"Wenn mich eine Frau anlächelt, heißt das nicht sofort, dass sie auf mich steht", weiß Amir. Er hat eine Männergesprächsrunde in einem Freisinger Flüchtlingsheim geleitet und schmunzelt, als er von den Erfahrungen berichtet. Daran sieht man: Kulturaustausch ist unglaublich interessant. Dennoch ist er nicht immer einfach. Mit Blick auf den stetig wachsenden Zuzug von Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern ist er aber vor allem eines: unverzichtbar. So sehen das auch Muhibullah Amiry aus Afghanistan, der von allen nur Amir genannt wird, und Maryam Arshia aus Iran. Deswegen haben sie sich zum Kulturdolmetscher ausbilden lassen.
Das Projekt ist aus einer Kooperation der Stiftung Bildungszentrum Freising mit dem Dachauer Forum hervorgegangen, dessen Koordination Kathrin Steger-Bordon und Madeleine Schenk übernommen haben. In zwölf Sitzungen haben Maryam, Amir und vier andere Flüchtlinge zusammen mit Kursleiterin Meliha Satir-Kainz erarbeitet, was für Probleme und Missverständnisse beim Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen entstehen können und wie es gelingt, die Menschen interkulturell zu sensibilisieren.
Ziel des Projekts war es, dass die Kursteilnehmer in der Lage sind, kulturelle Dimensionen zu verstehen und Brücken zu bauen. "Wir haben gelernt, wie wir den neu angekommenen Flüchtlingen zeigen, wie sie sich hier gut integrieren, damit sie später ein besseres und einfacheres Leben haben können", berichtet Maryam von ihren Projekterfahrungen. Sie ist 30 Jahre alt und vor vier Jahren mit ihrem Kind nach Deutschland gekommen. Zuvor hatte sie in Afghanistan eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht. Hier in Deutschland gibt es für sie bisher keine Möglichkeit zu arbeiten. Dafür engagiert sie sich ehrenamtlich bei der Aktionsgruppe Asyl in Erding, wo sie neu ankommenden Flüchtlingsfamilien bei Behördengängen und Arztbesuchen hilft. Dort ist sie auch auf die Ausbildung zur Kulturdolmetscherin aufmerksam geworden.
In Afghanistan arbeitete Amir nach dem Abitur als Dolmetscher für die Nato
Amir ist 21 Jahre und kommt ursprünglich aus Afghanistan. Er ist seit zwei Jahren in Deutschland, auch er hat bisher keine Möglichkeit zu arbeiten. Wenn er bis September dieses Jahres eine Aufenthaltserlaubnis bekommt, kann er eine Ausbildung am Münchner Flughafen beginnen. In Afghanistan arbeitete er nach dem Abitur als Dolmetscher für die Nato. Wie Maryam engagiert er sich derzeit ehrenamtlich. Seit er hier ist, arbeitet er bei der Caritas und ist dort auf das Kulturdolmetscher-Programm gestoßen.
Seit November vergangenen Jahres haben Maryam, Amir und die anderen Kursteilnehmer in den Stunden verschiedene Themengebiete besprochen: Was deutsche Werte sind, was Rassismus ist oder wodurch Konflikte zwischen unterschiedlichen Kulturen entstehen können. "Dazu haben wir dann Übungen gemacht", erzählt Maryam. So haben sie mit einem Seil ihren eigenen Weg der Migration dargestellt. "Das ganze Projekt war nach dem biografischen Ansatz der Teilnehmer ausgerichtet", ergänzt Meliha Satir-Kainz. Dadurch sei eine sehr persönliche und vertraute Gruppenatmosphäre entstanden. Zum Abschluss der Ausbildung hat jeder ein Projekt zugewiesen bekommen, das er hinterher in einem Reflexionsbericht schriftlich dokumentieren und mit einem Plakat veranschaulichen sollte. "Wir haben sogar ein Zertifikat bekommen", erzählt Amir stolz.