WM in Katar:Zwischen Schulterzucken und Zorn

Lesezeit: 2 min

Unter Palmen: 2023 hat es die Therme unter die Top zehn der beliebtesten Reiseziele in Deutschland geschafft. (Foto: Stephan Görlich)

Public Viewing während der Fußball-WM? Die Frage spaltet nicht nur die Fans. In der Therme Erding werden die Spiele auf Leinwand übertragen, im Bräustüberl Freising auf gar keinen Fall.

Von Matthias Vogel, Freising/Erding

Seit vergangenem Sonntag rollt der Ball bei der Fußball-WM in Katar. Winter und Public Viewing passt per se nicht zusammen, deshalb wird man auch in den Landkreisen Freising und Erding vergeblich nach großen Sausen auf Fanmeilen suchen. Die Therme Erding macht gemeinsame Fußball-Euphorie ein Stück weit möglich, für die Gastronomie gilt eher: Auf Wunsch Fernseher an.

Gründe, diese Weltmeisterschaft als Zuschauer auszulassen, gibt es wahrlich genug. Beim Stadionbau verunglückten zahlreiche Arbeiter tödlich, generell werden die Menschenrechte in dem Emirat mit Füßen getreten. Mit der Pressefreiheit ist es nicht weit her, genauso wenig wie mit der Nachhaltigkeit. Und überhaupt: Muss kicken in der Wüste wirklich sein?

Am Flughafen ist kein Platz für Public Viewing. Im MAC ist jetzt Weihnachtsmarkt

Unter dem Dach des MAC am Münchner Flughafen hätte man sich als bedingungsloser Fußballfan Public Viewing in der kalten Jahreszeit jedenfalls durchaus vorstellen können. Zumindest trocken wäre es gewesen. Die Flughafen München GmbH (FMG) kam allerdings gar nicht in die Verlegenheit, sich die Frage der moralischen Vertretbarkeit einer Übertragung zu stellen. "Mit Beginn der WM startete unser Weihnachtsmarkt auf dieser Fläche. Deshalb haben wir gar nicht darüber nachgedacht", sagte FMG-Sprecher Edgar Engert.

Sehr wohl Gedanken gemacht haben sich die Verantwortlichen der Erdinger Therme. Sie sind zu dem Schluss gekommen: Wasserspaß und Fußball - das passt weiterhin gut zusammen. Eine Woche vor der Eröffnung der WM waren Techniker damit beschäftigt, das Übertragungssignal für die große Leinwand im Wellenbad sicherzustellen. "Aber auch wenn das nicht funktionieren sollte, sind bei uns alle Spiele, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk übertragen werden, auf großen Bildschirmen zu sehen", sagt Marcus Maier, bei der Therme für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Schlecht fühlt sich deshalb niemand.

"Das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen", heißt es bei der Therme Erding

"Das Kind ist doch schon in den Brunnen gefallen. Der DFB hätte die WM doch auch boykottieren können, oder?", so Maier. "Das was in solchen Ländern bezüglich der Menschenrechte passiert, ist schlimm. Aber wir richten uns nun einmal stets danach, was unsere Kunden wollen und haben das Gefühl, es würden viele nicht kommen, wenn wir nicht übertragen würden." Zudem könne ja der Gast entscheiden, ob er sich das dann tatsächlich anschaut oder nicht.

Im Freisinger Café Etcetera hat Claudia Rankl - seit Anfang dieses Jahres die Pächterin des Lokals - im Voraus keine Pläne für die Übertragung der WM gefasst. Sie hat aber keine Hemmungen den Fernseher anzuschalten, wenn Gäste das wünschen. "Alle Spiele werden wir ohnehin nicht zeigen, ich denke, es wird auf die Partien der deutschen Mannschaft hinauslaufen."

"Wir boykottieren die WM komplett": Der Pächter des Bräustüberls ist sauer auf die FIFA

Von dieser Gelassenheit ist Thierry Willems weiter entfernt als die Austragung eines Beachvolleyball-Turniers in Grönland. "Ich bin stinksauer. Kein einziges Spiel werden wir übertragen. Wir boykottieren die WM komplett", wettert der Pächter des Bräustüberls Weihenstephan, wo sich zu früheren Fußball-Turnieren die Fans gerne versammelten, um gemeinsam zu gucken und zu feiern. "Hierzulande wird man zum Energiesparen angehalten, vom ökologischen Fußabdruck ist die Rede. Und dort werden für Millionen und Milliarden Stadien mit Aircondition gebaut", sagt Willems. "In der Wüste Fußball zu spielen, das ist so dekadent. Die Vergabe der WM nach Katar war einfach nur unsinnig. Da müssen einfach Schmiergelder geflossen sein. Ich halte die FIFA für einen korrupten Haufen. Das hat mit Sport nichts mehr zu tun." Überstülpen möchte er seine Haltung niemandem. "Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber für mich ist eine Übertragung der WM moralisch nicht vertretbar", so Willems.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: