Zusatzverdienst der besonderen Art:Einbruch vor der Frühschicht

Ein Gabelstaplerfahrer tritt jeden Morgen um vier Uhr pünktlich zum Dienst an - vorher raubt er noch Moosburger Einfamilienhäuser aus. Angekippte Fenster sind ein Leichtes für ihn.

Susi Wimmer

Was haben zwei Schuhbänder, eine Chipsverpackung, ein Turnschuhabdruck auf dem Klodeckel und ein Nähkästchen gemeinsam? Nun ja, sie gehören alle irgendwie zu einem Einbrecher, der wochenlang die Stadt Moosburg unsicher gemacht hat und in Häuser eingestiegen ist, während die Bewohner schliefen. Jetzt hat die Polizei den 28-Jährigen festgenommen. Und damit einer kuriosen und gruseligen Einbrecherstory ein Ende gesetzt. Zumindest vorläufig.

Um 1.30 Uhr lagen die zivilen Fahnder der Polizeiinspektionen Flughafen und Erding mitten in Moosburg auf der Lauer vor einem schmucken Reihenhaus. Tatsächlich schlich sich ein Mann an, streifte ums Haus und machte sich an einem gekippten Fenster zu schaffen. Bevor er einsteigen konnte, klickten die Handschellen. Der Polizei war ein offenbar notorischer Einbrecher ins Netz gegangen, zumindest war er in einschlägiger Sache bereits zweieinhalb Jahre in Haft gesessen.

Am 20. Mai 2012 hatte die Moosburg-Serie begonnen: Der aus dem Kreis Regensburg stammende, mutmaßliche Täter reiste mit der Bahn nach Moosburg, um hier um 4 Uhr früh seine Schicht als Stapelfahrer anzutreten. Allerdings ging er vor seiner Frühschicht einer ganz anderen Beschäftigung nach, sagt die Polizei: dem Einbrechen. "Der 28-Jährige hatte sich auf den Bereich rund um den Bahnhof von Moosburg fixiert, in einem Radius von etwa 1,5 Kilometer", berichtet Hans-Peter Kammerer, Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern.

Ein gekipptes Fenster ist ein offenes Fenster", predigen die Präventionsbeamten der Polizei seit Jahren. Und wie leicht und geräuschlos ein gekipptes Fenster zu öffnen ist, demonstrierte der Täter fast jede zweite Nacht. Wie genau der Trick funktioniert, soll nicht verraten werden. Nur soviel: Es reichen ganz profane Alltagsmittel aus, um sich ein Spezialwerkzeug zu basteln, mit dem jeder nach oben gestellte Fenstergriff von außen in die gewünschte Position geschoben werden kann.

Für jeden Schlafenden ist die Vorstellung wohl ein Horror: Während die Bewohner der Reihen- und Einfamilienhäuser im Reich der Träume weilten, machte sich der Einbrecher am Fenster zu schaffen - in den meisten Fällen ging er das Toilettenfenster an - stieg in die Wohnungen ein, durchsuchte lautlos die Räume und verschwand mit Wertsachen, Bargeld oder, wie in einem Fall, mit einem Nähkästchen. Teilweise war er noch so dreist, kippte die Fenster wieder in die alte Position und verschwand dann durch die Haustüre. Da er Handschuhe trug, hinterließ er keine Fingerabdrücke. Nur an die Schuhe hatte er wohl nicht gedacht.

Vor einem Fenster etwa sicherten die Beamten den Abdruck eines Turnschuhs. In einem anderen Fall entdeckten sie ein Schuhprofil auf dem Sims des Toilettenfensters, dann wieder eine Fußspur auf dem Klodeckel im Bad einer Geschädigten. Und offenbar trug der Mann immer die selben Turnschuhe.

Mindestens 20 vollendete und versuchte Einbrüche sollen auf das Konto des 28-Jährigen gehen. Erfolgreich war er nicht immer: Einmal etwa krachte beim Öffnen des Klofensters ein Blumentopf zu Boden, ein anderes Mal waren es Dekoutensilien, die laut polternd auf den Boden fielen und die Bewohner weckten, einmal schlug der Hund des Hauses an, allerdings erst, als der Einbrecher bereits EC- und Kreditkarten abgegriffen hatte, dann flüchtete er durch die Tür.

Um die Einbruchsserie zu stoppen, lag die Polizei mit Mann und Maus nächtelang auf der Lauer, schließlich ging ihnen der Mann mit dem verräterischen Tatwerkzeug ins Netz. Die Staatsanwaltschaft allerdings beantragte keinen Haftbefehl, sondern ließ den 28-Jährigen wieder frei. Ob sie ihm sein Einbruchswerkzeug auch wieder mitgegeben haben, ist nicht überliefert.

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