Süddeutsche Zeitung

Deutsche Forschungsanstalt in Weihenstephan:Ungewöhnlicher Fall für den Insolvenzverwalter

Dass ein wissenschaftliches Institut wie die "Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie" in Weihenstephan in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kommt nicht oft vor.

Von Petra Schnirch, Freising

Es ist auch für Insolvenzverwalter Marcus Göbel ein ungewöhnlicher Fall: Dass ein wissenschaftliches Institut derart in finanzielle Schieflage gerät, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss, ist eine absolute Ausnahme. Doch Göbel ist zuversichtlich, dass die Arbeit an der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) in Weihenstephan im kommenden Jahr weitergehen kann. Voraussetzung ist, dass die Gläubiger dem Insolvenzplan zustimmen. Der Termin wird am 16. Dezember in Landshut stattfinden.

Die Zeichen, dass an der DFA weiter geforscht werden kann, standen von Anfang an günstig. Der Freistaat als größter Gläubiger betonte stets, dass das Ziel eine Sanierung der Einrichtung sei, da dort exzellente wissenschaftliche Arbeit geleistet werde. Ein Selbstläufer ist die Rettung der Forschungsanstalt dennoch nicht. Es sei nicht einfach gewesen, den Insolvenzplan aufzustellen, sagt Göbel.

Anträge auf 3,6 Millionen Euro vom Staat sind gestellt

Das Finanzmanagement sei neu strukturiert worden. Haushalts- und Drittmittel würden nun strikt zwei getrennten Rechnungskreisläufen zugeordnet, die Kontrollmechanismen funktionierten wieder. Die Anträge, dass die staatliche Förderung durch Bund und Freistaat, insgesamt 3,6 Millionen Euro, wieder fließt, sind gestellt. Die etwa 70 Mitarbeiter, darunter 25 Doktoranden, können also relativ optimistisch in die Zukunft schauen. Im bayerischen Wirtschaftsministerium geht man davon aus, dass 2017 "wieder unter Normalbedingungen gearbeitet werden kann". Das Insolvenzfahren war am 1. November eröffnet worden.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Forschungsanstalt, die zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, schon längere Zeit im Visier. Bereits im Dezember 2015 fand eine Durchsuchung der Räume statt. Am 18. August ordnete das Amtsgericht Landshut die vorläufige Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit an - Freistaat und Bund hatten ihre Zahlungen wegen Unregelmäßigkeiten eingestellt. Offenbar konnte die DFA in einigen Fällen nicht nachweisen, dass sie die mit der Förderung verbundenen Auflagen eingehalten hatte. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen den ehemaligen Direktor, seinen Stellvertreter und den früheren Verwaltungsleiter wegen Betrugs in Tatmehrheit mit Untreue in fünf Fällen laufen noch.

Hoffnung, dass der Insolvenzverwalter die Probleme löst

"Ein Insolvenzverwalter ist immer ein Problemlöser", sagt Marcus Göbel. Bei der Neuorganisation der DFA arbeitet er eng mit der Interimsdirektorin und Stiftungsratsvorsitzenden Anna-Maria Reichlmayr-Lais zusammen. Die Professorin ist Beauftragte des Präsidenten der TU München (TUM) und kennt den Wissenschaftsbetrieb gut, verfügt aber auch über viel Erfahrung in der Verwaltung. Das Berufungsverfahren zur Neubesetzung der Stelle läuft - auch der neue Direktor wird zugleich einen Lehrstuhl an der TUM inne haben. Der bisherige Leiter und Stiftungsratsvorsitzende der DFA ist von diesen Ämtern zurückgetreten. 2017 geht der Wissenschaftler, dessen fachliche Kompetenz außer Frage steht, ohnehin in den Ruhestand. Der Verwaltungsleiter war bereits Anfang 2016 abgelöst worden.

Drei Monate lang erhielten die DFA-Mitarbeiter über das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit ihren vollen Nettolohn. Für November und Dezember gibt es die Zusage des Wirtschaftsministeriums, dass Bund und Freistaat die DFA unterstützen. Von Januar soll der Betrieb weitgehend normal weiterlaufen, mit der Einschränkung, wie Göbel erklärt, dass die Forschungsanstalt aus ihrem Haushalt die im Insolvenzplan erfassten Verbindlichkeiten in sechsstelliger Höhe anteilig an die Gläubiger begleichen muss.

Der Präsident möchte die Forschungsanstalt in die TUM eingliedern

TUM-Präsident Wolfgang Herrmann hat unterdessen schon weitere Pläne. Er möchte die Forschungsanstalt in die TUM eingliedern, das sei möglich, ohne die dauerhafte Förderung durch den Bund zu gefährden, sagt er. TUM und DFA arbeiten im ehemaligen Degussa-Gebäude an der Lise-Meitner-Straße eng zusammen, leiden aber unter Platzmangel.

Herrmann schwebt deshalb ein Neubau vor - und auch er war in den vergangenen Monaten nicht untätig. Das Konzept für eine Erweiterung sei fertig, sagt er. Etwa 17 Millionen Euro seien dafür veranschlagt. Die Forschung soll beispielsweise im Bereich Sensorik ausgebaut werden. Freising ist für die Lebensmittelchemie laut Herrmann schon jetzt ein bedeutender Standort und könnte künftig noch stärker werden.

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SZ vom 12.11.2016/zim
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