Süddeutsche Zeitung

Wechsel auf dem Chefsessel:Emotionale Sache

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Familienunternehmer regeln oft zu spät die Nachfolge

Von Laura Dahmer, Freising

Die Zeit drängt für viele Freisinger Unternehmen: Bei rund einem Drittel steht bis 2025 ein Wechsel auf dem Chefsessel an. Das ergibt eine Schätzung der Hypo-Vereinsbank für den Landkreis. Das große Problem in den oftmals familiengeführten Betrieben ist: die Nachfolgerfrage. Schon seit es Familienunternehmen gibt, zerbrechen sich Firmenoberhäupter den Kopf, welches Kind sich am besten für die Übernahme des eigenen Lebenswerks eignet. So einfach ist das heute oft nicht mehr. Vor allem aber nehmen die meisten die Planung der Übergabe auch viel zu spät in Angriff.

Marcus Sagmeister erlebt das tagtäglich. Er ist Leiter des Private-Banking-Teams für Niederbayern, Erding und Freising und berät Unternehmer bei der Nachfolgerfrage. "Man liest ja auch immer wieder von Fällen, bei denen der über 80-jährige Senior die Firma an seinen Sohn überschreibt. Der ist dann auch schon 60, die Nachfolgesuche geht damit direkt weiter", sagt er. In Familienunternehmen sei das eine sehr emotionale Sache. Die Gründer-Generation, aber auch Firmenchefs späterer Generationen täten sich oft schwer, das Zepter aus der Hand zu geben. "Firmengründer glauben oft, unsterblich zu sein", weiß Paulus Klem, Leiter des Firmenkundengeschäfts der Hypo-Vereinsbank in der Region München-Nord. Wenn sie aber zu lange am Steuer blieben, könne sich das irgendwann am Unternehmenswert rächen: Es drohe Innovationsstau, der Betrieb sei dann irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig. "Wenn ich ein Unternehmen hätte, hätte ich mit 50 die Nachfolge geregelt", lautet Klems Empfehlung.

Ohne Nachfolger stirbt ein Unternehmen aus. Damit hängen an der Nachfolgerfrage unmittelbar auch Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. In Freising betrifft das 20 000 Stellen in 324 Unternehmen, in denen eine Übernahme ansteht - vor allem das Handel- und Gastgewerbe.

Nicht nur die Unternehmensnachfolge wird of zu spät festgelegt - das Gleiche gilt für die Vermögensnachfolge. Die Zahlen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge zeigen: Nur rund drei Prozent aller Erbfälle in Deutschland sind einwandfrei geregelt.

Dabei liegt die Schuld für die ungeklärte Nachfolge nicht immer auf Seite der Unternehmer. Das zeigt eine Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags: Auf die zunehmende Anzahl von Senior-Unternehmern kommt eine sinkende Anzahl potenzieller Nachfolger. Das ist nicht nur auf den demografischen Wandel zurückzuführen. "Viele Kinder wollen das Unternehmen ihrer Eltern nicht mehr führen und orientieren sich beruflich anders", bemerkt Sagmeister. Klem erklärt sich das durch einen Wertewandel in der Gesellschaft: "Für viele ist es existenziell nicht mehr notwendig. Ein Unternehmer lebt an den heutigen Märkten mit hohem Risiko und arbeitet viel - seine Kinder bevorzugen dann das Anstellungsverhältnis." Die Bänker empfehlen in diesem Fall den Rückgriff auf andere Lösungen: Die Übergabe an einen Mitgesellschafter, Mitarbeiter oder den Verkauf an ein anderes Unternehmen. Die eine richtige Lösung gebe es dabei nicht. "Der Senior muss sich immer die Frage stellen: Wie soll mein Unternehmen zukünftig aussehen? Was möchte ich darin für eine Rolle spielen?", stellt Sagmeister fest. Und diese Frage sollte er möglichst früh beantworten.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2017
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