Zu wenig Betrieb:Seehofer zweifelt an der dritten Startbahn

Zu wenig Betrieb: Begleitet von Landrat Josef Hauner (links) und Aufgemuckt-Sprecher Hartmut Binner trifft Ministerpräsident Seehofer vor dem Attachinger Sportheim ein. Binner bescheinigt ihm später eine "Begegnung auf Augenhöhe".

Begleitet von Landrat Josef Hauner (links) und Aufgemuckt-Sprecher Hartmut Binner trifft Ministerpräsident Seehofer vor dem Attachinger Sportheim ein. Binner bescheinigt ihm später eine "Begegnung auf Augenhöhe".

(Foto: Marco Einfeldt)

Ministerpräsident sagt vor etwa 2000 Zuhörern in Attaching, dass er derzeit keinen Bedarf für den Flughafenausbau sieht. Die Betreiber sollen weitere Fakten liefern.

Von Kerstin Vogel, Freising

Unter großem Jubel hat Ministerpräsident Horst Seehofer am Donnerstag in Attaching erklärt, dass er mit der aktuellen Zahl der Flugbewegungen für den Augenblick "keine Notwendigkeit für den Bau einer dritten Startbahn" sieht. Die Zahlen, die man schon gehabt habe, würden "bei weitem nicht mehr erreicht", präzisierte er später, man spreche von einem Delta von 55 000 Starts und Landungen. "So ist das gegenüber der Bevölkerung nicht zu vertreten, da müssen alle, die die Notwendigkeit befürworten, jetzt noch Fakten liefern", betonte er mehrfach.

Zu dem von etwa 2000 Betroffenen mit Spannung erwarteten Besuch in Attaching war Seehofer mit gut 40-minütiger Verspätung gekommen. Er hatte sich in Schwaig zunächst selber ein Bild von der dort herrschenden Lärmbelastung gemacht. Zu hören bekam Seehofer dann auch vor der Sportgaststätte etwas - und zwar zunächst die vielstimmig gesungene Bayernhymne. Landrat Josef Hauner dankte dem Ministerpräsidenten auch im Namen von Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher für den Besuch. Er unterstrich, dass Stadt und Landkreis Freising keine Flughafengegner seien. Das friedliche Miteinander sei jedoch durch den Beschluss zum Bau einer dritten Startbahn gestört worden. Hauner bat den Ministerpräsidenten eindringlich darum, die Argumente der Attachinger in seine Entscheidung einzubeziehen.

Seehofer selber räumte ein, dass die Bürgerinitiativen "starke Argumente" hätten und versprach einmal mehr, objektiv und ergebnisoffen zu entscheiden. Dabei zähle das Argument und nicht die Stärke der Lobbyisten. Es wäre jedoch keine ehrliche Politik, heute zu sagen, dass die Startbahn nicht gebaut werde, so Seehofer weiter. "Dafür brauche ich den Landtag und meine Regierung."

Die Attachinger und viele Freisinger brachten dem Besuch anschließend die verschiedenen Aspekte ihres Protestes nahe. Ob Sorge vor Luftschadstoffen, Kritik am Flächenverbrauch oder der Zerstörung der letzten Naherholungsgebiete, Verkehr und hohe Mieten - dass es in der Region bei weitem nicht nur um Lärm geht, dürfte Seehofer jetzt wissen. Sehr emotional ging es in der abschließenden Gesprächsrunde im Sportheim zu, als 17 Betroffene schilderten, wie sehr eine dritte Startbahn ihr Leben beeinträchtigen würde.

Der evangelische Dekan Jochen Hauer forderte von Seehofer eine "hörende Politik". Die Entscheidung zur Startbahn sei auch eine ethische Frage, doch das sei bisher immer zu kurz gekommen. Man müsse sich fragen: "Dürfen wir alles, was wir können?" Hauer: "Macht Euch die Erde untertan kann nicht heißen, macht mit der Schöpfung, was ihr wollt." Deutliche Worte fand für die Attachinger Ludwig Grüll. Mit einer dritten Startbahn habe man nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, kritisierte er. Man könne zu schlechten Preisen verkaufen oder künftig mit dem Lärm leben. Grülls Appell an Seehofer: "Ich will die Startbahn nicht, die Attachinger wollen sie nicht, die Stadt Freising nicht, München auch nicht - und glaubt man Umfragen, denkt ganz Bayern so. Allein deshalb müssen sie dieses Projekt verhindern."

Seehofer sagte in seinem Schlusswort, dass er "etwas Vergleichbares mit dem Donauausbau gemacht" habe. Auch da hätten viele geglaubt, es sei nur Show für die Öffentlichkeit. Seehofer: "Wir haben dann so entschieden, wie Sie es kennen." Man solle daraus jedoch keine Schlüsse ziehen, warnte der Ministerpräsident: "Ich will nur die Bedeutung des Dialogs herausstellen."

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