Wildererei im Landkreis:"Es muss krachen, Kofferraum auf und weg"

Vermummter Armbrustschütze, Wilderei

Eine Wildkamera hat eher zufällig einen vermummten Mann mit gepannter Armbrust bei Enzelshausen im Landkreis Freising fotografiert.

(Foto: Privat)

Im Landkreis Freising sind vermummte Gestalten und angeschossene Tiere gesichtet worden. Wer aber Fleisch beim Wilderer kauft, geht ein hohes Gesundheitsrisiko ein.

Interview von Eva Zimmerhof, Freising

Mit einer Portion Romantik beklagt ein altes Volkslied den Tod des Wildschützen Jennerwein. Wilderer sind auch heute noch unterwegs - im Raum München nimmt die Zahl zu -, romantisch ist an ihrem Tun jedoch nichts. Walter Bott, Vorsitzender des Freisinger Jagdschutz- und Jägervereins, berichtet, wie verletzte Tiere qualvoll verenden und was Menschen wie den "Wildschwein-Henker" vom Ebersberger Forst oder den Armbrustschützen von Enzelhausen antreibt.

SZ: Herr Bott, warum gehen Menschen, die keinen Jagdschein besitzen, in den Wald und töten Tiere?

Walter Bott: Wilderei gibt es schon sehr lange. Wenn man das auf Zeiten bezogen betrachtet, in denen die Bude voll Kinder war, für die man nichts zu essen hatte, dann treibt einen die Not an. Das betrifft heute niemanden mehr. Ein anderes Motiv ist der Jagdtrieb, ohne den der Mensch längst ausgestorben wäre. Es gibt das wirtschaftliche Motiv: dass der Wilderer das Fleisch verkauft. Und es gibt solche, die Lust am Töten haben. Im Ebersberger Forst gab es einen, der Wildschweine enthauptet und die Schädel mitgenommen hat. Die sammelt er vermutlich als Trophäen. Es gibt aber auch welche, die den Adrenalin-Kick suchen, wenn sie durch den Wald schleichen.

Ist der Armbrustschütze, der 2014 von einer Wildkamera bei Enzelhausen fotografiert wurde, einer, der den Kick sucht?

Der Armbrustschütze war dick vermummt und er wurde an der Wildschweinsuhle überrascht, das zeigen die Bilder der Revierkamera. Er hat gemerkt, dass er fotografiert worden ist und wollte die Kamera wohl mitnehmen. Dann kam aber der Jäger, der hörte, wie ein Auto davonraste. Vielleicht war es einfach ein Spinner, aber ein Spezialist hat mir gesagt, dass die Armbrust auf den Bildern geladen und gespannt ist. Im gleichen Jahr haben mehrere Jäger eine ähnliche Gestalt am anderen Ende des Landkreises gesehen.

Was würden Sie tun, wenn ein Vermummter mit Waffe plötzlich vor Ihnen steht?

Man weiß nicht, wie so ein Mensch tickt. Die Frage ist, ob es möglich ist, ihn dingfest zu machen, ob sich das Risiko lohnt. Wenn ich mit einem Bolzen zwischen den Rippen im Krankenhaus aufwache, habe ich etwas falsch gemacht. Eine Armbrust war früher eine Waffe, mit der man in den Krieg zog. Ich würde mich lieber zurückziehen und ihn beobachten, um Fotos zu machen oder sein Autokennzeichen zu notieren. Für weiteres ist die Polizei zuständig.

Zu welchen Waffen greifen Wilderer?

So vielfältig wie die Motive sind die Waffen: Da geht es los mit der Schlinge. Das ist nicht mehr als ein Stück Draht, in dem sich ein Tier verfängt. Wenn es daran erstickt, ist das besonders tierquälerisch. Es gibt Wilderer, die Pfeil und Bogen oder Armbrust nutzen - um kein Geräusch zu machen - und solche, die Schusswaffen haben. Das Waffengesetz zu ändern, bringt nichts. Wilderer verwenden in der Regel illegale Waffen, denn die legalen sind alle mit Besitzernamen registriert. Nach Schätzungen kommen drei bis vier illegale Waffen auf eine legale. Dem Gerede nach kann man am Münchner Hauptbahnhof Waffen bis zur Maschinenpistole bekommen.

