet war. Ausgerechnet die S-Bahn, die sowieso schon als Schienenersatzverkehr (SEV) für die S 1 fährt, deren Bahnstrecke seit Samstagfrüh aufwendig überholt wird. Dass mancher Fahrgast da ausfallend wird, strapaziert letztlich allerdings mehr die Nerven der Mitfahrer als der SEV selbst.

Als müder Reisender findet man sich Sonntagnacht also unfreiwillig statt in der S-Bahn in einem Bus nach München wieder - gewissermaßen also im Schienenersatzverkehr vom Schienenersatzverkehr. Und macht Bekanntschaft mit Eigenschaften von Mitreisenden, die einem lieber erspart geblieben wären.

Da ist das Pärchen, das eng umschlungen im Gang steht und jede Kurve nutzt, einen Engtanz aufzuführen. Oder die Frau, die jedem erzählt, der es nicht wissen will, dass sie gerade eine Acht-Stunden-Schicht am Flughafen hinter sich hat, hysterisch lacht und sich das dritte Mon Chéri reinpfeift. Und da wäre der Mann hinter einem, der nun den Busfahrer dafür verantwortlich macht, dass die hintere Tür nicht schließt, auch dann noch, als er, der Busfahrer daran gerüttelt hat und sie - siehe da - zugeht. Oder eine andere Frau, die dem Fahrer seine Fähigkeit, einen Bus zu lenken abspricht, weil er keine offizielle SEV-Uniform trägt und allen Ernstes die Polizei rufen will, weil die MVG, die Münchner Verkehrsgesellschaft, keine Notfall-Hotline eingerichtet hat.

Informiert wird erst nur auf Deutsch - ungünstig für etliche Touristen

Ja, es ist einiges schief gelaufen für diejenigen, die Sonntagnacht mit öffentlichen Verkehrsmitteln weg wollten vom Flughafen. Die Bahn informierte per Infotafel über die Stellwerksstörung nur auf Deutsch - ungünstig für etliche Touristen. Mal hieß es, eine S-Bahn komme jetzt doch, dann wartete sie nicht auf diejenigen, die noch dringend herbeigeeilt waren. Hunderte Fahrgäste zwängten sich in Busse, die sich mehrfach verfuhren, weil die Bahn in solchen Notfällen Mitarbeiter aus ganz Bayern und sogar Baden-Württemberg aus dem Bett klingelt, die nicht zwingend ortskundig sind und ohne Navi ausgestattet ihren Dienst antreten. Überfordert wie sie sind, stellen sie nicht unmittelbar jeden Fahrgast mit einer detaillierten Ansage zufrieden. Grund genug für den besonders empfindlichen, womöglich müden oder hungrigen Fahrgast, den Busfahrer nochmals, nun lautstark beleidigend, persönlich für die eigene Misere verantwortlich zu machen.

Dabei hatte man noch Glück gehabt: Man hat einen Sitzplatz ergattert, die Klimaanlage funktioniert und wenn es einem gelingt, vorübergehend seinen Zorn zu bändigen, genügt ein kurzer Blick auf das Navigationsprogramm im Smartphone, um zu wissen, dass man sich nun auf der richtigen Straße tatsächlich München nähert.

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