Wechsel in Moosburg:18 Jahre Bürgermeisterin sind genug

Jetzt wird Anita Meinelt Bier-Sommelière.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Wechsel in Moosburg: Meinelt überreicht dem unterlegenen Stichwahlkandidaten Michael Stanglmaier Sekt, während Sieger Josef Dollinger Ergebnisse studiert.

Meinelt überreicht dem unterlegenen Stichwahlkandidaten Michael Stanglmaier Sekt, während Sieger Josef Dollinger Ergebnisse studiert.

(Foto: Marco Einfeldt)

Sommer 2001. Anita Meinelt lässt sich von ihren CSU-Parteifreunden - unter anderem soll ein gewisser Otto Wiesheu sie zu Hause besucht haben - überzeugen, als Moosburger Bürgermeisterin zu kandidieren. Ihre Chancen scheinen aber gering. "Viele haben gedacht, gewinnen wird sie eh nicht", sagt Meinelt, 66, rückblickend. Immerhin sei sie mit drei Mankos angetreten. Sie war eine Frau, sie wurde nicht in Moosburg geboren und - fast ungeheuerlich in einer oberbayerischen Kleinstadt um die Jahrtausendwende - sie war auch noch evangelisch. "Viele haben mich nicht ernst genommen", sagt sie.

Das Ende vom Lied ist bekannt. Meinelt schaffte es bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2002 in die Stichwahl und bezwang dort überraschend deutlich Amtsinhaber Toni Neumaier von der SPD, der 18 Jahre lang die Geschicke im Moosburger Rathaus geleitet hatte. Sie setzte sich mit 71,86 Prozent der Stimmen durch. "Das war damals bayernweit das deutlichste Ergebnis in einer Stichwahl", sagt Meinelt nicht ohne Stolz.

Schon 2014 hat Anita Meinelt ihren Rückzug angekündigt

Am 30. April scheidet Anita Meinelt nun ihrerseits nach 18 Jahren an der Rathausspitze aus dem Amt. Aber nicht, weil sie abgewählt worden ist, sondern weil sie, wie sie bereits 2014 angekündigt hatte, nicht mehr zur Wahl angetreten ist. Für sie ist es der ideale Zeitpunkt, denn: "Man sollte dann aufhören, wenn es noch ein paar Leute gibt, die sagen: Schade, dass du gehst."

Gekommen ist Anita Meinelt vor 37 Jahren. Damals suchte die gebürtige Münchnerin, die in Giesing aufgewachsen ist, mit Mann und Kind eine größere und vor allem erschwingliche Bleibe, was damals in München schon fast unmöglich gewesen sei, erinnert sie sich. Im damals neuen Moosburger Wohngebiet Mühlbachbogen wurden sie fündig. "Mir hat Moosburg mit seinem Kleinstadtcharakter von Anfang an gefallen", sagt sie, "die Leute waren unheimlich freundlich".

Früher war der Moosburger "Streitrat" berüchtigt

Nicht ganz so freundlich waren die Moosburger seinerzeit im Stadtrat. Sie habe sich ziemlich schnell für die Lokalpolitik interessiert, so Meinelt, und den Wahlkampf den sich Herbert Franz (CSU) und Toni Neumaier 1984 geliefert hätten, "der war ganz, ganz böse, das war so unter der Gürtellinie, dass es bis über den Landkreis hinaus Schlagzeilen gemacht hat". Das geflügelte Wort vom Moosburger "Streitrat" war auch in den folgen Jahren in aller Munde. Von 1996 an saß auch Anita Meinelt in dem Gremium, schon ein Jahr später wurde sie Fraktionsvorsitzende der CSU. Der Ausschlag, überhaupt für den Stadtrat zu kandidieren, kam genauso wie bei der Bürgermeisterwahl 2002 von ihrem Mann. "Er hat gesagt, wenn man was verändern will, dann muss man das machen", erzählt Meinelt, die Mutter von drei Kindern sowie Oma von inzwischen drei Enkeln ist und von ihrer Familie stets den nötigen Rückhalt bekam. Meinelt trat an und profitierte bei der Bürgermeisterwahl 2002 "auch von der Grundstimmung unter den Wählern, ein Großteil wollte damals einfach eine Veränderung", sagt sie.

Leicht fiel der gelernten Bankkauffrau, die zuvor in der freien Wirtschaft für verschiedene europäische und amerikanischen Firmen an Verkaufs- und Marketingstrategien gefeilt hatte, der Wechsel an die Spitze einer Rathausverwaltung nicht. Das gibt sie offen zu. "Die Umstellung war ganz schwierig." Sie musste sich an das gedrosselte Tempo gewöhnen, in dem Projekte von Kommunen voranschreiten, weil für sie einfach besondere gesetzliche Regelungen gelten. Und wo sie in ihren früheren Jobs "einfach sagen konnte, das mache ich jetzt so, musste ich als Bürgermeisterin meine Vorstellungen erst möglichst gut verkaufen und mir die Zustimmung des Stadtrats erarbeiten". Sie musste lernen, "immens viel Zeit und Geduld aufzubringen". Und dass am Ende nicht immer alles so beschlossen wurde, wie es ihren eigenen Vorstellungen entsprach, ist selbstverständlich und wesentlicher Teil des auf Kompromissen basierenden demokratischen Entscheidungsfindungsprozesses. Dabei war es ihr stets wichtig, "dass wir uns mit unterschiedlichen Meinungen auseinandersetzen, aber respektvoll miteinander umgehen und gemeinsam nach Lösungen suchen".

