Süddeutsche Zeitung

Zoom-Vortrag:Viel Potenzial für den Klimaschutz

Durch eine Renaturierung von Moorböden lässt sich der CO₂-Ausstoß laut Experte Matthias Drösler deutlich reduzieren

Von Alexandra Vettori, Freising

80 Teilnehmer aus ganz Südbayern, solch ein Auditorium hätten die Bund-Naturschutz-Ortsgruppen Freising und Erding unter analogen Bedingungen wohl kaum für ihren Vortrag über Moor- und Klimaschutz zusammen gebracht. Weil die Veranstaltung am Donnerstag aber als Zoom-Abend über die Bühne ging, hatte Referent Matthias Drösler, Professor für Vegetationsökologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Freising, ein stattliches Auditorium aus Forschern, Behördenvertretern sowie interessierten und versierten Laien.

Immerhin sei Drösler als Moorexperte weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt, sagte Christine Margraf, Artenschutzreferentin beim Bund Naturschutz Bayern, in ihrer Einleitung. Was seine Forschung besonders auszeichnet, ist die Verknüpfung von Moor-, Umwelt- und Klimaschutz. Denn der Klimaschutz im Moor hat viele Synergieeffekte, einer davon ist die Zunahme der Artenvielfalt.

Drösler selbst erzählte, das Kyoto-Protokoll 1997 habe ihn zu den Klimaschutz-Forschungen an Mooren animiert. Inzwischen reagiere auch die Politik, zumindest was Förderprogramme anbelangt. Der Umbau des Waldes und die Renaturierung von Mooren sind laut Drösler auch im Bayerischen Klimaschutzgesetz wichtige Bestandteile. Dass besonders Moore so klimawirksam sind, erklärte er nicht nur mit dem vielen Kohlenstoff, den der Boden dort speichert, sondern vor allem mit dem Treibhausgas-Austausch.

Stark vereinfacht sei Moorboden gut für das Klima, wenn er nass ist - dann nämlich nehme er Treibhausgase auf. Sei er trocken, wie fast der gesamte Moorgürtel im Münchner Norden von Dachau über Freising bis Erding, gebe er dagegen viel Kohlendioxid und andere klimaschädigende Gase ab. Matthias Drösler hat Karten erstellt, auf denen zu sehen ist, wie hoch diese Emissionen sind. Fast alle Flächen des einst mächtigen Niedermoors am Rande der Schotterebene sind rot, die schlechteste Kategorie, die pro Hektar jährlich zwischen 30 und 40 Tonnen klimaschädigender Gase ausstößt. "Das ist zehn Mal so viel, wie von einem Mineralboden käme", so Drösler. Insgesamt berechnete er für das Freisinger Moos einen Ausstoß von rund 36 000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten im Jahr.

Seine Forschungen machen bei den Zahlen aber nicht Halt. Drösler untersucht auch, welche Nutzungen in einem wieder vernässten Freisinger Moos möglich wären. Sechs Pflanzenarten, darunter Rohrkolben, Schilf, Seggen und Rohrglanzgras, werden erprobt. Denn für die Landwirte soll es weiterhin Möglichkeiten geben, Geld zu erwirtschaften. Da seien viele Alternativ-Produkte möglich, nicht nur Tierfutter, so Drösler, "die ökonomische Frage wird sein: Wie honoriere ich diese Klima-Leistung?". Klar sei, dass solche Nasskulturen nur da kommen sollten, wo bisher intensiv gewirtschaftet werde, auf Äcker oder Intensiv-Wiesen, nicht aber auf schon extensiven oder gar naturnahen Flächen. Würde man renaturieren, wo dies möglich ist, und Nasskulturen anlegen, könnte der Freisinger Kohlendioxid-Ausstoß allein im Freisinger Moos um zehn Prozent verringert werden, ein ordentliches Potenzial, betonte Drösler. Und dazu würde sich, dies sei ebenfalls durch Untersuchungen belegt, auch die Zahl der Pflanzen- und Tierarten wieder deutlich erhöhen.

Dass der Bau der dritten Startbahn am Flughafen klimatechnisch ein Sündenfall wäre, rechnete Drösler auch noch vor. Das dafür vorgesehene Gebiet liege fast nur auf Moor- und Anmoor-Böden, die ebenfalls viele klimaschädigende Gase enthielten. Für die 118 Hektar rechnete Drösler mit 11 600 Tonnen CO₂-Äquivalenten, also fast ein Drittel des jährlichen Ausstoßes des Freisinger Mooses. Die Versiegelung des Bodens bringe klimatechnisch nichts, im Gegenteil. Weil der Moorboden abgetragen und laut Plan - in trockenem Zustand - für Dämme verwendet werden soll, ginge die Freisetzung der Gase einfach weiter.

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SZ vom 16.01.2021
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