Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftsregion Freising:Durchs Raster gefallen

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Immer mehr Migrantenfamilien können die marktüblichen Mieten nicht mehr zahlen. Ein Bericht über knappe Sozialwohnungen lässt die Stadt nun handeln.

Sabina Dannoura

In der wirtschaftsstarken Boomregion Freising fallen immer mehr Menschen durchs Raster. Deren Einkommen reicht trotz Vollbeschäftigung nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Bleibe zu suchen. Immer mehr wenden sich verzweifelt an die Stadt. Die fühlt sich jedoch überfordert, besonders bei der Unterstützung von Bürgern mit Migrationshintergrund.

Etwa 17 Fälle betreut Nergiz Erten momentan. Sie ist im Amt für soziale Angelegenheiten für die interkulturelle Arbeit verantwortlich - und für Migranten, die in den städtischen Notunterkünften leben. Erten begleitet diese Familien: "Der Klassiker ist, dass der Haupternährer arbeitslos wird, einige Monatsmieten nicht mehr zahlen kann und zwangsgeräumt wird."

Sie unterstütze die Familien dabei, die dringendsten Probleme in den Griff zu bekommen, und versuche sie soweit zu stabilisieren, dass sie sich auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung suchen könnten. Ein halbes Jahr, oft auch länger steht die Sozialpädagogin Erten diesen Leuten zur Seite.

"Immer zeitintensiver" werde die Integrationsarbeit mit Bewohnern von Sozialwohnungen und Notunterkünften, bestätigte Robert Zellner, Leiter des Amts für soziale Angelegenheiten, beim jährlichen Report über die Belegung der 1330 Wohnungen - und fügte hinzu: "Das Leistungsvermögen der städtischen Mitarbeiter ist überschritten."

Für den Personalplan 2011 liege ein Antrag vor, die Halbtagsstelle von Erten auszubauen, "weil wir damit definitiv nicht auskommen". Denn es gelte, "Schaden von den Familien abzuwenden", insistierte Zellner. Die Stadt nutzt 110 ihrer Wohnungen als Notunterkünfte. Dort liegt der Anteil der Bewohner, die nicht aus der EU stammen, momentan bei 30 Prozent - vor einem Jahr waren es noch 34 Prozent.

Anliegen der Stadt sei es, eine "Ghettoisierung" zu vermeiden, so Zellner. Überwiegend seien die in Notunterkünften untergebrachten Familien verschuldet. Die Caritas übernimmt für die deutschen Bewohner die Beratung, um ausländische Familien kümmert sich Nergiz Erten. Ihre Bemühungen zielen darauf ab, "dass sich Menschen selber helfen können und wieder in ein normales Leben zurückfinden".

Zellner ergänzte: "Durch unsere Präventivarbeit gibt es weniger Leute, die wirklich auf der Straße stehen." Im Zusammenhang mit Zwangsräumungen seien 210 Fälle bearbeitet worden. Ein anderer Aspekt in dem Bericht: Sozialwohnungen ohne Zentralheizung und fließend Warmwasser werden auch bei größten Unterkunftsproblemen abgelehnt. "Einfacher Wohnraum kann fast nur noch an Bewerber aus anderen Kulturkreisen vermietet werden", sagte Zellner.

Weiterhin schilderte er, dass sich unverändert eine Vielzahl von Bürgern trotz Vollbeschäftigung keine Wohnung auf dem freien Markt leisten könne. Dies betreffe kaum Arbeitnehmer, die direkt bei der Flughafen München GmbH beschäftigt seien, sondern bei Firmen "im Umfeld" des Airports, die nur Löhne zwischen sieben und acht Euro zahlten. "Die Stadt subventioniert also auf diesem Weg die sogenannte Jobmaschine", spottete ÖDP-Stadtrat Ulrich Vogl.

2009 konnte die Stadt 67 Neubewerbern eine Sozialwohnung vermitteln. Zu einer deutlichen Entspannung, vor allem bei dringenden Fällen, habe die neue Anlage der GBW mit 39 Wohnungen an der Kepserstraße beigetragen, so Zellner. Derzeit baut die Stadtbau Freising an der Isarstraße 68 Sozialwohnungen.

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Quelle:
SZ vom 10.11.2010
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