Die Bürgermeisterin zieht eine positive Bilanz

An richtig große persönliche Enttäuschungen während ihrer 18-jährigen Amtszeit kann sich die scheidende Bürgermeisterin eigentlich nicht erinnern, "weil ich kein Mensch bin, der negativ ist". Sie hebt lieber das Positive hervor. Natürlich hätte sie sich gewünscht, dass es keine sechs Jahre dauert, bis man mit dem Bau des neuen Hallenbads beginnen kann. "Ich hätte auch gerne die Staatsstraße durch die Stadt schneller abgestuft oder das Kinderhaus in den Amperauen schon früher gebaut, aber deshalb bin ich nicht enttäuscht, dass so was länger dauert, ist halt Alltag in der Kommunalpolitik." Sie müsse ja nicht unbedingt alles noch selber fertigstellen, für sie sei es auch ein Erfolg, die Vorarbeiten geleistet zu haben, "damit es mein Nachfolger leichter hat".

Wechsel in Moosburg: Vor 18 Jahren war es Meinelt, die von Stanglmaier (l.) und Stadtrat Ludwig Kieninger nach ihrem Wahlsieg Glückwünsche entgegennahm.

Vor 18 Jahren war es Meinelt, die von Stanglmaier (l.) und Stadtrat Ludwig Kieninger nach ihrem Wahlsieg Glückwünsche entgegennahm.

(Foto: Jessensky (A))

So richtig in Schwierigkeiten sei sie eigentlich nur einmal geraten, erinnert sich Meinelt. Das war 2002 gleich nach ihrem Amtsantritt, als der Planfeststellungsbeschluss für die "Baywa-Unterführung" fast gekippt wäre, weil man einen Einwand nicht berücksichtigt hatte. "Da habe ich mit den Tränen gekämpft, weil ich nicht gewusst habe, wie fange ich das an", räumt die Bürgermeisterin ein: "Aber aufgeben war nicht meine Devise." Letztlich ging alles gut, wie bei vielen anderen Großprojekten der folgenden Jahre auch. Zu ihren Erfolgen zählt Meinelt etwa die Umsetzung des Sportstättenkonzepts, "da alle Interessen und Vereine zusammenzubringen, war schwierig". Auf ihrer persönlichen Positivliste verzeichnet sie aber auch "das Parkhaus am Bahnhof, die Sanierung des Hochbehälters für das Wasserwerks, die Westtangente, die wir schneller als Freising hatten, und die Einführung der Ganztagsmittelschule, bei der viele Stadträte massiv dagegen waren".

Was die Entwicklung der Stadtratsarbeit über all die Jahre angeht, meint die Bürgermeisterin: "Es ist schwieriger geworden." Früher waren weniger Parteien und Gruppierungen in dem Gremium vertreten. "Und es waren auch Fraktionsvorsitzenden-Besprechungen nicht in dem Maß nötig wie heute, da hat man einfach kurz angerufen und nachgefragt." Heute sei alles "viel arbeitsintensiver, aber es funktioniert auch, man muss einfach kompromissfähig sein und auch mal nachgeben können - wenn man nachgibt, verliert man nicht, sondern zeigt Größe". Einfacher werde es für ihren Nachfolger Josef Dollinger (FW) und die Stadträte in der neuen Amtszeit, in der neun Gruppierungen im Gremium vertreten sind, "mit Sicherheit nicht", so Meinelt, "aber ich hoffe, dass das Bewusstsein bei allen da ist: Nur zusammen erreichen wir was. Es müssen alle im Kopf behalten, dass es nicht um sie selbst oder um Parteien geht, sondern um die Menschen in dieser Stadt".

Anita Meinelt

"Aufgeben war nicht meine Devise", sagt Anita Meinelt.

(Foto: Lukas Barth)

Einer dieser Menschen bleibt weiterhin Anita Meinelt, auch wenn sie politisch nur noch im Kreistag vertreten sein wird, wo sie in sechs Jahren ebenfalls definitiv Schluss machen wird. Für sie ist das eine Art sanfte Entwöhnung von der Politik. Ansonsten will die scheidende Bürgermeisterin ihre neu gewonnene Freizeit nutzen, um mehr Zeit mit ihrem Mann oder den Enkelkindern - das jüngste ist erst zwei Jahre alt - zu verbringen. Zudem könne sie endlich mal spontan in Urlaub fahren oder Dinge im Haus aussortieren, die über die Jahre liegen geblieben seien. Und sie würde sich auch gerne weiterbilden. "Ich bin noch unschlüssig, ob ich Spanisch oder lieber Italienisch lernen soll", sagt Meinelt, "und der Bier-Sommelier reizt mich auch schon lange". Aber all das kann sie sich nun in Ruhe überlegen: "Ich habe ja jetzt Zeit, es pressiert nix."

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