Süddeutsche Zeitung

Appell an die Vernunft:Wer nicht fit ist, sollte am Ufer bleiben

Erst kürzlich gab es zwei tragische Fälle im Haager Weiher, seit 2007 sind im Landkreis Freising insgesamt acht Menschen beim Baden ertrunken. Oft überschätzen sich die Opfer, ermüden oder erleiden einen Herzinfarkt

Von Katharina Aurich, Landkreis

Ein Sommertag und unbeschwerte Menschen am Badeweiher, die lachen, sich necken und die Abkühlung genießen. Doch plötzlich ist es totenstill, als die Feuerwehr ans Ufer fährt und Rettungstaucher der Wasserwacht ausschwärmen. Die Badenden werden über ein Megafon gebeten, das Wasser zu verlassen. Ein Badegast sei ertrunken, raunt man sich zu - der Stimmungsumschwung könnte brutaler nicht sein.

Im Kreis Freising sind seit 2007 acht Menschen beim Baden in Seen und Flüssen ertrunken - zuletzt starben zwei Männer innerhalb von zwei Wochen im Haager Weiher. Doch generell gebe es keine besondere Häufung an einem bestimmten See oder in einem Jahr, sagt Hauptkommissar Stefan Kühnel von der Kripo in Erding, die diese Unfälle auf Fremdverschulden untersucht. Die Ertrunkenen seien zwischen zehn und 60 Jahre alt gewesen. Es seien Unachtsamkeit, Selbstüberschätzung, ein Schwächeanfall oder ein Herzinfarkt, die Badenden zum Verhängnis würden, so die Erfahrung von Kühnel. Wenn das Herz aufhöre zu schlagen und der Mensch als letzten Atemzug Wasser einatme, sinke er auf den Grund des Sees. Manchmal werde deshalb zunächst gar nicht bemerkt, dass jemand ertrinke.

Tod im Wasser

Im Landkreis kommt es immer wieder zu Unglücksfällen. Wie gefährlich Wasser ist, auch wenn man gar nicht zum Schwimmen gehen wollte, zeigen die Unglücksfälle, die Hauptkommissar Stefan Kühnel aufzählt: 2011 ertrank ein alkoholisierter Mann in einem mit Wasser gefüllten Straßengraben in Allerhausen. Im gleichen Jahr fiel im April ein Betrunkener aus einem Schlauchboot im Anglberger Weiher bei Zolling und konnte nicht gerettet werden. Ebenfalls aus dem Schlauchboot kippte 2013 ein Mann in die Isar und ertrank. Für einen Partygast endete 2014 eine Feier an der Amper tödlich, als er vermutlich beim Wasserlassen in den Fluss fiel. 2015 stolperte ein Betrunkener in einen Weiher und und starb. Ein Reiter stürzte vom Pferd und fiel so unglücklich in einen Bach, dass er darin ertrank. In Rudelzhausen stolperte eine Frau 2015 in einen Gartenteich, auch sie ertrank. ka

Als Kind lernt man, nach dem Essen nicht zu schwimmen

Jens Besenthal, Geschäftsführer des Erholungsflächenvereins, der im Landkreis Freising für acht Erholungsgebiete zuständig ist, bedauert die Unvernunft vieler Badegäste. Bereits als Kind lerne man, nach dem Essen nicht zu schwimmen und nicht überhitzt in das Wasser zu springen. Viele Badende überschätzten ihre Fähigkeiten, sie ermüdeten und kämen nicht mehr zum Ufer zurück, gerieten in Panik oder bekämen einen Krampf. Dies seien nach Herzinfarkt, Kollaps oder Schwächeanfall die zweithäufigsten Ursachen bei tödlichen Badeunfällen, so Besenthal. Solche Tragödien könne man nicht durch Maßnahmen wie eine flach abfallende Uferböschung verhindern. In einem natürlichen Gewässer zu schwimmen, berge immer ein Risiko. Wenn man die Natur genieße wolle, verlange das eine Portion Eigenverantwortung, betont Besenthal.

Die allermeisten Badeseen im Landkreis sind durch den Kiesabbau entstanden. Als Nachfolgenutzung werde dabei bereits im Genehmigungsantrag "Freizeit, Erholung und Badebetrieb" vorgesehen, so Robert Stangl, Sprecher des Landratsamtes Freising, das den Kiesabbau und die Folgenutzung genehmigt. Daher werde im Rekultivierungsplan darauf geachtet, dass das Gelände um den Weiher und die Ufer nach dem Abbau so gestaltet werden, dass der See als Badegewässer geeignet ist, und Flachufer sowie Liegewiesen angelegt.

Am Hollerner See und an den Neufahrner Mühlseen gibt es Wasserwachtstationen

Der Erholungsflächenverein hat inzwischen an seinen Badeseen Schilder mit einem Piktogramm aufgestellt, die in mehreren Sprachen vor der Gefahr, in das tiefe Wasser zu gehen, warnen. An den hoch frequentierten Badeseen, etwa dem Hollerner See, der zwölf Meter tief ist, und den Neufahrner Mühlseen, hat der Verein Wasserwachtstationen gebaut. Die ehrenamtlichen Wasserretter sorgen hier bei Hochbetrieb dafür, dass im Notfall schnell geschulte Rettungsschwimmer zur Stelle sind. In ihrem Spezialboot könnten sie die Opfer rasch bergen, denn bei der Wasserrettung zähle jede Minute, so Besenthal. Er habe großen Respekt vor den ehrenamtlichen Wasserwachtsmitgliedern, die schon viele Leben gerettet hätten - unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Haags Bürgermeister Anton Geier appelliert nach den beiden tragischen Unglücksfällen am Baggerweiher in seiner Gemeinde einmal mehr an die Vernunft der Badegäste. Und auch er sagt wie Besenthal, dass das Baden in der Natur mehr Risiken berge als im Schwimmbad. Jeder, der in tiefes Wasser gehe, sollte gut schwimmen und seine Kräfte richtig einschätzen können, betont Geier. Wenn man nicht fit sei oder nicht gut schwimmen könne, sollte man verzichten und am Ufer bleiben.

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SZ vom 10.07.2017/zim
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