Welche Hinweise auf Wilderei gibt es zurzeit im Landkreis Freising?

Bei Moosburg hat ein Jäger ein weibliches Stück Rotwild mit herabhängendem Unterkiefer gesehen - aber es war zu weit weg. Ein Spaziergänger hat das Tier ein paar Tage später in einem Weiher gefunden. Es war hochträchtig und sein Unterkiefer wohl durch einen Schuss zerschmettert. Das Tier ist dort verendet - vermutlich konnte es mit dem kaputten Kiefer seinen Durst nicht mehr stillen. Vielleicht hat es auch versucht, sich wegen des Wundfiebers im Wasser abzukühlen. Zwei Wochen später wurde etwa 15 Kilometer weiter ein angeschossener Rehbock gefunden, der ebenfalls verendet war. Ein Wilderer kann nicht lange nach einem Tier suchen. Bei ihm muss es krachen, Kofferraum auf, Kofferraum zu und weg. Er legt alles darauf an unentdeckt zu bleiben, daher ist die Dunkelziffer bei der Wilderei sehr, sehr hoch.

Was machen Wilderer mit dem Fleisch?

Ein bisschen werden sie selbst essen, ansonsten werden sie es verkaufen. Ein Wildschwein - das ist eine große Menge. Wer so etwas kauft, weiß ich nicht, aber es gibt für alles einen Markt. Bei Wilderei im großen Stil muss es ein Wiederverkäufer sein, eventuell ein dubioser Wirt oder Metzger.

Was ist, wenn das Tier Krankheiten hatte?

Es kann sich natürlich jeder weiterbilden, ein Jäger lernt die Begutachtung aber mit seiner Ausbildung. Erst kommt die Lebendbeschau: Er achtet darauf, ob ein Tier krank wirkt, sich ungewöhnlich verhält oder zum Beispiel hinkt. Nach dem Erlegen untersucht er das Fleisch und innere Organe wie Herz, Lunge und Lymphknoten auf Verwachsungen oder andere Auffälligkeiten. Findet er etwas Bedenkliches, lässt er es vom Amtstierarzt untersuchen. Bei Fleisch von Allesfressern wie Wildschweinen ist das sowieso Pflicht, denn sie können Trichinen haben. Trichinen können beim Menschen zum Tod führen - wenn das Fleisch etwa als Schinken oder Salami gegessen wird, denn Trichinen überleben das Räuchern. Wilderer und ihre Kunden gehen also ein hohes Risiko ein, Trichinen oder radioaktiv belastetes Fleisch zu essen. Seit Tschernobyl, als sich die radioaktive Wolke auch in Bayern entleert hat, empfehlen wir vom Jagdverein, Wildschweinfleisch auch immer auf eine Belastung mit Cäsium zu untersuchen.

Wo kann man guten Gewissens Wildfleisch - etwa für Festtagsessen - kaufen?

Es gibt eine Reihe von Metzgereien im Landkreis, die Wild verkaufen. Eine andere Möglichkeit ist, direkt beim Jäger anzufragen.

Worauf sollte man beim Kauf achten?

Wenn man Wildschweinfleisch kauft, sollte man sich die Messprotokolle der Radio-Cäsium-Untersuchung zeigen lassen. Der Metzger in Zolling zum Beispiel, der Robert Karl, hängt die Protokolle im Laden aus. Fleisch mit über 600 Becquerel Cäsium pro Kilogramm ist nicht verkehrsfähig. Im Landkreis gibt es für die Jäger zwei Messstationen als Service des Jagdvereins.

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