Wer gärtnert, schlägt Wurzeln:"Der schönste Garten Freisings"

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Eigentlich war Roya Klinger bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen des interkulturellen Gartens in Freising für das Schminken zuständig. Aeronwy aus Wales macht es lieber selbst. (Foto: Marco Einfeldt)

Familien aus 13 Nationen - wie Indien, Namibia, Algerien, Vietnam, China, Syrien und Chile - pflügen, säen und ernten hier Pflanzen aus ihrer Heimat: Der interkulturelle Garten neben dem Freisinger Schafhof existiert seit zehn Jahren.

Von Gudrun Regelein, Freising

Im Vorbeigehen pflückt Gisela Landesberger eine Himbeere ab. "Das hier ist der schönste Garten Freisings", sagt sie begeistert. Eine sanfte Brise rauscht durch die Blätter der mächtigen Bäume, die an diesem heißen Sommertag einen angenehmen Schatten spenden. Der interkulturelle Garten am Südhang des Freisinger Schafshofs, der im Juni vor zehn Jahren offiziell eröffnet wurde, wirkt auf den ersten Blick erst einmal sehr naturnah, fast schon verwildert. Erst beim genauen Hinsehen entdeckt man die kleinen abgeteilten Parzellen mit vielen Gemüsesorten, Kräutern und Beerensträuchern - und vereinzelt auch einer blühenden Blume.

"Der Garten ist, wie er ist", sagt Landesberger. "Jeder macht in seinem Bereich das, was er möchte. Regeln haben wir nur wenige." So darf beispielsweise kein Gift auf die Beete gesprüht werden, auch Hunde oder andere Haustiere dürfen nicht mitgebracht werden.

"Viele bringen Samen aus ihren Heimatländern mit oder lassen sich etwas schicken"

Familien aus 13 verschiedenen Nationen - darunter aus Indien, Namibia, Algerien, Vietnam, China, Syrien und Chile - gärtnern hier; sie pflügen, säen und ernten. "Viele bringen auch Samen aus ihren Heimatländern mit oder lassen sich etwas schicken - das ist total spannend, was hier alles wächst", sagt Landesberger. Mandeln und Feigen, beispielsweise, daneben viele außergewöhnliche Gemüsesorten und Gewürzpflanzen, wie asiatischer Spinat und Koriander. Im Sommer, so erzählt sie, gehe sie nie ohne vollgefüllten Korb wieder nach Hause, so viel bekomme sie geschenkt.

Für sie sei es ein Herzensprojekt, sagt Gisela Landesberger, Initiatorin des interkulturellen Gartens. Das Buch "Wurzeln schlagen in der Fremde" von Christa Müller, das die Bedeutung internationaler Gärten für Integrationsprozesse beschreibt, habe sie in einer Novembernacht im Jahr 2004 am Stück gelesen. "Das war die Initialzündung." Am nächsten Tag sei sie - die damalige Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises - beim damaligen Landrat Manfred Pointner im Büro gestanden. "Er war sehr angetan von der Idee", erinnert sich Landesberger. Gemeinsam mit der ehemaligen Integrationsbeauftragten der Stadt, Meral Meindl, ging es 2005 an die Umsetzung, die sich allerdings noch über zwei Jahre hinwegzog. Das 1500 Quadratmeter große Grundstück - eine ehemalige Streuobstwiese mit vielen außergewöhnlichen Obstbäumen, darunter zwei der seltenen Maulbeerbäume - stellte die Fachhochschule Weihenstephan zur Verfügung, der Pachtvertrag läuft mit dem Freistaat Bayern. Der Boden musste aufgebrochen, eine Wasserleitung verlegt werden - dann ging es mit Maßband und Haselstöcken an die Aufteilung. Einig war man sich, im Inneren ein ganz großes Stück Gemeinschaftsfläche zu belassen.

In einem großen Topf auf der Feuerstelle wird Gemüsesuppe gekocht und gemeinsam gegessen

Dort stehen heute unter einem hohen Maronibaum Bänke und Tische, daneben ein riesiges Trampolin und eine Schaukel. Oft werde im Garten spontan gemeinsam zu Abend gegessen - jeder steuere dann etwas aus seinem Gärtchen dazu bei: Einen Salatkopf, eine Gurke oder Kohlrabi. Oft werde mit den Kindern in einem großen Topf auf der Feuerstelle eine Gemüsesuppe gekocht und gemeinsam gegessen. "Gerade auch die Kinder lieben es, hier zu sein", sagt Landesberger.

Der Garten helfe "ganz sicher" bei der Integration, sagt sie überzeugt. Das Miteinander verbinde über fremde Kulturen hinweg, das Verständnis füreinander wachse. Der gemeinsame Gartenbau bringe aber nicht nur Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern zusammen, er verwurzle sie auch an ihrem neuen Lebensort, sagt Anna Haikali. Sie ist seit 2013 die Vorsitzende des Vereins "Interkultureller Garten Freising". Gemeinsam mit ihrem Mann, der aus Namibia kommt, ist sie an schönen Tagen fast jeden Abend hier. Seit sieben Jahren haben die beiden eine Parzelle. Viele Kräuter finden sich dort, Erdbeeren, Tomaten, Zucchini und Gurken. "Ein ziemlicher Wildwuchs: alles nicht ganz akkurat", sagt Haikali fröhlich.

Der Garten sei für ihren Mann für das Ankommen in Freising wichtig gewesen. "Es stimmt schon, dass man durch das Gärtnern auch Wurzeln schlägt", sagt sie. Der gemeinsame Garten sei eine kleine Oase. "Es ist einfach schön, die anderen dort zu treffen, sich zu unterhalten und auszutauschen." Viele Freundschaften seien entstanden: "Wir sind eine Gemeinschaft", betont sie. Eine, die sich übrigens nicht nur im Sommer trifft. Auch im Winter gebe es Treffen, bei dem jede Familie etwas Landestypisches koche - aus den Rezepten entstehe gerade ein Kochbuch.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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