Süddeutsche Zeitung

Zu hohe Kosten:Das Aus kommt überraschend

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Statt über Einsparungen zu diskutieren, wird die Planung für kommunale Wohnungen gestoppt

Von Alexandra Vettori, Hallbergmoos

Eigentlich sollte es jüngst im Hallbergmooser Gemeinderat nur um mögliche Kosteneinsparungen für das geplante kommunale Wohnprojekt an der Predazzoallee gehen. Doch es kam anders. Am Ende wurde das "Aus" beschlossen. Eine deutliche Mehrheit von 17 Ratsmitgliedern stimmte für den Stopp der seit fünf Jahren laufenden Planungen. Nur die vier anwesenden Hallbergmooser Gemeinderäte und Gemeinderätinnen von Grünen und SPD wollten noch weitermachen.

"Das ist ein furchtbares Zeichen für die Bürgerschaft", meinte Grünen-Gemeinderätin Sabina Brosch nach der Sitzung. Sie sei nicht nur von dem Beschluss an sich überrascht, schließlich liefen die Planungen, Architekturwettbewerb inklusive, seit Jahren. Was sie vor allem ärgert, ist, dass es keine Überlegungen zu möglichen Einsparungen mehr gab. "Es hieß, es ist zu teuer, aber alles, was es billiger gemacht hätte, wurde nicht mehr diskutiert." Als Beispiel nannte Sabina Brosch einen reduzierten Stellplatzschlüssel für kommunalen Wohnungsbau, der auch die Tiefgarage günstiger gemacht hätte. Letztendlich sei das eine politische Entscheidung, ob eine Kommune für günstigen Wohnraum sorgen wolle oder nicht.

Tatsächlich sind die 21 Mietwohnungen, die auf dem gemeindlichen Grundstück an der Predazzoallee entstehen sollten, im Laufe der Planungen immer teurer geworden. Ging man anfangs von 7,9 Millionen Euro aus, waren es zuletzt 9,4. Dafür aber gab es bis zu Kosten von 9,3 Millionen Euro eine üppige Fördermittelzusage des Freistaats. 3,5 Millionen Euro sollten als Zuschuss fließen, 5,7 Millionen als zinsloses Darlehen.

Trotzdem beschloss die Mehrheit im Gemeinderat das Ende. "Wir haben die Notbremse gezogen", erklärte nach der Sitzung Thomas Henning, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Es gehe nicht darum, dass sich kommunaler Wohnungsbau rechnen müsse, betonte er, "aber die Kosten hier waren einfach zu hoch". Derzeit liege man bei Baukosten von 6500 Euro pro Quadratmeter, üblich seien bei vergleichbaren Projekten 2000 Euro und weniger. Ein Grund sei die teure Grundwasserhaltung, weil der Pegel am fraglichen Grundstück sehr hoch liege. Deshalb bedeute der Stopp auch nicht, dass es gar keinen kommunalen Wohnungsbau in Hallbergmoos mehr gebe, "nur eben nicht an dieser Stelle", so Henning.

Natürlich verzichte man auf Fördermittel, aber das sei nur ein Aspekt. "Auf den Folgekosten bleiben wir alleine sitzen", so Henning. In wirtschaftlich normalen Zeiten sei das auch zu bewerkstelligen, "doch wird haben massive Ausfälle zu erwarten, weil die Luftfahrt wegbricht", gab er zu bedenken. Dennoch müsse die Gemeinde viele andere Projekte in den nächsten Jahren schultern.

Die Hallbergmooser SPD plädierte derweil in einer Online-Pressekonferenz am Montagnachmittag dafür, die Chance, ohne eigene Geldmittel günstigen Wohnraum zu schaffen, nicht zu vertun. Was die Folgekosten anbelangt, verwies SPD-Gemeinderat Stefan Kronner auf die Rechnung des Gemeindekämmerers. Danach sei nach 30 Jahren ohnehin eine Steigerung des geplanten Mietpreises von monatlich zehn Euro pro Quadratmeter auf 13 Euro vorgesehen. "Dass die Gemeinde da ein Mords-Risiko eingeht, sehe ich nicht", so Kronner. Und was den hohen Grundwasserstand anbelangte: "Einen wirklich guten Baugrund ohne hohes Grundwasser finden Sie nirgends in Hallbergmoos."

Einfach hinnehmen wollen die Befürworter den für alle überraschenden Beschluss jedenfalls nicht. Sozialdemokraten und Grüne haben eine Anfrage zu den bisher aufgelaufenen Kosten gestellt. Dazu will Kronner in der nächsten Gemeinderatsklausur über Alternativen sprechen, wohl wissend, dass die dann bis zur Planungsreife wieder drei bis fünf Jahre brauchen. Wie Konrad Friedrich, ehemaliger SPD-Gemeinderat und Seniorenreferent, betonte, müsse man umso mehr ein Augenmerk auf das zweite geplante kommunale Wohnbauprojekt in Hallbergmoos legen, das Mehrgenerationenhaus. Und SPD-Ortsvorsitzender Max Kreilinger fragte besorgt: "Haben wir in Hallbergmoos zu wenig Geld? Hat da irgendjemand ein größeres Wissen als der Rest der Gemeinde?"

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SZ vom 01.04.2021
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